| Predigten im Trinitatis-Festkreis 
  
    | Trinitatis 1992 | Römer 11,33-36 | Die Art des Staunens |  
    | 1 Sonntag nach Trinitatis 1988 | Jeremia 23,16-29 | Wie kann man Lügen-Propheten erkennen? |  
    | 1 Sonntag nach Trinitatis 1997 | Lukas 16,19-31 | Eine neue Währung: der LZ |  
    | 3 Sonntag nach Trinitatis 1993 | Genesis 50,15-21 | Wie alles gut wird |  
    | 4 Sonntag nach Trinitatis 1983 | Johannes 8,3-11 | Wer unter euch ohne Sünde ist …….. |  
    | 8 Sonntag nach Trinitatis 1991 | Matthäus 5,6-13 | Der Indikativ Christi |  
    | 8 Sonntag nach Trinitatis 1982 | 1 Korinther 6,12-20 | Sex als Körpersprache |  
    | 9 Sonntag nach Trinitatis 2001 | Matthäus 13,44-46 | Der Schatz   oder: Völlig losgelöst |  
    | 11 Sonntag nach Trinitatis 1983 | Lukas 7,36-50 | Wem wenig vergeben wird, der liebt wenig |  
    | 11 Sonntag nach Trinitatis 1997 | Lukas 18,9-14 | Wie man blitzschnell zum Heuchler wird |  
    | 12 Sonntag nach Trinitatis 1988 | Apostelgesch 3,1-16 | Wir sind Bettler, das ist wahr |  
    | 12 Sonntag nach Trinitatis 1997 | Markus 7,31-37 | Simon &    Garfunkel:  Sounds of Silence |  
    | 13 Sonntag nach Trinitatis 1988 | Genesis 4,1-16 | Jenseits von Eden oder: Opfer und Täter |  
    | 13 Sonntag nach Trinitatis 1989 | Matthäus 6,1-6 | Vom Intimleben des Glaubens |  
    | 14 Sonntag nach Trinitatis 2002 | Johannes 5,1-18 | Der Aufstand eines Festgelegten |  
    | 18 Sonntag nach Trinitatis 1991 | Markus 12,28-34 | Wenn Krücken knicken und Fassaden fallen |  
    | 18 Sonntag nach Trinitatis 1981 | Markus 10,17-27 | Bonjour tristesse! |  
    | 21 Sonntag nach Trinitatis 2006 | Jeremia 29,1-4;10-14 | Die babylonische Gefangenschaft heute |    Trinitatis 1992Römer 11, 33-3633 O welch eine Tiefe des Reichtums,  beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine  Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn »wer hat des Herrn Sinn  erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen«? (Jesaja 40,13) 35 Oder »wer  hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste«? (Hiob 41,3)  36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in  Ewigkeit! Amen.   Liebe  Mitchristen,um  Artenschutz soll es heute gehen, wie in Rio beim Umweltgipfel.
 Dort  sollen gefährdete Arten von Tieren und Pflanzen durch Abmachungen bewahrt  werden vor dem Aussterben –
 aber Bush macht nicht mit-
 und  der uns heute vorgeschlagene Predigttext sucht eine
 Art  menschlichen Verhaltens zu schützen und zu beleben,
 und  Sie?
 Machen  Sie mit bei dieser Wiederbelebung?
 Ach  so, Sie wissen ja noch gar nicht ,
 welcher  Unart es an den Kragen gehen soll,
 damit  eine Art (im engl und frz art=Kunst) nicht ausstirbt.
 Hören  Sie jetzt den Predigttext,
 aber  so viel schon im Voraus:
 Es  geht um die Art, die Kunst, des Staunens.
 (Röm.11,33-36  verlesen!)
 Da  kommt einer aus dem Staunen fast nicht mehr heraus.Mit  einem fassungslosen "O" fängt er an
 und  mit einem "Amen" "So soll es sein"
 hört  er auf.
 Salopp  würde man heute sagen:
 Der  ist völlig weggetreten.
 Fassungslos,  schwärmend, begeistert,
 enthusiastisch  und selbstvergessen.
 Der  strenge Denker Paulus verliert sich in grenzenlosem Staunen.
 Das  hat mich in den Bann geschlagen,fasziniert  habe ich mich in den letzten Wochen mit diesem Text beschäftigt.
 Und  ich habe mich gefragt:
 Warum  geht mir dieser staunende Paulus so nach?
 Die  Antwort, die ich mir schließlich geben musste,
 machte  mich nachdenklich, ja traurig:
 Wenn  ich nicht aufpasse, verkümmert bei mir das Staunen zu einem gelegentlichen,  kläglichen und etwas müden "Ach ja?!"
 Staunen,  ja das könnten eigentlich nur Kinder,
 so  meinen aufgeklärte Zeitgeister,
 Nein,  nein, so will ich mich nicht trösten lassen,
 Staunen  gehört zum Lebendigsein, das glaube ich fest
 Und  daher hab ich die Angst,
 mit  dem schleichenden Verlust des Staunens
 Leben,  lebenswertes Leben zu verlieren.
 Deshalb  interessiert mich das Geheimnis des Paulus.
 Im  Römerbrief nachforschend entdecke ich,dass  die Verse aus dem 11. Kap. des Römerbriefs
 am  Ende von drei langen Kapiteln des Nachdenkens
 über  ein einziges Problem stehen.
 Es  sieht also so aus,
 als  sei das Staunen des Apostels
 eine  direkte Folge seines Nachdenkens.
 Aha,  Staunen und Nachdenken haben etwas miteinander zu tun.Umgekehrt:  Verlust von Staunen könnte dann mit mangelndem Nachdenken zu tun haben.
 Also,  nicht zu viel, sondern zu wenig denken
 wäre  dann Ursache für die bedrohte Situation
 der  Art des Staunens.
 Und  Anlass des Nachdenkens war für Paulusein  Problem der jungen christlichen Gemeinde in Rom:
 Mit  einer Logik, die wohl bei fast jedem unter uns
 offene  Türen einrennt,
 meinten  dort diese frischgebackenen Christen,
 das  erwählte Gottesvolk, Israel, sei jetzt weg vom Fenster,
 und  sie, die christusgläubige Gemeinde sei an Israels Stelle getreten.
 Klingt  doch logisch, folgerichtig!
 Israel  erkennt den von Gott Gesandten nicht als solchen an,
 also  haben sie Sinn und Zweck ihrer Erwählung verraten. Ende! Erwählung fertig.  Experiment gescheitert.
 Der  Nächste bitte! Die Christen in Rom standen bereit,
 an  Israels Stelle zu treten.
 Die  haben doch versagt, die sind doch verstockt
 die  haben doch Gottes Treue aufgekündigt.
 Ist  doch wohl logisch, folgerichtig,
 dass  Gott sie nun  wieder in die Wüste schickt
 und  sich brauchbareren Ersatz holt, oder!?
 Liebe  Gemeinde, bald werden einige unter Ihnen innerlich abschalten, ich ahne es,denn  Sie fragen sich: Was geht das mich an,
 ob  Israel noch erwähltes Volk ist oder nicht.
 Was  geht das mich an, was die Empfänger des Römerbriefs
 meinten  und was Paulus ihnen  schrieb.
 Aber,  liebe Gemeinde, nur jetzt nicht abschalten.
 Ich  gebe Ihnen ja recht: Es geht nicht vorrangig um Israel,
 aber  an dem,
 wie  wir uns zur fortbestehenden Erwählung Israels stellen.kann  jeder für sich ablesen,
 was  für ihn der Grund seines Glaubens ist,
 sein  eigenes Handeln, oder das des lebendigen Gottes
 seine  Treue, oder die des Gottes Abrahams, Isaaks, Jakobs  und Jesu
 seine  eigene Leistung, oder die Vorleistung Gottes in Jesus.
 Die  Christen in Rom machen den klassischen Denkfehlerfast  aller Christen aller Zeiten:
 Sie  meinten, Gottes Treue sei so wie die ihre.
 Und  wie ist die?
 Die  kommt zuweilen an ihr Ende, zeitlich, nervlich und moralisch.
 Ich  staune immer wieder über meine Schüler,
 wenn  es um das Thema Liebe geht,
 und  sie aus einem Katalog von ca. 20 Eigenschaften wählen dürfen,
 was  für echte Liebe ganz wichtig ist.
 Fast  immer, sogar bei meinen Berufsschülern letztes Jahr in Mosbach, steht Treue  ganz oben.
 Aber  dann provoziere ich sie, und meine,
 "Wie  oft seid ihr denn schon treu gewesen?"
 Verlegenes  Schweigen, denn sie ahnen ja,
 dass  Treue eigentlich keine zeitliche Grenze
 und  auch keine Wiederholung duldet.
 Und  ich provoziere weiter:
 Kann  einer 685 mal treu sein?
 Kann  einer nur 2 Wochen treu sein
 oder  2 Tage oder 2 Stunden?
 Und  wir wissen dann alle, die Schüler und ihr Lehrer,
 ja,  wir sitzen alle in einem Boot,
 jeder  von uns kann durch fieseste Aufkündigungen von Treue ans Ende seiner eigenen  Treue geraten.
 Und  Gott?Die  Römer sagen: Der auch! Auch den kann man ans Ende seiner Treue bringen.
 Und  der Heilige Geist sagt Paulus in seinem Nachdenken:
 Nein,  Gott nicht,
 den  kann keiner ans Ende seiner Treue zwingen.
 Im  Gegenteil, wenn Israel den Christus nicht anerkennt,
 dann  macht ER noch etwas Gutes draus,
 dann  kriegen alle Heiden ihre Chance,
 die  können jetzt dazukommen.
 Man  könnte also zugespitzt sagen:
 Aufgekündigte  Treue menschlicherseits
 beantwortet  Gott mit einer Ausweitung der Treue seinerseits.
 So  wie Dietrich Bonhoeffer in seinem Glaubensbekenntnis festhielt:Ich  glaube, dass Gott aus allem, auch dem Bösesten,
 Gutes  entstehen lassen kann und will.
 Daran  hielt er fest, das hielt ihn - auch im KZ.
 Also,  ihr römischen und leicht höhnischen Christen:
 Israel  ist nicht weg vom Fenster,
 die  Erwählung gilt, es bleibt Gottes Volk.
 Und  nun, liebe politisch interessierte Zeitgenossen,
 keine  Aufregung am falschen Platz.
 Damit  sagt keiner, zuallerletzt der Paulus,
 dass  diese Erwählung die menschenverachtende Behandlung der Palästinenser durch das  moderne Israel rechtfertigte.
 Die  Erwählung Israels ist keine ethische Aussage,
 sondern  eine theologische,
 da geht's  nicht um menschliche Qualitäten,
 sondern  um göttliche.
 Aber  wo kommen wir denn da hin,wenn  menschenverachtenden Schurken noch Gottes
 Treue  und Erbarmen gelten?
 Ja,  wo kommen wir denn da hin,
 ins  Staunen, vielleicht, oder ins Ärgern.
 Ins  Staunen, wenn der Geist der Pfingsten
 uns  die Splitter im Auge unserer Mitschurken vergessen lässt,
 und  uns liebevoll-sadistisch den Balken im eigenen spüren lässt.
 Ach  ja, Sie sagen vielleicht:
 Ich  akzeptiere Jesus als Herrn, die Juden nicht
 und  so mancher neudeutsche Heide auch nicht,
 das  macht den Unterschied.
 Sagen  Sie, was macht Sie so sicher,
 wo  eben dieser Jesus doch warnt, dass nicht alle die
 Herr,  Herr sagen angenommen werden,
 sondern  die den Willen Gottes tun?
 Ja,  wo kämen wir denn da hin,
 wenn  Paulus recht hätte,
 dass  "Gott alle eingeschlossen hat in den Ungehorsam
 damit  er sich aller erbarme. Aller!
 Erbarmen  für alle, ja wo kämen wir denn da hin?
 Leichtsinn,  nichts als Leichtsinn, befürchten Sie?
 O  wäre das schön!
 Leichtsinn,  echter Leichtsinn in der Kirche!
 Das  dachte ich letzten Sonntag als ich in einer Nachbargemeinde die Leute vom  Abendmahl kommen sah:
 sehr  ernst, beinahe traurig!
 Hab  ich jetzt ernstlich genug geglaubt an Christi Opfer?
 War  meine Reue echt?
 Tanzend  vom Abendmahl kommen,das  wär was,
 denn  Christi treues Erbarmen gilt allen,
 also  ohne Frage auch mir.
 Staunend  aus dem Gottesdienst kommen,
 und  in dem armen Typen, der während dem Gottesdienst meint,
 sein  Auto waschen zu müssen,
 auch  einen sehen, vor dem Gottes Treue nicht kapituliert
 So  ein Glaube hätte sogar Auswirkungen
 auf  unser Verständnis von Treue und Barmherzigkeit im Alltag:
 Zum  Beispiel sich freuen, wenn Stefan Reuter
 am  Montagabend gegen Schottland mitspielen darf
 obwohl  er uns vorgestern schier alles vermasselte.
 .
 Das  wäre
 staunender  Leichtsinn,
 der  in den oft so verkniffenen Alltag strahlt,
 Leichtsinn,  der Gott freut,
 Leichtsinn,  der andere ein- und nicht ausschließt,
 Staunen,  dass nicht unsere begrenzte Treue sich auch Gott übertragen lässt,
 sondern  dass Gottes unbegrenzte Treue auf uns übertragen wird,
 das  Staunen darüber, diese Art, diese Kunst
 laßt  uns pflegen,
 wo  immer sie uns auch noch so kümmerlich begegnet.
 Soli  deo gloria
 Amen.
 
 
   1. Sonntag nach  Trinitatis 1988Jer. 23, 16-29
  16 So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht  auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie  verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN.  17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen  –, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird  kein Unheil über euch kommen.18 Aber wer hat im Rat des HERRN  gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort  vernommen und gehört? 19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll  Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen.  20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was  er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.21 Ich sandte die Propheten nicht und doch  laufen sie; ich redete nicht zu ihnen und doch weissagen sie. 22 Denn wenn  sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk  gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist,  spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? 24 Meinst du,  dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe?, spricht  der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?, spricht der HERR.25 Ich höre es wohl, was die Propheten  reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir  hat geträumt. 26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge  weissagen und ihres Herzens Trug weissagen 27 und wollen, dass mein Volk  meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, wie  auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? 28 Ein Prophet, der  Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort  recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?, spricht der HERR.  29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer,  der Felsen zerschmeißt? Liebe  Gemeinde,ein  Mann schleppt sich durch die Straßen Jerusalems,
 ein  schweres Joch um seinen Hals.
 Ein  Joch, so wie man es Pferden,
 oder  früher bei uns auch Kühen anlegte,
 damit  man sie vor einen Wagen spannen konnte.
 Man hält den Jochträger, es ist Jeremia, der  Prophet,
 für  nicht ganz normal.
 Er sei ein pathologischer Schwarzseher, ein  Miesepeter,
 ein  Panikmacher, so meinen die meisten Zeitgenossen.
 Seine  Worte werden nicht mehr ernst genommen,
 nun  lässt er Zeichen sprechen.
 Das  Joch ist so ein Zeichen,
 ein  Zeichen für die Herrschaft des babylonischen Königs.
 Noch  lange Zeit soll sie dauern für Jeremia und Jerusalem,
 will  Jeremia im Namen Gottes seinen Landsleuten sagen.
 Eine  wahrhaft deprimierende Botschaft!
 Da  hört man doch lieber auf einen anderen Propheten,
 den  Hananja, der ist einfach positiver, hoffnungsvoller, optimistischer. Nur noch  kurze Zeit soll des Babylonierkönigs Herrschaft dauern.
 Ja, sie haben richtig gehört: Auch er gilt als  Prophet Gottes.
 Wem  wird man wohl eher Glauben schenken?
 Und  eines Tages, als  Jeremia wieder mit seinem bezeichnenden Joch unterwegs ist,
 da  reißt es ihm Hananja vom Hals und meint:
 So  wird Gott auch in Kürze Juda vom Joch Nebukadnezzars befreien. Und die Menge  lacht, lacht über den doofen Panikmacher Jeremia,
 lacht  sich seine ganzen Ängste von der Seele,
 lacht  … bis es ihnen vergehen wird.
 Kann  man es denn Leuten verübeln,
 wenn sie eher auf das Hoffnungsvollere,
 das  Unkompliziertere, sie weniger Fordernde hören?
 Wie  groß mag die Versuchung für Jeremia gewesen sein,
 auch  einmal populär, publikumswirksam,
 beifallheischend zu predigen?
 Aber  das Joch um seinen Hals
 ist  mehr als ein Hinweis auf Babylons König,
 es  offenbart seine Existenz vor Gott.
 ER  hat ihn wahrhaft eingespannt für sich und seine Sache
 ….  Jeremia kann nicht anders.
 Er  weiß: Gottes Botschaft ist nicht: Weiter so,
 sondern:  Kehrt um.
 Ist  nicht: So schlimm wird´s schon nicht kommen.
 Sondern:  Eure Illusionen sollen zerschlagen werden.
 Ist  nicht: Eure Gefühle werden euch richtig leiten.
 Sondern:  Mein Wort ist Richtschnur, letztes Kriterium.
 Allen  falschen Propheten, Hananja und seine Kollegen,
 die  von der Mehrzahl der Leute allerdings als die rechten
 angesehen  werden und daher angesehen SIND,
 gilt  nur Jeremias Anklage im Namen Gottes.
 Diese  Anklage aus dem 23. Kapitel des Buches Jeremia
 ist  unser heutiger Predigttext
 TEXTLESUNG
 Was  macht nun die Lügenpropheten so erfolgreich?
 Wie  schaffen sie es, die die Geschichte später wirklich Lügen straft, jetzt, also  VOR dem Lügentest der Geschichte
 als  die Vertreter der Wahrheit dazustehen?
 Sie  sagen, was die Masse hören will.
 Was  sich jeder selber sagt, wird von ihnen bestätigt.
 Sie  sind die Zementierer der Selbstbestätigung,
 das  Öl im Getriebe der Selbstrechtfertigung.
 Weiter  so, will das Volk hören,
 weiter  so, lautet wunschgemäß die Botschaft der falschen Propheten auf das bereits von  der Masse Gesagte,
 nichts als eine Bestätigung
 für  das von Otto Normalverbraucher Gedachte,
 nichts  als die Verheißung des von der Mehrheit Gewünschten.
 Die  Existenzgrundlage der Lügenpropheten
 liegt  in einer Besonderheit der Menschen,
 die  man im Dialekt meiner Heimat so ausdrückt:
 Die  welle aoglouche werde!
 Give the people what they want,  singen die Kinks.
 
 Nach  Jeremias Anklage
 ist  die Botschaft der Lügenpropheten erkennbar an drei Merkmalen. Und wenn es  richtig ist,
 dass  ihre Worte bestimmt sind vom Wunsch des Volkes,
 dann  sind die drei Merkmale ihrer Botschaft
 gleichzeitig  drei Wünsche ihrer Hörer.
 
  Sie betrügen euch, denn sie verkünden  Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des Herrn. V. 16b Hinter allem was sie sagen, steht der Wunsch als Vater des Gedankens.
 Diese Wünsche, die Gesichte ihres Herzens,
 werden zu Hoffnungen hochstilisiert,
 aber Hoffnung braucht einen Grund,
 braucht eine Verheißung, an der sie sich festmacht,
 braucht zuweilen auch die Tat,
 um ihre Verwirklichung zu ermöglichen.
 Der Wunsch hat meist seinen Grund in einer Notlage,
 die Hoffnung braucht einen Anker außerhalb dieser Not.
 Wir alle wünschen uns heute, am Tag der Umwelt,
 dass die Meere sauber werden,
 die Luft wenigstens so sauber bleibt wie jetzt,
 dem  Waldsterben ein Ende gesetzt wird.
 All  das wünschen wir uns,
 aber  wo liegen Gründe dafür,
 dass  diese unsere Wünsche begründete Hoffnung werden?
 Wer  Wünsche für Hoffnungen verkauft,
 betrügt  sich selbst und die andern.
 2 Wohlergehen ist zu haben,  auch ohne den Preis der Selbstkritik und ohne Kursänderung. 17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird  euch wohlgehen –, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen  sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
 22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so  hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und  von seinem bösen Tun zu bekehren.
 Auch wenn der Kurs erkennbar falsch ist,
 lautet die Botschaft der  Lügenpropheten:
 Weiter so.
 Die Zukunft wird gut, auch wenn euer Handeln mies ist.
 So schlimm können die Folgen eures Nichtstuns gar nicht sein.
 Da können wir nichts machen.
 Wenn mutige Leute, wie die von Greenpeace,
 sich an ein das Meer verunreinigendes Schiff ketten,
 dann finden wir das vielleicht gut, sagen das auch,
 aber tun nichts aber auch gar nichts zu ihrer Unterstützung,
 weder durch Leserbrief in der  Zeitung
 noch durch eine Spende mit ermutigendem Brief an Greenpeace, dann hat  das bei mir keine Kursänderung verursacht,
 und mein Schweigen
 und mein Nichtstun signalisieren den Verantwortlichen: Weiter so!
 Wer schweigt, stimmt zu.3 DIE TRÄUME DER LÜGENPROPHETEN  SIND BAALS-TRÄUME. Es sind Träume, die Gott und sein Wort vergessen machen.  Baal ist ein Fruchtbarkeitsgott, ein Wohlstandsgott.
 Bald wird aus ihm – damals wie  heute – nicht ein Gott,
 der Wohlstand gibt, sondern der  Wohlstand ist.
 Lügenpropheten  erheben wunschgemäß den Wohlstand zum Gott. Wunschgemäß, wohlgemerkt!
 Ach  wie verseucht und verschmutzt
 sind  wir doch von diesen Baalsträumen,
 von  diesen Wohlstandsträumen!
 Es  sind unsre verseuchten Wohlstandsträume
 die  eigentliche Ursache für eine verseuchte Umwelt –
 Wer  bringt schon die innere Kraft auf,
 seine  Lebensmittel mühsam und teuer zu beziehen von solchen,
 die  ihre Felder nicht mit Stickstoff düngen,
 damit nicht noch mehr Fische sterben?
 Wie  viele Bauern
 könnten  heraus aus der Zwickmühle der Düngezwänge,
 wenn  mehr bereit wären,
 mehr  zu zahlen für weniger oder anders gedüngte Grundnahrungsmittel?
 Das  müssen die Politiker ändern, höre ich.
 Aber  würden Sie einen Kandidaten wählen,
 der  all das zugunsten unserer Umwelt ändern wollte,
 ihnen  allerdings klipp und klar vorhielte,
 dass  dies nur zu schaffen wäre, wenn wir alle bereit wären,
 mit  dem Lebensstandard der Fünfziger Jahre zufrieden zu sein?
 Welch  tödlicher Schock für unsere Baals-Träume, die  Gott vergessen lassen.
 Weiter  so?
 Am  23. Mai 1977 berief der amerikanische Präsident Carter einen Stab von  Wissenschaftlern, um zu untersuchen,
 wie  es auf unserer Erde im Jahr 2000 aussehen würde,
 wenn  alles weiter so gehe.
 Zwei  Jahre später war die Untersuchung beendet,
 die  ab 1980 im deutschen Buchhandel erhältlich war: Global 2000. Ihre  Zusammenfassung bestand aus Aussagen,
 die  nach Jeremia und nicht nach Hananja klangen.
 Daher  wurde der Schinken auch kaum gekauft.
 Ich  habe seinen Inhalt mehrfach in Predigten
 und  Vorträgen zur Sprache gebracht.
 Das war Anfang der 80er Jahre.
 Keiner  wollte es hören.
 Auch  meinen Lebensstil habe ich an einigen Ecken geändert.
 Aber  irgendwann hatte ich nicht mehr die Kraft weiterzumachen.
 Ich  bin nicht Jeremia.
 Gestern  nun las ich zum ersten Mal wieder darin.
 Zunächst nur die 6 Seiten der Zusammenfassung
 (Auszüge  lesen!
 Diese Worte trafen mich wie ein Hammer,
 ja,  wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt,
 wie  es unser Predigttext vom Wort Gottes sagt.
 Sollte  Gott auch durch solche Worte sprechen?
 Und  plötzlich kam mir in den Sinn,
 wie  radikal Jesus Gottes Willen zusammenfasste: Du sollst Gott lieben, von ganzem  Herzen und Gemüt
 UND  Du sollst Deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.
 Wie  kann, wer Gott liebt, dazu beitragen und zulassen,
 dass  das was ER gemacht hat, zerstört wird?
 Und  der Nächste,
 das  ist doch auch und gerade der, der nach mir kommt.
 Der Nächste bitte – im Wartezimmer.
 Im  Jahr 2000 wird meine älteste Tochter 25 –
 eventuelle  Enkel werden so um die Jahrtausendwende geboren.
 Der Nächste bitte!?
 Liebe  Deinen Nächsten, auch und gerade den, der nach dir kommt.
 Wie  darf ich dann zulassen, dass  die Nachkommenden
 den  Preis für meinen Wohlstand zahlen sollen?
 Wie  darf meine Generation es wagen,
 in  das allgemeine Motto einzustimmen:
 „Meine  Kinder sollen es einmal besser haben“,
 wenn  alles darauf hinweist, dass unser heutiger Lebensstil ihren künftigen vermiest.
 So  höre ich Jeremia, die Stimme des Lebens,die  Stimme der Liebe, die Stimme Gottes aus diesen trockenen,
 aber erschütternden Worten der amerikanischen  Wissenschaftler.
 Sie  fragen mich: Liebst Du Gott den Schöpfer?
 Liebst  du, was er geschaffen hat?
 Liebst  du auch den Nächsten, der nach dir kommt.
 Mir  ist alles „Weiter so“ gründlich vergangen.
 Aber  die KRAFT, HERR, die Kraft.
 Ich  ahne, dass meine Kraft nicht reicht zum Umdenken
 und  zum ganz praktischen Ändern des Kurses.
 Ich  kann nur seufzen, o Herr, die Kraft,
 diese  Kraft, die wünsche ich mir von dir!
 Das  ist keine Lüge,
 Herr,  wenn mein Leben auch voller Unstimmigkeiten ist.
 Gib  mir die Kraft, dich und meine Nächsten zu lieben,
 echt  und praktisch! Amen
 
 
 
   1. Sonntag. n.  Trinitatis 1997Lukas 16,19-31
  19 Es war aber ein reicher Mann, der  kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und  in Freuden. 20 Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner  Tür voll von Geschwüren 21 und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von  des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. 22 Es  begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in  Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.23 Als er nun in der Hölle war, hob er  seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem  Schoß. 24 Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende  Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge  kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. 25 Abraham aber sprach:  Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus  dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt.  26 Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass  niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand  von dort zu uns herüber.27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater,  dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; 28 denn ich habe noch fünf  Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual.  29 Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.  30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten  zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. 31 Er sprach zu ihm: Hören sie  Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen,  wenn jemand von den Toten auferstünde.   Ein Jumbo-Jet mit 300 Passagieren nähert sich dem  Zielflughafen.Plötzlich die Nachricht über Funk:
 Sie sind um zwei Grad auf falschem Kurs!
 Ist das eine gute Nachricht?
 Ich fahre mit 125 Sachen über die Landstraße.Da kommt mir einer entgegen, blendet wie wild auf:  Radarfalle
 Ist das eine gute Nachricht?
 Wende ich auf der Straße, jage dem Aufblender nach,
 stoppe ihn, stelle ihn zur Rede: Was fällt Ihnen ein, mich  so zu blenden?
 Der Lehrer bittet einen Schüler um ein Gespräch.Du steuerst stracks auf einen Fünfer im Zeugnis zu, sagt er  ihm.
 Streng' dich bei der nächsten Arbeit besonders an. Deine  Versetzung ist sonst gefährdet.  Ist das  eine gute Nachricht?
 Was meinen Sie: Sind das gute Nachrichten?Ist es nicht so, dass der Inhalt jedes Mal negativ ist
 (falscher Kurs, überhöhte Geschwindigkeit, mangelnde  Leistung)
 aber das Ziel, die Absicht ist immer positiv
 (Absturz, Strafzettel oder Sitzenbleiben vermeiden).
 Die für den heutigen Sonntag vorgegebene Gute Nachricht,das heißt ja Evangelium, sagt:
 Reiche können ganz schnell in die Hölle kommen.
 Ist das eine gute Nachricht? Ist das Evangelium?
 Hören Sie die Geschichte vom reichen Mann und dem armen  Lazarus
 im Originaltext:
 (Textverlesung) Eigentlich ist das doch eine wunderschöne Geschichte.Da geht's einem so richtig dreckig
 UND DER KOMMT IN DEN HIMMEL
 Äußere und wahrscheinlich auch innere Wunden,
 abhängig aber verlassen, nur Hunde kümmern sich um ihn
 Ein kurzes Leben in der Qual
 und eine lange Ewigkeit erste Wahl!
 Wenn das nicht tröstlich ist,
 denn sind wir nicht alle ein bisschen Bluna,
 äh,, sind wir nicht alle irgendwie arm,  verlassen, voller Wunden???
 Aus einem deprimierenden Los direkt in Abrahams Schoß.
 Wunderschön.
 Und auch das andere Schicksal, das des Reichen,das hat doch auch was tröstliches, nicht??!
 Endlich Gerechtigkeit, fairer Ausgleich,
 endlich ein Ende der  Privilegien!!
 Der Metzen, das war doch so einer.
 Den Rolls-Royce zur  Schau gestellt,
 mit irre teuren Uhren geprahlt, Frauen serienmäßg  aufgerissen.
 Und dann stirbt er verzweifelt und fertig und öffentlich.
 Siehsch'd, sou konn's a gehn!
 Und die langen Jahre von giftgrünem Neid
 weiden sich nun an des Reichen Leid.
 Aber um den dritten Teil der story gut zu finden,muss man allerdings arg bitter und verhärtet sein:
 Dem Reichen geht's nun dreckig, wirklich dreckig!
 Er fleht um Hilfe, um Gnade, um Barmherzigkeit.
 Das geht einem so richtig unter die Haut.
 Okay, vielleicht war er ein herzloses Schwein,
 hatte nicht einmal aus dem Überfluß
 etwas übrig für den armen Penner.
 Aber wer ist schon ohne Fehler, sind wir nicht alle ein  bisschen... hartherzig!!???
 Und dann: Der Reiche, ganz ohne Wenn und Aber,entdeckt jetzt seine soziale Ader!
 Er denkt an seine fünf Brüder, immer noch am Leben,
 immer noch reich, immer noch gnadenlos hartherzig!
 Immer noch, meint der Reiche in der Hölle,
 fähig ihren Kurs zu korrigieren, die Brüder wenigstens.
 Zu denen müsste einer kommen mit einer deftigen Warnung:
 Der Kurs stimmt nicht, es droht Strafe,
 ihr werdet nicht in den Himmel versetzt!
 Vater Abraham, bitte, schick meinen Brüdern den Lazarus,
 damit er sie warnt.
 Das ist rührend - ganz ehrlich, aber auch furchtbar  illusionär,
 auf eine ans Herz gehende Weise unrealistisch.
 Das muss man sich mal vorstellen:Da taucht plötzlich vor dem Bungalow des einen Bruders
 ein Penner auf, klingelt und meint zu dem Dienstmädchen an  der Tür,
 er habe eine extrem wichtige Nachricht
 vom kürzlich verstorbenen Bruder:
 Des Chefs Kurs stimme nicht, es drohe Strafe,
 Versetzung in den Himmel gefährdet.
 Ist das eine gute Nachricht?
 Ich sehe das amüsierte Schmunzeln
 auf dem Gesicht des Dienstmädchens
 als sie beim Servieren des Abendessens
 ihrem Chef vom dem Penner und seiner Warnung erzählt.
 Dass der nicht  erstickt an seinem Lachen ist alles!
 Und Vater Abraham ist realistisch, weiß, dass Lazarus als Warner nicht den Hauch einer Chance  hätte, also bleibt der wo er ist
 Und der Reiche auch!
 Und Abraham hat noch ein Argument,
 warum die Bitten des Reichen nicht nur unrealistisch,
 sondern auch unnötig  sind:
 Deine Brüder haben Warner genug:
 Mose , die  Propheten, die Bibel,
 heute würde er dazufügen: den Jesus und seine Geschichten.
 Die sitzen doch sonntäglich in der Kirche,
 hören von Nächstenliebe und davon,
 dass man nicht Gott dienen kann UND dem Mammon,
 und dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr kommt
 als ein Reicher in den Himmel,
 das wissen die christlichen Brüder und Schwestern des  Reichen alle!
 Und?
 Liebe Gemeinde, jetzt kommt der spannende Teil der Predigt:Jetzt muss darüber nachgedacht werden,
 WO unser Platz in dieser Geschichte ist, davon hängt viel  ab.
 Jesu Gleichnisse und Beispielerzählungen haben es so an  sich,
 dass sie unsere und Gottes Wirklichkeit spiegeln und  fragen:
 Wo bist du?
 UND: Wo möchtest du sein?
 Es ist so wohltuend, dass Jesus immer nach beidem fragt,
 nach der Ortsbestimmung UND nach der Richtung,
 in der unsere  Sehnsüchte gehen.
 Jetzt machen wir’s mal so,
 dass ich Sie einfach auf meine Nachdenk-Reise der letzten  Tage
 über die Geschichte vom reichen Mann und vom armen Lazarus  mitnehme.
 Und Sie überlegen sich, ob das für Sie auch so ist,
 oder was bei Ihnen anders ist.
 Also meine erste Reaktion auf die Geschichte war:O je, armer Ulshöfer, darüber predigen in einem reichen  Land,
 das ist unangenehm, das gibt eine Drohpredigt!
 (Übrigens: Luther nannte diese Geschichte ein  Droh-Evangelium)
 Und dann fragte ich mich:
 Und wo in der Geschichte hast du deinen Platz?
 Wo kommst du vor?
 Und jetzt wird’s ein wenig schwierig:
 Ich kann eigentlich ohne zu lügen sagen, dass ich nicht  reich bin.
 Und Sie sind’s wahrscheinlich auch nicht.
 Ist man schon reich, wenn man ein Haus und ein Auto hat?
 Nein! Nein, aber mit dem Zusatz: Nach deutschen Maßstäben  nicht!
 Nach Metzen-Maßstäben nicht!
 Dann wäre die nächste Frage:
 Legt Gott beim Jüngsten Gericht
 deutsche Maßstäbe an, oder hat er eigene?
 Dann dachte ich: Alle Menschen sind Gottes Geschöpfe,alle hat er lieb und weltweit hat er genug für alle  gegeben.
 Wenn alle an den Tisch dürften, den Gott gedeckt hat,
 dann müsste nicht ein einziger verhungern.
 Und darum komme ich zur Überzeugung, dass die Frage:
 Wie kann Gott es zulassen, dass Kinder verhungern
 eine falsche, ja eine außerordentlich fiese Unterstellung  ist.
 Also, um bei Jesu Bilderzählung zu bleiben:
 Da drinnen, im Bungalow des Reichen, war genug,
 dass es auch für den Lazarus, ja für viele Lazarusse  gereicht hätte.
 Der Reiche hätte dann nicht hungern müssen,
 er hätte auch sein Haus nicht verkaufen müssen
 und trotzdem hätte er mindestens fünf Lazarussen
 zu einem menschenwürdigen Dasein verhelfen können.
 Kann ich das auch, fragte ich mich dann.Kann ich als deutscher Nichtreicher
 fünf Menschen vor dem Verhungern bewahren?
 Und wenn ich diese Frage mit Ja beantworten kann
 –oder besser: muss-
 dann ist geklärt, wo mein Platz in Jesu Geschichte ist.
 Und jetzt wird es ganz hart:Ich muss die Frage, ob ich das kann, eindeutig mit Ja  beantworten.
 Ja, ich kann fünf Arme ernähren.
 Ein Kind in Indien braucht monatlich fünf Mark zum Leben.
 Sie haben sich nicht verhört:
 Fünf Mark für einen Menschen für einen Monat!
 Also jetzt schnell den Solar-Rechner raus:
 Mit 60 Mark reicht’s für ein ganzes Jahr
 und für fünf Menschen brauche ich jährlich 300 Mark.
 (Übrigens: Das alles stimmt wirklich, denn die Menschen in  der Dritten Welt verzehren sich nicht nach Koteletten und Markklößchensuppe,
 sondern schlicht und ergreifend nach Reis und ein wenig  Gemüse.
 Und die ungerechte Weltwirtschaftsordnung
 hat hier einmal auch positive Auswirkungen:
 Aus meinen fünf Mark  werden in Indien ein kleines Vermögen)
 Muss ich hungern, wenn ich die DM 300 hergebe?Kann ich meinen Kindern keine Ausbildung mehr finanzieren?
 Nein, ehrlich nicht! Also bin ich reich!!
 Das ist die Zwischensumme meiner Überlegungen:
 Ich glaube wirklich,
 mein Platz in der Geschichte von Jesus ist der des Reichen.
 Ich habe so viel,
 dass ich mehreren Lazarussen wirkungsvoll und andauernd  helfen kann.
 Es könnte sein, dass bei Gott so eine Art Währung besteht,nicht Euro und nicht Mark, sondern der LZ (von LaZarus).
 Ein LZ ist 60 Mark.
 Reich ist der, der abgeben kann, der eine 1 LZ, der andere  5
 und wieder ein anderer zehn.
 Reich wäre dann, wer mindestens ein LZ hat, das er opfern  könnte,
 ohne selbst Not zu leiden.
 Und die Geschichte von Jesus sagt mir:
 Du, wenn Du einen oder mehrere LZ abgeben könntest,
 aber drauf sitzen bleibst,
 aus Angst zu kurz zu kommen,
 aus Gedankenlosigkeit, aus Hartherzigkeit,
 dann hat dein Leben die falsche Richtung,
 dann droht Strafe, dann ist deine Versetzung in den Himmel  gefährdet.
 Und wieder die alte Frage: Ist das eine gute Nachricht?Ja, immer wieder ja, denn ich lebe noch!
 Ich kann mein Leben noch ändern. Es ist noch nicht zu spät!
 Wenn wir jetzt mal unsere Situation überdenken,
 so nach Gottes Währungssystem,
 dann lockt eine wahnsinnig gute Erfahrung:
 Stellen Sie sich mal vor, Sie gingen auf dieses LZ-Modell  ein,
 Sie würden sich und Ihre Familie LZ-mäßig einstufen,
 Sie würden dann handeln, nicht nur fromm labern,
 Sie würden sich mit Phantasie Lazarus-Menschen
 und Lazarus-Projekte aussuchen, denen Sie helfen können,
 dann wird wahrscheinlich eins passieren:
 Sie brauchen gar nicht mehr bis zu Ihrem Tod warten,
 um in Abrahams Schoß zu sein!
 Sie wären jetzt sofort   da, wo wir uns alle hinsehnen,
 da wo Ruhe, Zufriedenheit und echtes Glück sind.
 Denn über Menschen, die teilen freut sich Gott so riesig,
 dass er mit seiner Belohnung nicht erst 20 oder 50 Jahre  wartet
 Die kommt schon hier und jetzt.
 Das ist wahrlich eine gute Nachricht! Amen.
 
 
   3 Sonntag nach Trinitatis 1993 - Mose 50,15-2115 Die Brüder Josefs aber fürchteten sich,  als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns  alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. 16 Darum ließen sie  ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: 17 So sollt ihr  zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass  sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern  des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als sie solches zu ihm sagten.18 Und seine Brüder gingen hin und fielen  vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte. 19 Josef aber  sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt?  20 Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu  machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein  großes Volk. 21 So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder  versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.
 Liebe  Gefährten auf dem Weg zum Glauben,es  wird alles wieder gut,
 so  hast Du vielleicht schon ein Kind getröstet,
 das  sich wehgetan hatte oder dem wehgetan wurde.
 Es  wird alles wieder gut
 so bist du vielleicht selbst getröstet worden
 und  hast es geglaubt - und warst getröstet - als Kind!!
 Es  wird alles wieder gut
 Glaubst  du das eigentlich noch, jetzt - als Erwachsener?
 Oder  sagst du: Es wird alles nur noch mieser:
 Die  Einsamkeit um mich wird mächtiger;
 die  Verantwortlichen mehren das Unrecht, anstatt ihm zu wehren;
 sich engagieren ist zwecklos,
 und Gott hat sich abgemeldet aus den Weltgeschäften.
 Ist  es das, was du wirklich glaubst
 auch  wenn du in der Kirche deinen Glauben so bekennst:
 Ich  glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen..
 Aber  eins wissen wir:Was  wir wirklich glauben - das wirkt, es ist wirk-lich!
 Wenn  dein wirk-licher Glaube, weißt du, der echte,
 der nicht aufgesetzte, der Glaube der in dir drin ist,
 ohne  Verrenken und Anstrengen,
 weißt  du, wenn der meint, es wird alles mieser,
 dann  wird's auch für dich und um dich mieser, kein Zweifel!
 Du wirst muffiger, depressiver, hoffnungsloser,
 im  miesen Sinne wirst du alt,
 weil  die Summe deiner Befürchtungen größer ist
 als  die Summe deiner Hoffnungen und Erwartungen.
 Und deine Lebensgefährten: Frau,Mann,Kinder,Kollegen,Freunde
 die  kriegen das mit, werden angesteckt,
 und  es wird wirklich alles mieser
 und  du fühlst dich bestätigt, du gibst dir recht
 und  lachst bitter, wenn einer meinst: Alles wird wieder gut!
 Und  noch was passiert, Neudeutsch ausgedrückt:Deine  Wahrnehmung wird selektiv!
 Einfacher:  Du nimmst nur noch wahr, was du glauben willst,
 was  dir recht gibt, was zu deinem Mies-Glauben passt:
 Bald  liest du Todesanzeigen und Katastrophenmeldungen zuerst,
 morgens  am Kaffeetisch - und wunderst dich,
 wenn  dein Tag davon sein Gefühlskleid bekommt.
 Wenn  Du mir bis hierher zugehört hast und das Gefühl hast,der  redet von mir, dann bleib am Ball,
 nur  noch ein Viertelstündchen, aber vor allem jetzt, denn jetzt kommt die  Grundfrage,
 auf  die alles ankommt, die alles entscheidet:
 Wenn  es gute Gründe gäbe, dein pessimistisches Glaubensbekenntniszu ändern, würdest du das wollen?
 Möchtest  du glauben, dass alles wieder gut wird,
 deine Geschichte und die Weltgeschichte!??
 Wärst  du froh, wenn es so wäre, wenn's wirklich so wäre?
 (Pause)
 Schau,  mein Gefährte auf dem Weg zum Glauben,
 ich  will dir nichts vormachen:
 Ich bin derjenige, dem es so schwer fällt, zu glauben,
 dass  alles wieder gut wird.
 Aber  das andere bin ich auch:
 Wenn's  Anzeichen gäbe für diesen hoffnungsvollen Glauben,
 Hinweise, Andeutungen, begründete Hoffnungsschimmer,
 dann interessieren die mich brennend, denn ich möchte
 tatsächlich  lieber glauben, dass alles wieder gut wird,
 als  davon auszugehen, dass alles den Bach runtergeht
 Und  darum wurde ich hellwach, als ich im Bibeltext für die heutige Predigt den Satz  las,
 der  am Ende einer langen und chaotisch-leidvollen Geschichte steht:
 Ihr  gedachtet es böse mit mir zu machen,
 aber  Gott gedachte es gut zu machen.
 (Lesung  Gen 50)Lass  dir die Geschichte erzählen von dem,
 dem  man übel mitspielte, der selbst Mist baute
 und  der trotzdem am Ende zu der Überzeugung kam: Die Vorzeichen standen alle auf  Mies
 aber  da war einer, der hat diese Vorzeichen alle verwandelt.
 Das  weckte in ihm den Glauben an den  Gott,
 der  aus dem Bösesten noch Gutes macht,
 den  Glauben, der in einem andern, Jahrhunderte später,
 noch  lebendig war und der einfach davon ausging,
 dass  denen die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen
 Die  Hauptrolle in unserer Geschichte spielt Josef,du  kennst ihn wahrscheinlich aus Kigo oder Reli-Unterricht.
 Was du vielleicht nicht weißt:
 Unser  Held hatte gleich einen schlechten Start:
 Er  und seine Brüder waren von vier verschiedenen Müttern
 Kannst  Du dir das Chaos vorstellen?
 Eifersucht,  Neid und Misstrauen waren vorprogrammiert.
 Schau,  daran merkst Du:
 Gott  mutet seinen Leuten einiges zu.
 Da  ist nichts zu spüren von dem Kinderglauben,
 dass  Gott alle vor allem behütet, wenn sie ihm nur vertrauen.
 Schmink  dir also ruhig den Irrglauben ab,
 Gottvertrauen  wirke wie ein primitives Schutzschild,
 Behütetsein  hieße ausgeklammert sein von allem Miesen/Fiesen
 Gott  ist aber nicht der verhätschelnde, seine Kinder bevorzugende Übervater,
 sondern  einer, den du in der Tiefe entdeckst,
 als  solidarischen Freund, der zu dir steht -
 und  so oft nicht die Umstände verändert - aber dich.
 Und  Josef wird bevorzugt, seine Mutter ist die Lieblingsfrau
 seines Vaters, er kriegt das Beste vom Besten
 Super,  denkst du? Nein nicht super sondern Sch....enkleister
 Denn erstens wird das Bürschchen überheblich,
 hat  Träume, dass seine Brüder sich vor ihm verneigen
 und  zweitens bricht nun der Hass seiner Brüder über ihm
 zusammen,
 sie  täuschen ein Unglück vor und verkaufen ihn an Sklavenhändler.
 Ja,  was so toll aussieht, das Beste vom Besten bekommen,
 das entpuppt sich zuweilen nicht als Segen, sondern als Fluch
 Denk  nur mal an das deutsche Wirtschaftswunder!
 Kann  es sein, dass wir hart geworden sind, ohne es zu merken?
 Offen  gestanden: Ich frage mich manchmal,
 ob  meine Einteilung in Gut und Böse, in Fluch und Segen, in nützlich und  schädlich, in positiv und negativ, ob die eigentlich stimmt,
 ob  die Trennungslinien nicht anders verlaufen.
 Und  der fromme Jude Josef wird verkauft in die FremdeUnd  dort, wo eigentlich sein AUS hätte erwartungsgemäß kommen müssen,
 dort  redet er nicht mehr von seinen Träumen,
 die er sicherlich in anderer Form noch hat,
 jetzt versteht er die Träume anderer.
 Ja,  nur wer selbst Fremder war, versteht die Träume Fremder
 Frag  dich mal, wovon dein türkischer Nachbar träumt!
 Aber  merkst Du, was sich jetzt schon abzeichnet:Unser Josef wird sensibler, offener, menschlicher,
 anstatt unter seinem harten Schicksal zu zerbrechen.
 Was steckt dahinter?
 Und  was steckt hinter dem Traum des Pharao,
 dem  von den sieben fetten und den sieben mageren Kühen?
 Es  sollen nicht die mageren gemolken werden -
 das  wäre die Lösung deutscher Finanzminister ;.)
 Nein,  zu fetten Zeiten sollen alle sparen,
 damit  die mageren überstanden werden können.
 Und  so geschieht's: Dank Josefs Verständnis für Träumeund  dem Verstand des Pharaos für Konkretes
 hat  man in Ägypten noch etwas zu beißen,
 als  in Josefs alter Heimat der Gürtel enger geschnallt wird.
 Und  nun kommen seine Brüder - als Wirtschaftsasylanten.
 Und  das heidnische Ägypten handelt anders
 als  das christliche Abendland heute:
 Wo  geteilt wird, reicht es für alle!Und  der Bruder, den sie verkauften, wie ein Stück Vieh,
 wird  Retter und nicht Rächer.
 Wie  muss er sich doch gewandelt haben,
 in  der Fremde, in seinen Ängsten, durch sein Scheitern.
 Wäre  ihm alles erspart geblieben, hätte er zuhause seine Bevorzugung genossen,
 seine  arroganten Träume genährt -
 was wäre aus ihm geworden, auch ein Retter, oder eher ein Rächer?
 Haben  ihn die miesen Erfahrungen gewandelt? Vorsicht!An  Leid und Ungerechtigkeit ist mancher auch zerbrochen,
 bitter, zynisch und selbst ungerecht geworden.
 Das  allein kann's nicht sein
 Was  dann, wer dann?  Sagst du: Gott!?
 Hat  sein Glaube an Gott ihn verwandelt?Soll  ich dich schocken?
 Nein,  Gott war's nicht!
 Es  glauben so viele an Gott
 und  werden dennoch hart, egozentrisch und rechthaberisch. Ich habe da eine Ahnung,  ich will's nicht behaupten, aber ich ahne, die Antwort heißt:
 Gott  im Leid und Leiden an Gott
 das  sind die Kräfte seiner Heilung,
 darin  liegt das Geheimnis, dass für ihn und um ihn
 alles wieder gut wird.
 Gott  im Leid und Leiden an Gott
 das  klingt kompliziert, hoch-theologisch,
 aber  was heißt das für dich und für mich
 mit  unserer Frage, ob es Anzeichen gibt
 für  eine Hoffnung, dass doch noch alles gut wird in deiner und meiner persönlichen  Geschichte und in der Weltgeschichte?
 Josef  hält Rückschau, nimmt sich Zeit, nach-zudenken, nach-zudenken den wirren Fäden  seiner Lebensgeschichte Anlaß ist der Tod seines Vaters.
 Es  gibt viele Anlässe für nachdenkliche Menschen, die nicht gelebt werden, sondern  leben wollen.
 Und  plötzlich entdeckt er in diesen wirren Fäden ein Muster:Was so mies und zerstörerisch erschien,
 in  dem was mir andere zufügten
 und  in dem, was ich anderen zufügte,
 das  konnte nicht alles kaputt machen,
 das  hatte auch nicht nur seine guten Seiten,
 wie wir manchmal sagen,
 sondern  das wurde gut - wirk-lich gut, es hat gut gewirkt.
 Was  einst lähmte, wirkte letztendlich belebend;
 was  vorher wie das AUS schien, wurde Neuanfang;
 was  ihm lebensbedrohlich vorkam, wurde zur Rettung.
 Dies  Muster entdeckt er,
 und  wer ein Muster entdeckt hat, der hält seine Augen offen
 ob  da noch weitere Anzeichen in dieser Richtung
 zu  entdecken sind - und er entdeckt noch mehr.
 Ein  kunstvoller Wandteppich wird zum Sinnbild:
 Ihm  ist, als ob er die ganze Zeit auf die Rückseite
 seines  Lebensteppichs gestarrt hätte,
 nun  ahnt er das Kunstwerk, das sich ihm verborgen hatte. Er staunt!
 Und  ist es nicht verständlich,
 dass,  wer ein Kunstwerk entdeckt
 nach  dem Künstler fragt,
 dem  Künstler, der im und aus dem Chaos Kosmos schafft
 der  aber so versteckt ist, dass man auch an ihm leidet.
 Und  Josef entdeckte den ewigen Künstler,diesen  souveränen und liebevollen Verwandlungskünstler der,
 wie  Dietrich Bonhoeffer bekennt,
 auch  aus dem Bösesten noch Gutes wirkt
 Er  lernte glauben an den Gott in der Tiefe,
 er  wagte zu hoffen auf den entgegenkommenden Gott,
 er lernte ihn lieben, den Vater Jesu Christi.
 Und  man erzählt noch heute die Josefsgeschichte,
 dass  Du und ich nachdenklich werden,
 dass  du und ich Muster entdecken und ahnen,
 dass  wir noch auf die Rückseite
 unseres  Lebens- und Weltteppichs sehen.
 Aber  das wird sich ändern!
 Dafür gibt es Anzeichen  - auch in deinem Leben. Amen 
 
   4. Sonntag. n.  Trinitatis 1983         Joh. 8,3-11                   3 Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten eine Frau, beim  Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte 4 und sprachen zu ihm:  Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden.  5 Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was  sagst du? 6 Das sagten sie aber, ihn zu versuchen, damit sie ihn verklagen  könnten. Aber Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde.  7 Als sie nun fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach  zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.  8 Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9 Als sie aber  das hörten, gingen sie weg, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und  Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand.10 Jesus aber richtete sich auf und fragte  sie: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? 11 Sie antwortete:  Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und  sündige hinfort nicht mehr.
 Liebe  Gemeinde,(Projektion: Frau,  die sich an einen rechts neben ihr sitzenden Mann anschmiegt, hinter dessen  Rücken aber die Hand eines andern hält)heute  möchte ich Ihnen ein Bild vorstellen,
 das  ich vorgestern in vier verschiedenen Klassen im Religionsunterricht den Schülern  zeigte:
 „Schaut  euch das erst mal an“ forderte ich die Schüler auf, „und  dann kann jeder ohne sich zu melden
 seine Reaktion auf dieses Bild loswerden
 mit  Kommentaren, die nur aus einem Wort bestehen.
 Mit diesem einen Wort drückt aus, was ihr  denkt, wie ihr fühlt,
 wenn  ihr so etwas seht!“
 Und  dann prasselten die Reaktionen der Schüler
 vor  allem auf die Frau, die sich an den einen anschmiegt,
 hinter  dem Rücken aber die Hand eines andern hält:
 Gemeinheit  – fies – Schweinerei – hinterlistig – heimtückisch – Betrug – usw. Das Urteil  der Schüler war eindeutig –
 in  allen vier Klassen (eine 7., zwei 8., eine 9.).
 Mit  großer Vehemenz, die zuweilen an Hass grenzte,
 prasselten die schweren Anschuldigungen und  Verurteilungen
 auf  die beiden Menschen, die einen Dritten so hintergingen.
 Ich  selbst war äußerst verwundert! Von  vielen anderen Gesprächen mit Jugendlichen hatte ich zuweilen den Eindruck  gewonnen,
 dass  die neue – von BRAVO oder PLAYBOY verbreitete
 –  und von Jugendlichen weithin scheinbar akzeptierte Moral –
 es  mit der Treue nicht so genau nahm.
 Die  ersten, nicht näher bedachten Reaktionen auf dies Bild waren vernichtend im  Urteil – wahrscheinlich geht es ihnen ebenso.
 Ist doch auch eine Gemeinheit –
 vor  allem,
 wenn  man sich sofort mit dem Mann in der Mitte identifiziert,
 wie  das fast alle Betrachter des Bildes beinahe automatisch tun.
 Mit  dem armen Schwein in der Mitte hat man Mitgefühl –
 auf  die Betrüger zur rechten und linken
 aber  prasseln die Urteile so hart wie Stein!
 Auch  im heutigen Predigttext sollen Steine fliegen
 aus  gleichem Anlass:
 (Joh. 8, 3-11 lesen)
 Eine  Frau ist zerstörerisch in eine andere Beziehung eingebrochen und/oder hat ihre  eigene Ehe durch Untreue schweren  Belastungen ausgesetzt.
 Auf  frischer Tat hat man sie ertappt.
 Wie  das passieren kann, ist uns aus manchen Filmszenen bekannt!
 Sie hat nicht nur Händchen gehalten, wie die  Frau auf unserem Bild – sie hat mit einem anderen geschlafen.
 Auch das geschah hinter dem Rücken eines und  einer anderen.
 Auch sie hat jemanden betrogen,
 und ist dabei um einiges weitergegangen.
 Und nun möchte ich Sie fragen:
 Wie  reagieren Sie auf den Ehebruch,
 die  Untreue dieser Frau aus dem Evangelium?
 Höre  ich „Schweinerei“? Fies? Gemeinheit?
 Eigenartigerweise  sind wenige Menschen,
 die  von dieser Frau im Evangelium nach Johannes hören,
 bereit,  diese zu verurteilen, Steine auf sie zu werfen.
 Finden  wir diese Frau nicht irgendwie sympathisch?
 Ihr  gilt zumindest unser Mitgefühl!
 Wie  kommt´s, dass wir so unterschiedlich urteilen? Wer  hinter dem Rücken eines andern Händchen hält,
 wird  von uns verurteilt,
 wer  hinter dem Rücken eines/einer anderen
 ehebrecherischen  Geschlechtsverkehr hat,
 wird  Objekt unseres Mitgefühls?
 Na,  ist doch klar, sagen Sie!
 In  der Geschichte unseres heutigen Predigttextes
 ist es doch die Frau, die arm dran ist!
 Da  sind doch diese Superfrommen und Selbstgerechten,
 die  sie erbarmungslos anschleppen!
 Jesus  wollen sie eine Falle stellen,
 aber  die Frau muss dazu herhalten, muss Ängste ausstehen.
 Solche  Leute, wie diese Schriftgelehrten und Pharisäer,
 die  kennt man doch, die gibt’s zu allen Zeiten.
 Einfach  widerlich, wie sie sich an der Not eines andern weiden,
 mit  Fingern deuten, Steine bereithalten,
 um  aus der Distanz mit ihrem tödlichen Richterspiel
 beginnen zu können.
 Wer  gibt ihnen das Recht, mit Steinen werfen zu wollen?
 Sind sie vielleicht besser? Ist ihr Leben  einwandfrei?
 Einfach  eklig, dies pharisäische Selbstgerechtigkeit.
 Eine  Gemeinheit! Fies! Widerlich!
 Liebe  Gemeinde, in vielen Gesprächen über diesen Text, aber  auch über das Wesen und Unwesen von Menschen,
 die  sich zur Kirche zählen, sind solche harten Urteile gefallen.
 Ich  muss gestehen, dass meine eigene Reaktion
 gegenüber  den Leuten, die die Ehebrecherin vor Jesus,
 ihrem  vermeintlichen Richter, zerren, genauso war.
 Aufschrei – harte Anklagen –
 ein  rigoroses Abgrenzen von ihrer erbarmungslosen Frömmigkeit –
 So  bin ich nicht!
 Und  ich muss weiter gestehen,
 dass  dabei ein gewisses Gefühl von Frömmigkeit in mir hochkam, Allein im  Mich-Abgrenzen (So bin ich nicht)
 kam  diese wohlige Gefühl in mir hoch:
 Zu  denen gehöre ich nicht.
 Ich  stehe mehr auf der Seite der Sünderin,
 solche  Versuchungen kenne ich auch!
 Ich  stehe mehr auf der Seite Jesu,
 der  die Gescheiterten in Schutz nimmt.
 Die  Wohligkeit, die aus der Haltung entsteht:
 Wenn  ich mich nur recht deutlich
 von  den Fiesen und Gemeinen abgrenze,
 dann  gehöre ich beinahe automatisch zu den Guten!
 Es  traf mich ziemlich hart, als mir aufging: Indem  ich mich so abgrenze,
 mit  so hartem Urteil die richtenden Frommen verdamme,
 werfe  ich die gleichen Steine wie sie.
 Mein  vehementes „So bin ich nicht“ ist unglaubhaft,
 weil  ich doch genau das Gleiche tue.
 Zwar  gelten meine,
 und  auch vielleicht Ihre Steinwürfe nicht der Ehebrecherin,
 sondern  den unbarmherzigen selbsternannten Richtern.
 Aber  Steinwurf ist Steinwurf,
 Verdammungsurteil  ist Verdammungsurteil – gleich, wem es gilt!
 Wie  oft bezieht man doch sein Selbstbewusstsein,
 das  Gefühl, etwas zu sein,
 aus  der selbst gestrickten Überzeugung, etwas besser zu sein.
 Und diese Überzeugung wächst eben nur auf dem  elenden Mist
 des sich Abgrenzens, des vergleichenden  Beobachtens
 mit der Optik und den Maßstäben,
 die  das gewünschte Ergebnis von vorneherein gewährleisten.
 Wir  wissen: Ein Richter muss gerecht sein! Richtig!
 Und  wir leiten davon ab: Wer richtet, ist gerecht! Grottenfalsch!
 Deutlich  wird: Selbstrechtfertigung lebt vom Selbstbetrug! Auch  das Steine werfen auf die Steinewerfer
 macht  noch nicht gerecht, höchstens selbstgerecht –
 eben  wie die Steinewerfer!
 Das  Wort Jesu aus der Bergpredigt fiel mir ein:
 „Wenn  eure Gerechtigkeit nicht viel besser ist,
 als  die der Schriftgelehrten und Pharisäer,
 so  werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Mt. 5, 20.
 Das  Verurteilen der Befürworter der Nachrüstung
 macht  noch nicht zum Friedensapostel.
 Verdammen  des Neokolonialismus
 beweist  noch kein Herz
 für  Not leidende Menschen in der Dritten Welt.
 Das  Spotten über die Kirchenchristen
 ist  kein Zeichen für besseren Glauben oder Ethik,
 sondern  ekliger Auswuchs eines weltlichen Pharisäertums!
 Das  Evangelium von Jesus Christus
 will  unseren verdammenden Steinwürfen
 doch  nicht nur eine andere Richtung geben,
 von  den offensichtlichen Sündern
 auf  die unbarmherzigen Steinzeitrichter.
 Wäre  es so, müssten wir ja konsequenterweise uns selbst steinigen! Für unsere  selbstgerechte Bereitschaft zum Steinigen,
 denn  auch unsere Einstellung wäre dann steinzeitlich geprägt.
 Das  Evangelium von Jesus Christus hat es so an sich,
 dass  aus akademischen Fragen Existenzfragen werden.
 Auch  die Pharisäer mit ihren stechenden Blicken müssen erleben,
 wie in der Gegenwart Jesu ihre akademische  Fangfrage
 zu  einer sie betreffenden und sehr betroffen machenden,
 ihre  Existenz hinterfragenden Angelegenheit wird:
 Wer  ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!
 Und  sie gingen weg, einer nach dem anderen.
 Das  ist´s, was mich in dieser Geschichte   erschüttert: Sie  gehen weg.
 Ihre  Begegnung mit Jesus und seinem vollmächtigen Wort
 macht  sie betroffen, deckt Sünde auf –
 aber  sie entfernen sich von dem,
 der  allein Sünden vergeben kann.
 Wie  einfach – so möchte man meinen –
 wäre  es doch auch für die Schriftgelehrten und Pharisäer gewesen, sich neben die  Ehebrecherin zu stellen, in der Solidarität der Sünder! Sie wären dann in der  heilenden Nähe Jesu geblieben –
 sie  hatten doch mit eigenen Augen gesehen,
 wie Jesus sich schützend vor den Sünder  stellt.
 Auch  sie hätten dann für sich ganz persönlich
 das  befreiende Wort Jesu gehört: Ich verdamme euch nicht!
 Das  Wort der Rechtfertigung, des Freispruchs!
 Das Wort,
 das  allein aus den Zwängen der Selbstrechtfertigung befreit
 –  das hätten sie gemeinsam erfahren:
 die  Ehebrecherin und die Pharisäer!
 Auch  die Sünde
 des  frommen und des weltlichen Pharisäismus wird vergeben,
 wenn  sie als solche erkannt wird.
 Aber  sie gingen weg, vielleicht noch mit den Steinen in der Hand.
 Sie  würden sie wieder brauchen können, das nächste Mal,
 bei  einem neuen zwanghaften Versuch der Selbstrechtfertigung,
 bei  einem neuen Selbstbetrug, für andere Opfer.
 Welch  armseliges und erbärmliches Leben – jenseits von Eden!Die Ehebrecherin aber ging freigesprochen  ihres Wegs.
 Nicht  armselig, sondern selig, nicht erbärmlich, sondern erbarmend! Freigesprochen!
 Mit  einem Lied unserer Tage möchte man beinahe sagen:
 Völlig  losgelöst!
 Das  Wort Jesu in den Ohren: Ich verdamme dich nicht!
 Warum  sich dann noch selbst rechtfertigen?
 Völlig  losgelöst von diesem Selbstbetrug!
 Wozu  noch der Krampf!
 Christus  ist hier, der gerecht macht!
 Christus,  der von der Flucht in den Liebe versprechenden
 Ehebruch freispricht,
 auch  vom Schuften in dem steinharte Urteile liefernden Steinbruch – alles Bruch!
 Für  Christus ist die Steinzeit zu Ende.
 Er wirft nicht mit Steinen!
 Er schützt gegen jedes Verdammungsurteil,
 sei  es von Gott oder von Menschen!
 Warum  also von ihm weggehen?
 
 
    8. Sonntag nach Trinitatis 1991Mt.5,6-1313 Ihr  seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man  salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es  von den Leuten zertreten.14 Ihr  seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht  verborgen sein. 15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter  einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause  sind. 16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten  Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
   Liebe  Gemeinde,es  ist zwar schon mehr als dreißig Jahre her,
 aber  ein Wort meiner Mutter ist besonders hängen geblieben:
 Du  bist ein Techniker!
 Sie  hatte mich beim Spielen mit meinem Metallbaukasten beobachtet
 und  bewunderte nun ein von mir entworfenes Fahrzeug mit Lenkung und meinte dann:
 Du  bist ein Techniker!
 Ob  Mutter das wörtlich so sagte, wollte ich nicht beschwören,
 aber  eins weiß ich: Dies Wort hat gewirkt.
 Ich  wurde Techniker und wenn immer ich heute,
 obwohl  ich inzwischen Pfarrer bin,
 im  Haus oder auf meinem Grundstück etwas Kniffliges
 zu  reparieren oder einzurichten habe,
 dann  höre ich ermutigend und aufbauend das Wort:
 Du  bist ein Techniker.
 Nur  ein Wort - und doch so eindeutige Auswirkungen.Nur ein Wort - aber es setzte sich fest.
 Nur ein Wort - aber eins mit einer Vision,
 eins das mehr sah, als vor Augen war.
 Nur ein Wort - aber eins, das ich gern hörte und aufnahm.
 Nur ein Wort - aber eins meiner Mutter, der ich vertraute.
 "Ihr  seid das Salz der Erde,  ihr seid das  Licht der Welt"Auch  wieder ein Wort im so genannten Indikativ
 "Du  bist, ihr seid"
 und  kein Imperativ: Kein „Du musst, ihr sollt, strengt euch an!"
 Das IST wird betont, nicht das SOLL,
 Auf  dies Wort lasst uns heute hören,
 nüchtern, also knallhart die besch..ämende Wirklichkeit
 der Kirche im Auge behalten,
 aber offen, also nicht vorschnell meinend:
 Ha,  des senn mier nedd..
 Salz  der Erde, Licht der Welt,was  wird denn da eigentlich gesagt?
 Da  ließe sich viel Schlaues ausführen,
 aber  erlauben Sie mir, dass ich mich auf zwei Gedanken beschränke:
 Salz  hebt den Eigengeschmack einer Speise,
 stülpt also kein neues G‘schmäckle drüber:
 Mit einer Prise Salz schmeckt die Tomate tomatiger
 und das Frühstücksei schmeckt erst so intensiv nach Ei.
 Und schmeckt eine Speise salzig,
 dann  hat man's übertrieben,
 denn  das Salz selbst darf man nicht schmecken,
 es  hat ganz im Geschmack der Speise aufzugehen.
 
 Und  Licht:
 Wieder  nur ein Aspekt:
 Wenn  Sie schon im Februar verschiedene Samen ausgesät haben
 damit  Sie im Frühjahr etwas im Garten pflanzen können,
 dann  lassen Sie die eingesäten Kästen und Töpfe
 ja  nicht im Keller stehen, nein ,
 Sie  stellen Sie an einen warmen Platz,
 wenn's  geht, auf der Fensterbank,
 und  bald keimt's und sprießt's
 und  grünt und gedeiht.
 Und  später- im sonnigen Garten wächst's weiter,
 entfaltet sich, blüht auf, trägt Früchte.
 In  dem Vergleich von Christen als Salz und Licht
 sagt Jesus Christus also etwas über die Maßen Positives.
 Jetzt  lauert eine irre gefährliche Falle auf uns:Wir  könnten Christi Vergleiche als wunderschön stehen lassen,
 sie  knallhart mit unserer persönlichen
 und  der kirchlichen Wirklichkeit konfrontieren,
 um  dann entweder resigniert festzustellen:
 Das trifft auf uns nicht einmal entfernt zu
 ODER
 wir  könnten versuchen, uns gegenseitig mit markigen Parolen
 auf Vordermann zu bringen
 und  ab morgen mehr oder weniger krampfhaft versuchen,
 in unserm Alltag wie Licht und Salz zu wirken.
 
 Es bliebe also entweder Entmutigung oder Krampf.
 Keine ansprechende Alternative, oder!?
 Mit  einer ganz bestimmten, befreienden Beobachtung kann
 man diesem Dilemma entgehen.
 Die  Beobachtung:
 Am  schönsten kann man die Wirkung von Salz und Licht
 bei Jesus selber beobachten.
 (Licht  - Salz
 Stichworte:  aufblühen und den Eigengeschmack heben
 Beispiele: Neuanfang des Zöllners Zachäus
 oder  Jesu liebevolle Parteinahme für die Ehebrecherin:
 „Wer  unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“)
 Sich  an diesem Jesus freuen,es prima finden, dass er so auf Menschen wirkt
 die Sehnsucht wach halten,
 dass solche Auswirkungen weitergehen
 und davon ausgehen, dass Gott so ist wie dieser Jesus,
 das ist Glaube.
 Und  dieser sympathische Jesus sagt uns heute:
 Was in mir ist und von mir ausgeht,
 belebendes und würzendes,
 das ist auch in euch und geht von euch aus,
 denn ihr seid in mir, ihr gehört zu mir,
 wir sind miteinander verwandt
 wir sind Gottes Kinder.
 Ihr  seid, wie ich, Licht der Welt und Salz der Erde!Von euch geht Belebendes und Würzendes aus.
 Und  jetzt, liebe Gemeinde, nur keine falsche Bescheidenheit.
 Nur nicht: Wir armen sündigen Stinker,
 wir - und Salz, wir - und Licht!!??
 Nur nicht: Da meint Christus sicher jemanden anders,
 vielleicht seine Jünger damals.
 Aber waren die so viel anders als wir?
 Nur nicht: Ja, das war ich mal,
 oder  werde ich vielleicht einmal sein.
 Nein, Jesu Wort von Salz und Licht   annehmen,
 für  wahr halten, akzeptieren
 und sich drüber freuen.
 
 Auch nicht gleich an die Aufgaben denken,
 nicht meinen: Da muss ich mich jetzt aber anstrengen.
 Nein, eben nicht: Salz ist Salz und Licht ist Licht
 Salz hebt den Eigengeschmack und Licht schafft Leben‑
 beides ohne Anstrengung.
 Stellen  Sie sich doch einmal vor,
 ich hätte damals als Junge auf das Wort meiner Mutter so reagiert:
 Aber Mutti, ich und Techniker, ich spiel doch bloß!
 Oder: Ja, ja, Mutti, Du willst mich bloß in eine bestimmte
 Berufswahl bugsieren, ohne mich.
 Oder: Mutter, das überfordert mich total,
 all die Mathe und das techn. Zeichnen,
 das  ein Techniker bringen muss!
 Das wären doch alles irgendwie abnormale Reaktionen gewesen,
 oder?
 Ich habe mich damals schlicht gefreut
 und es prima gefunden, dass meine Mutter
 in ihrem selbstvergessen spielenden Jungen
 sich  entfaltende Gaben entdeckte.
 Apropos  selbstvergessen und spielerisch:
 Das sind meiner Meinung nach Schlüsselworte,
 wenn es um das Selbstverständnis von Christen und der Kirche geht:
 Es  gibt kein lähmenderes und kaputtmachenderes Wort als das:
 Der Christ ist immer im Dienst.
 Damit  kann man ernst meinende Christen ganz schnell
 fertig machen, ermüden und entmutigen.
 Salz  ist zwar immer Salz,
 aber  es salzt nicht immer und alles.
 Licht  bleibt zwar Licht
 aber  es leuchtet nicht immer und für alle.
 Es  gibt Tage, wo wir nicht strahlen
 und  uns selbst als fade empfinden.
 Aber  das ist nicht das Ende von Licht und Salz,
 denn  das kommt von Christus und nicht von uns
 und das hängt nicht von unseren Gefühlen
 und  von unserer Selbsteinschätzung
 sondern  allein von Gott ab, und der bleibt treu,
 auch  wenn wir untreu werden.
 
 Mit einem Bild aus der Verkündigung Jesu:
 Der  verlorene Sohn war und blieb auch am Schweinetrog noch Sohn
 Und  als nur ein kleines Fünkchen dieses Bewußtseins
 in  ihm wieder lebendig wurde,
 da  kam Bewegung in die müden Knochen
 und  er machte sich auf, seiner Bestimmung entgegen.
 Ja, dieses Bewusstsein, wer man ist -
 wie  ungeheuer wichtig und wirksam!!!
 Das  hat überhaupt nicht mit Bessersein zu tun,
 das Wort Christi gilt für Boxberg UND Wölchingen
 Für  Männer und Frauen, für politisch Linke und Rechte etc.
 Sein Wort reinlassen,
 durch  den Panzer an falscher Bescheidenheit,
 durch  das Zittern eines eingeschüchterten Herzens.
 Sein  Wort von Licht und Salz in unserer Gestalt wahr-haben  wollen,
 und  die Vielfalt unserer Geschmäckle wird nicht mehr stören,
 sondern  Ursache von Freude sein,
 und  Menschen werden sich entfalten, aufblühen und gesunden,
 denn wir sind             Salz der Erde  und Licht der Welt,
 Christus weiß das besser als wir,
 das  glaube ich und darüber freu ich mich! Amen!
 
 
          Buchen, 8. Sonntag n. Trinitatis 1982       1.  Kor. 6, 12-20 
  12 Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles  dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen  nehmen. 13 Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird  das eine wie das andere zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei,  sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe. 14 Gott aber hat den Herrn  auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft.15 Wisst ihr nicht, dass eure Leiber  Glieder Christi sind? Sollte ich nun die Glieder Christi nehmen und  Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne! 16 Oder wisst ihr nicht: wer  sich an die Hure hängt, der ist ein Leib mit ihr? Denn die Schrift sagt: »Die  zwei werden ein Fleisch sein« (1.Mose 2,24). 17 Wer aber dem Herrn  anhängt, der ist ein Geist mit ihm. 18 Flieht die Hurerei! Alle Sünden,  die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hurerei treibt, der  sündigt am eigenen Leibe. 19 Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein  Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und  dass ihr nicht euch selbst gehört? 20 Denn ihr seid teuer erkauft; darum  preist Gott mit eurem Leibe.   Wie  fade und farblos wäre doch unser Leben, wenn  wir nur mit Worten, nur mit dem Munde reden könnten.
 Sicher  kann man sich auch mit Worten allein viel sagen –
 theoretisch  eigentlich alles.
 Beispiel: Tonbandkommunikation zwischen Gerda  und mir zwischen Deutschland und Amerika.
 Selbst  in diesem Fall nicht nur Worte,
 sondern  plastische Erfahrungen
 -  ihr Gesicht vor mir -
 -  ihre frohen oder traurigen Augen
 -  der Ton und der warmen Stimme etc.
 schon  hier schon viel mehr als Worte.
 Herauf-  oder herabgezogene Mundwinkel,
 Augen:  Du – ohne Dich kann ich nicht sein.
 Du –  du bedeutest mir alles auf der Welt.
 Arme.  Beine. Körperhaltung.
 Unser  Leib ist so wunderbar sprachfähig –
 eine  Sprache, die unter die Haut geht,
 die  oftmals glaubhafter ist als bloße Worte.
 Und  schließlich – der ganz besondere Reiz,die ganz besondere Kommunikation ermöglichende  Situation:
 Es  gibt nach Gottes gutem Willen,
 weil  er’s mit dem Menschen eben so gut meint,
 zwei  verschiedene Körper, den von Mann und Frau.
 Zwei  Pole – anders und doch ähnlich –
 auf  Distanz – aber zueinander gezogen –
 ein  Miteinander in reizvoller, belebender Spannung.
 Und  auch ihre Körper können sprechen,
 gerade  in ihrer Verschiedenheit, ihre Leiber sind sprachfähig,
 gerade da, wo sie verschieden sind – im  Bereich des Unterleibs:
 Das  gesteifte Glied spricht so überdeutlich:
 Du –  ich möchte ganz nahe bei dir sein.
 Und  die feuchte Scheide antwortet ganz natürlich:
 Ja,  komm ganz nahe zu mir!
 Und  Gott der Schöpfer, der das alles so gewollt hat- hat  seine helle Freude
 an  dieser Art von Kommunikation zwischen Mann und Frau.
 Nicht  als verklemmter Voyeur,
 sondern  als liebender, sich an der Freude seiner Menschen freuender, gütiger Gott und  Herr.
 Liebe  Gemeinde, ich habe mir es lang überlegt, ob  ich die Körpersprache zwischen Mann und Frau
 so  konkret wie eben in die Predigt einbringen sollte,
 habe  auch mit meiner Frau darüber diskutiert.
 Aber  warum soll denn etwas vom schönsten
 zwischen  den Menschen in den Gestank von Pissoirs,
 den  Mief von Umkleideräumen
 und  in die Albernheit schlüpfriger Witze verdammt werden?
 Damit schaffen wir doch für unsere Jugend  gerade das,
 was  wir eigentlich nicht wollen:
 eine  zweideutige Einstellung zu etwas Gutem und von Gott gewollten.
 Wenn  wir unser Bekenntnis von Gott, dem Schöpfer,ernst nehmen, wirklich glauben,
 dann  gehört auch die wunderbare Körpersprache
 zwischen  Mann und Frau in den Bereich des Gottesdienstes,
 um  dafür zu danken und darüber nachzudenken.
 Um  dafür zu danken und  um über diese großartige Gabe des Leibs
 als  sprachmächtiges Gottesgeschenk nachzudenken,
 dazu  ist uns der heutige Predigttext gegeben,
 denn  die wichtigsten und die schönsten Bereiche
 unseres  Lebens sind eigenartigerweise die gefährdesten.
 Ich  nehme an, dass Paulus dies ähnlich empfunden hat.
 Nur darum spricht er Hurerei, Unzucht,  Prostitution,
 also den Bereich des Unterleibs an.
 Sicher  gab´s auch in der Gemeinde in Korinth einige,
 die  pikiert die Nase rümpften, aber wenn’s um Lebenswichtiges geht, kann man keine  Rücksicht auf Verklemmtheiten nehmen –
 zu  keiner Zeit.
 Denn  um Lebenswichtiges geht´s hier,ich habe den Mund kaum zu voll genommen.
 Denn  Paulus spricht hier den so traurigen,
 so  abgrundtief traurigen Fall an, wo zwei Körper sich zwar begegnen, in  scheinbarer Bereitschaft, scheinbar sprachfähig –
 Aber  sie bleiben in deprimierender Vereinsamung
 und  Sprachlosigkeit.
 Zwei  Körper begegnen sich –
 aber  nicht in belebender Kommunikation,
 sondern  in tödlicher Vereinsamung.
 Keiner  sucht den andern Menschen,
 sondern  nur seine Genitalapparatur, seinen Geldschein.
 Beruhigt  könnten wir uns abwenden, wenn  solch tieftrauriges Zusammentreffen
 (Begegnung  kann man sie kaum nennen)
 in  Vereinsamung und Sprachlosigkeit
 sich  nur in den Rotlichtzonen der Großstädte abspielen würden.
 Dann könnte oder müsste man die Bordelle  abschaffen
 und  nach oberflächlicher Betrachtung wäre alles erledigt.
 Und  alle, die kein Bordell von innen gesehen haben,
 könnten  dem Anspruch des Predigttextes
 beruhigt  den Rücken kehren:
 „Das  geht mich nichts an. So schlecht bin ich nicht!“
 Und  wir hätten wieder einen Pharisäer mehr unter uns!
 Kein  Grund für Pharisäismus?!! Denn  1. Vielleicht steckt man selbst tiefer in dem von Paulus hier angesprochenen  drin als man ahnt;
 und  2. ist hier eher Mitgefühl als Verachtung am Platz.
 Beides  soll im Folgenden klarer werden.
 Gelegentlich  schaue ich mir eine Folge der  erfolgreichen amerikanischen Serie „Dallas“ an.
 Eine Serie mit phänomenalen Einschaltquoten
 auf  beiden Seiten des Atlantiks.
 Eigentlich  ist Hurerei, im eigentlichen Sinn Prostitution,
 das  durchgehende Thema aller Folgen.
 Alles ist käuflich bzw. verkäuflich.
 Auch  Zuneigung und Liebe
 sollen  mit bestimmten Summen erreichbar sein.
 Und wenn J.R. ins Schlafzimmer seiner  Schwägerin schreitet
 mit  dem Kommando: „Zieh dich aus!“,
 dann  klingt das wie: Demütige dich! Entwürdige dich.
 Mach  dich klein und dreckig, damit ich dich verachten kann.
 Und  wispert sie: Ich liebe dich, so sprechen ihre Züge deutlicher:
 Ich verachte dich. Du stinkst mir. Du bist ein  widerlicher Egoist. Denn tief drinnen sind beide fürchterlich verwundet,
 denn jeder möchte als ganzes Wesen,
 als  einzigartiges Individuum geliebt sein,
 aber  es werden nur Funktionen von Körperteilen abgerufen
 und  der andere ist nur ein austauschbarer Repräsentant
 des  anderen Geschlechts.
 Hier  bleibt nur doch der Ausweg des kalten und tödlichen Zynismus.
 Und  regen sich einmal echte Gefühle von Liebe und Zuneigung und  suchen sie in Worten und in Körpersprache ihren Ausdruck – dann kann´s keiner dem  andern mehr abnehmen,
 keiner  kann´s mehr glauben,
 denn  die Sprache, die des Mundes und die des gesamten Körpers ist versaut auf alle  Zeit.
 Auch  die Geschlechtsteile im Zustand der Erregung
 sprechen  dann nur noch eine widerliche,
 den  Brechreiz hervorrufende Sprache.
 Das  ist das Tragische an der Hurerei in und außerhalb von Bordellen, in und  außerhalb von Ehen:
 Eine  Körpersprache, die nur Teile des andern
 oder  auswechselbare Partner sucht,
 verliert  ihre ursprünglich wunderbare
 und  Wunder wirkende Sprachgewalt
 und  wird zu einem Ausdruck von Sprachlosigkeit.
 Eine immer tiefer gehende Vereinsamung ist der  hohe Preis
 für  eine eigentlich von niemanden erstrebte Schäbigkeit.
 Und  deshalb: Wie und mit wem wir mit unsern Leibern, auch  mit unsern Unterleibern sprechen, ist nicht egal,
 wie  manche den Menschen und seine Situation
 nicht  kennen oder nicht kennenwollende Irrgeister behaupten,
 damals  in Korinth oder heute unter uns.
 Aber  warum ist J.R. Ewing und die Serie Dallas für so viele wichtig? Fast alle  verachten J.R. wie auch die menschenverachtenden Machenschaften seiner Familie.
 Ich  vermute, dass „Dallas“ in großem Maßstab
 und  ganz offen und ungeschminkt uns vorstellt,
 was  unter uns in unsern Häusern und Familien
 in  kleinerem Maßstab und mehr oder weniger versteckt
 sich  ebenfalls abspielt.
 Geliebt  werden Körperteile, Partner sind austauschbar,
 alles ist käuflich,
 eine  zuweilen recht gesprächige Sprachlosigkeit greift um sich, Liebesbeteuerungen  sind nicht mehr glaubhaft,
 weder auf körperlicher noch verbaler Ebene.
 In J.R. verachtet mancher sich selbst –  bewusst oder unbewusst.
 Aber,  liebe Gemeinde, warum eigentlich Verachtung?
 Warum Verachtung für J.R.? –
 Warum  Verachtung für den im Ehebruch lebenden Nachbarn?
 Warum  Verachtung für die Ehefrau,
 der  der Status ihres Mannes
 und  seine großartigen Geschenke Liebesersatz geworden sind? Warum Verachtung für  den regelmäßigen Kunden im Bordell?
 Warum Verachtung für einen selbst,
 für  die verzweifelte Suche nach etwas Wärme und Zuwendung?
 Glauben  Sie denn im Ernst,
 dass  Ehebrüche, Ersatzbefriedigungen
 auf  sexueller wie auf materieller Ebene
 nur  Ausflüsse einer verdorbenen
 von  triebhafter Lust umgetriebenen Person sind?
 Vielleicht  versuchen das Menschen so darzustellen,
 auch  Betroffene.
 Das  tun sie aber nur,
 weil  ihnen die eigentlichen Gründe nicht bekannt sind,
 oder  weil sie sich lieber die Zunge abbeißen würden,
 bevor  sie schlicht und ergreifend bekennen würden:
 „Ich  bin restlos vereinsamt, durstig nach echter Liebe wie eine Wüste, die seit  Jahrtausenden auf einen Ozean wartet.
 Ich  brauche Wärme, Zuneigung, Geborgenheit, Liebe.
 Aber ich habe all das in meinen krampfhaften  Bemühungen
 so missbraucht, dass ich eigentlich stumm bin,
 keiner  nimmt mir etwas ab, ganz egal,
 was  ich sage oder tue.
 Warum  also Verachtung? Warum Selbstverachtung?Wer  verzweifelt ist, verliert das Wählerische.
 Wer hungrig ist, stürzt sich auch auf das nur  scheinbar Genießbare. Wer durstig ist, kann auch Salzwassr trinken,
 obwohl  es sein Elend nur verschlimmert.
 Warum  also Verachtung?
 Die  Hure und ihr Freier,
 der  Ehebrecher und seine treu gebliebene Ehefrau.
 Der Sünder auf der Bußbank und der  Moralprediger auf der Kanzel.
 Einer  wie der andere sind sie am Schicksal des andern mitbeteiligt.
 Alle  eins in der Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung,
 nur  ihre Wege und Methoden sind verschieden.
 Alle  leidend darunter, dass im Andern,
 im  Ehepartner und im Freund, im Kollegen, im Mitschüler
 so  wenig oder so bruchstückhaft die Botschaft hör-und spürbar wird: Du- ich mag  Dich!
 Kein  Platz für Verachtung, auch kein Grund. Wir  sind alle im gleichen Boot –
 liebeshungrig,  zuweilen wenig wählerisch,
 manche  mehr behütet als andere, aber im Grunde Bettler.
 Auch  im selben Boot in der Tragik,
 verdorbene  Sprachfähigkeit von Zunge und Körper
 nicht selbst wiederherstellen zu können.
 Auch  tausendfache Beteuerungen klingen hohl und schmecken schal – wenn Worte und  Körpersprache einmal missbraucht waren.
 Daran leiden wir alle!
 Eine  Wiederherstellung der Sprachfähigkeit und der Glaubhaftigkeit wäre ein  schöpferischer Akt sondersgleichen.
 Wie wunderbar, wenn: Ich liebe Dich!
 wieder  wirklich das bedeutete!
 Wenn  die Sprache des Leibes und des Unterleibes
 wieder  bedeuten könnte:
 Du,  dich meine ich, dich als ganze Person,
 dich  als einziges unverwechselbares Wesen.
 Solche  schöpferische Wiederherstellung –
 wie  kreativ könnten wir wieder sein.
 Heraus  aus dem Sumpf der krampfhaften Versuche Liebe zu kaufen, oder wieder glaubhaft  zu wirken.
 O du  Schöpfergott, komm in unsere gequälten Leiber
 und  in unsere verdorbenen Beziehungen.
 Stelle  wieder her und erneuere,
 was  du einst so wunderbar geschaffen
 und  was wir in unserer Vereinsamung und Verblendung
 zerstört  haben.
 Dein  Sohn Jesus Christus war sich nicht zu schade
 bei  solchen wie uns zu wohnen, mit ihnen zu essen,
 sie  vorurteilsfrei zu lieben.
 Darum  haben wir Hoffnung, barmherziger Gott,
 dass  auch unsere Leben und unsere Leiber nicht zu verdorben sind.
 Komm,  Schöpfergeist, bitte wohne in uns, erneuere uns.
 Lass uns dein Tempel sein.
 Dir  wollen wir gehören, weil wir erfahren haben,
 dass  ohne dich alles verdirbt.
 O  Herr, öffne uns die Augen,
 damit  wir die Wunder wirklich sehen und glauben,
 die  Wunder, die geschehen, wenn du in uns wohnst,
 wenn  du in unseren Ehepartnern und Freunden Wohnung nimmst.
 AMEN
 
 
  9. Sonntag nach  Trinitatis 2001Matthäus 13,44-46Das  Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und  verbarg; und in seiner Freude ging er hin und   verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.45  Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte,
 46  und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er  hatte, und kaufte sie.
 Der verkauft systematisch seinen ganzen Bettel,alles, restlos alles. Okay soooviel war’s auch wieder  nicht,
 denn er war ja nur Hilfsarbeiter
 beim größten Grundbesitzer des Dorfes.
 Für den war er ein besserer Sklave:
 Befahl der: Spalt Holz, dann spaltete er Holz,
 jagte der ihn bei miesem Wetter mit Ochsen und Pflug auf  den Acker,
 dann quälte er sich eben die Furchen entlang dem Ochsen  hinterher.
 Man kannte ihn als Miesepeter,
 er war meist mürrisch und pessimistisch.
 Dann das Gerücht: Der verkauft alles!
 Aber mehr: Er sei wie umgewandelt, wie ausgewechselt.
 Ich konnt‘ mir‘s nicht vorstellen,
 aber vorhin sah ich ihn auf dem Markt.
 Meine Zeit! Jetzt wünschte ich mir,
 ich könnte besser  mit Worten umgehn,
 könnt besser beschreiben, was ich sah!
 Ich stand einfach da und ..... glotzte, ja ich glotzte, wie  andere auch.
 Es war nicht nur sein Gesicht, nein, der ganze Kerl verströmte Leichtigkeit, Freiheit,  Freude,
 eben dieses große JA.
 Meine einzige Erklärung war:
 Der ist verliebt, und zwar rettungslos.
 So sorglos leicht, so gelöst und unbekümmert sind nur  Verliebte.
 Eine Geliebte also?
 Aber seine Frau sei seit ein paar Tagen auch so anders,
 so strahlend und lebensbejahend.
 Hatten die sich wieder entdeckt, nach dreißig Ehejahren?
 Aber warum dann alles loswerden wollen?
 Und hätte er im Lotto gewonnen oder bei Günter Jauch  abgeräumt,
 warum sich noch die Mühe machen, und das Gerümpel  verkaufen?
 Oh Entschuldigung, jetzt bin ich in eine andere Zeit  gerutscht.
 Na ja, wenn ich jetzt schon mal im HEUTE bin, bleib ich da!Liebe Gemeinde, dieses Gleichnis von Jesus vom Schatz im  Acker
 hat mich ganz neu mitgerissen.
 Von einem solchen Schatz hab ich als Kind so oft geträumt;
 auch von einem andern Schatz hab ich schon ganz früh  geträumt,
 schon im Kindergarten.
 Und manchmal durfte dieser süße Schatz auf meinem Schoß  sitzen,
 ganz offiziell, mit dem Segen der Kindergartenschwester.
 Der Himmel auf Erden!
 Und „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson
 war mein Lieblingshörspiel im Radio.
 Weh dem, der da was  anders hören wollte.
 Ein kostbarer Schatz in Reichweite, im Bereich des  Möglichen,und schon leben wir  nach der IKEA-Werbung:
 Entdecke die Möglickkeiten!
 Ein Schatz als Vision, und schon kann man sich lösen von  Dingen,
 an denen man gestern noch klebte, von Verlustängsten  geplagt
 Sich lösen lassen – und dann von Erlösung nicht nur labern,
 sondern sie leben und ausstrahlen.
 Manches lassen können – und dadurch echt gelassen werden!
 Die verklemmtesten Frommen werden da locker –
 mit einem Schatz als Vision.
 Echt, der gestrenge Apostel Paulus wird auf/ausfällig  locker,wenn er von seinem Schatz redet:
 Da rutscht dieses Wort aus ihm raus,
 das viele von uns zwar immer wieder gebrauchen,
 das  man aber  eigentlich nicht gebrauchen darf:
 Dieses Wort Sch.....
 das man zumindest in einer Predigt nur als Sch...eibenkleister  ausspricht – das benutzt Paulus – IN DER BIBEL.
 Und er benutzt es dann,
 wenn er von der Entdeckung eines Schatzes redet:
 Im Vergleich zu diesem Schatz ist alles andere Sch.....
 um diesen Schatz zu gewinnen wertet er selbst seine  frömmsten bisherigen Einstellungen als Sch.... grie.. skybalon
 Der Paulus wird leicht-sinnig, über-schwänglich, völlig  losgelöst!Von Paulus kommt es auch rüber,
 dort im 3. Kap. des Philipperbriefes:
 Dieses beschwingte und mitreißende JA!
 O Paulus, verrat mir dein Rezept! Davon wünsch ich mir was!
 Davon wünsch ich unseren Gemeinden was!
 Und der Paulus verrät uns sein Geheimnis, seinen Schatz:
 CHRISTUS!
 Und der Schatz von dem Christus im Gleichnis redet,
 der diese Freudenwellen auslöst, den nennt er REICH GOTTES.
 Und beide meinen dasselbe: Christus ist das Reich Gottes.
 So!
 Grad waren wir alle noch so locker flockig,
 und jetzt wird’s fromm, dogmatisch, schulmeisterlich  trocken, oder?
 Haben Sie nicht auch diese Befürchtung, wenn solche  Zentralbegriffe
 unseres Glaubens auftauchen: Christus, Reich Gottes,  Himmelreich.
 Wissen sie was? Heut träumen wir einfach mal weiter!Wir vergessen mal alles Oberlehrerhafte, auch die dröge  Realität.
 Wir träumen weiter von einer Gemeinde,
 die anfängt einen Schatz zu entdecken.
 Die ist irgendwo in der Nähe, heißt mit vollem Namen  Untertopien,
 die Post kürzt ihren Namen immer auf U-topien.
 (man kann’s auch  anders betonen)
 Alle Darsteller sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit  Menschen oder Situationen in Neunsteten wären rein zufällig.
 U-topien befand sich in der Krise, wenigstens kirchlich:Die Zeitung berichtete genüsslich:
 Langjähriger Kirchengemeinderat (KGR) verlässt vorzeitig  das Entscheidungsgremium der evang. Kirchengemeinde.
 Nur Insider wussten, warum:
 Die Gemeinde hatte vor, ihren neuen Rasenmäher bei der  Konkurrenz zu kaufen, das Angebot des langjährigen KGR war hoffnungslos  überteuert.
 Man musste nun eine Nachwahl organisieren, damit jemand den  Platz des Rasenmäherhändlers einnehmen konnte.
 Man besann sich, dass bei der letzten Wahl vor 5 ½ Jahren
 Frau Frieda Freundlich es nur knapp nicht geschafft hatte:
 Es kam der Vorschlag im KGR, Frau Freundlich nachzuwählen.
 DA entstand ein Tumult:
 „Dess geht uff koin Fall; die hodd vor vier Johr ihr’n Job  verlorn,
 weil sie sich in der Portokass bedient hodd.“
 Jeder sah ein: Dess geht nedd!
 Da gab sich der alte Redlich einen Ruck
 und meinte mit seiner piepsigen Stimme:
 Man sagt aber, Frau F. habe ein neues Leben angefangen.
 Autsch, das hätte er lieber nicht gesagt:
 Dess kann jeder saache, do könnt jeder kumme etc etc
 Aber Redlich war schon älter,
 musste keine falsche Rücksicht mehr nehmen,
 meinte also in seinem Altersstarrsinn:
 Sie hat echt bereut, was sie getan hat,
 und ist ganz beschwingt in der Überzeugung,
 dass Jesus ihr völlig und total vergeben habe.
 Autsch...  ich breche  hier ab, denn die Diskussion wurde böse.
 ABER...  Frau  Freundlich wurde nachgewählt, schweren Herzens,
 weil man niemand anders fand, der dazu bereit war.
 Die erste Sitzung mit Frau Freundlich.Der Pfarrer hält zu Beginn eine kurze Andacht über Zachäus,
 den betrügenden Zolleinnehmer und seinen Neuanfang,
 nicht als Anspielung auf F.F.s Vergangenheit,
 sondern weil’s halt der Predigttext vom kommenden Sonntag  war.
 „Nedd scho widder“ meinte KGR Dümmlich,
 aber die Augen der Neuen leuchteten.
 Hauptpunkt der Tagesordnung ist die Frage,
 wie man die 3.000 DM Reinerlös vom Gemeindefest verwendet.
 Frau Peinlich meinte: „Ein richtig guter Rasenmäher! So’n  Traktor!
 Aus dem Haushalt ist der eh nicht zu finanzieren; der  kostet grad so um die 3000.-„
 Gute Idee, meinen alle. Also Abstimmung. Vier von sieben  Händen sind bereits oben.
 Aber der gute Pfarrer Frömmlich hatte Frau Freundlichs  verstörten Gesichtsausdruck bemerkt. „Frau Freundlich??!“
 F.F.: „3.000 Mark für einen Rasenmäher?
 Wer von uns hat denn einen daheim?“
 Fünf von sieben Händen heben sich etwas zögerlich.
 „Und wie wär’s, wenn die fünf stolzen Rasenmäherbesitzer
 auch den Rasen um Gemeindehaus und Kirche mähten,
 und die andern zwei sich um Bäume und Sträucher kümmerten?
 Dann blieben die DM 3.000.- frei
 für dieses heruntergekommene Waisenhaus in Bukarest.
 Dort kann man mit 3000 Mark unendlich viel Gutes tun.“
 Und sie sagte das mit solcher Begeisterung, Überzeugung,  Schwung, Leichtigkeit, Losgelöstheit, voller Liebe und Freude,
 also man musste schon arg verknöchert sein,
 um nicht ein kleines Ruckeln in den verhärteten,  kirchlichen Strukturen zu spüren.
 Skybalon sei eine solche Idee, meinte ein  predigt-aufmerksamer KGR.
 Nein, ereiferte sich Redlich,
 das sei ein ganz falsches Verständnis von skybalon.
 Skybalon sei all das, was bei Kirchens 90% der Energien  beansprucht: Dinge, Regeln, Gesetze, Profilierungen Abgrenzungen etc..
 Es wurde noch eine lange Sitzung
 aber am Ende siegte das Waisenhaus über den Rasenmäher  4:3!!!
 Frau F. hatte lösend, befreiend, ernüchternd und erneuernd  gewirkt.
 Die Sache hatte noch ein Nachspiel:Als am Sonntag danach der Gemeinde bekannt gegeben wurde,
 die DM 3.000 vom Gemeindefest gingen ohne  Abzug an das Waisenhaus in Bukarest, da blieb  nach dem Gottesdienst ein junger Computerspezialist aus der Gemeinde zurück.
 Man hatte ihn aus den verschiedensten Gründen mehrfach  gebeten,
 bei den Kirchenwahlen im kommenden November zu kandidieren.
 Und jedes Mal sein klares und begründetes Nein!
 „Ich investiere weder Geld noch Kraft in etwas  Rückwärtsgerichtetes, ohne risikobereite Visionen.“
 Jetzt aber war er stolz auf seine Gemeinde,
 die liebevoll und losgelöst in ein Waisenhaus investierte,
 und vorhandene Ressourcen, sprich Rasenmäher, sinnvoll  nutzte,
 und meinte zum Pfarrer: Jetzt kandidiere ich gern!
 Und das alles war von dieser Frau Freundlich losgetreten  worden.Was war ihr Geheimnis, die Frage trieb mich um.
 Ich suchte Gespräche mit ihr und sie war
 –nomen est omen- freundlich.
 Es brauchte Monate bis sich ein Puzzleteilchen zum andern  fügte,
 sie war keine fromme Babblerin, eher das Gegenteil,
 alles Überzeugungsmäßige hütend und verbergend wie einen  Schatz.
 Aber mit der Zeit entstand ein Bild:
 Nach ihrem Diebstahl und der konsequenten Entlassung
 war sie in ein tiefes Loch gestürzt;
 sie schien am Ende, machte sich endlose Vorwürfe.
 Eine Nachbarin kriegte mit, wie Frau Freundlich mehr und  mehr versumpfte, eröffnete ihr die Vision eines Neuanfangs,
 und zwar eines begründeten Neuanfangs,
 also eines Anfangs ohne Illusionen, aber mit Visionen.
 Die Nachbarin verband das alles sehr persönlich mit Jesus.
 Und irgendwie sprang das über auf Frau Freundlich;
 sie konnte neu anfangen. Das ist jetzt vier Jahre her.
 Ich entdeckte allerdings noch, was ihr noch heute und immer  wieder diesen Schwung und dieses völlige Losgelöstsein gibt:„Dass mich Jesus einmal diesen großen  Neuanfang hat erleben lassen, das kann ich ja noch verstehn, sagte sie mir  leise.
 Aber immer wieder, jeden Tag, nach jedem neuen Sch..., den  ich baue.
 Das ist doch nicht zu fassen, kaum zu glauben!
 Sie bekannte: Nach dieser Sitzung mit den DM 3.000.-,
 da ging ich tagelang rum wie auf einer Wolke:
 Was bist du doch für ne tolle Frau,
 brichst diese   verkrusteten Strukturen auf.
 Diese ätzende Selbstgefälligkeit, pfui Teufel.
 Runtergeguckt hab ich auf die andern!
 O Gott, vergib, bitte!
 Und er tut’s, wieder und wieder, das hat er versprochen.
 Ich fang jeden Tag  ohne Ballast an!
 Frei!
 Der Himmel!
 (Verlesung Matthäus 13,44)   AMEN
 
 
     11. Sonntag n.  Trinitatis 1983Lukas, 7, 36-50
  36 Es bat ihn aber einer der Pharisäer,  bei ihm zu essen. Und er ging hinein in das Haus des Pharisäers und setzte sich  zu Tisch. 37 Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin.  Als die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers, brachte sie ein  Glas mit Salböl 38 und trat von hinten zu seinen Füßen, weinte und fing  an, seine Füße mit Tränen zu benetzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu  trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit Salböl.39 Als aber das der Pharisäer sah, der ihn  eingeladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet  wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn  sie ist eine Sünderin. 40 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich  habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sag es! 41 Ein Gläubiger  hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere  fünfzig. 42 Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er's beiden. Wer  von ihnen wird ihn am meisten lieben? 43 Simon antwortete und sprach: Ich  denke, der, dem er am meisten geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast  recht geurteilt.44 Und er wandte sich zu der Frau und  sprach zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast  mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen  benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45 Du hast mir keinen Kuss  gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine  Füße zu küssen. 46 Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat  meine Füße mit Salböl gesalbt. 47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden  sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird,  der liebt wenig.48 Und er sprach zu ihr: Dir sind deine  Sünden vergeben. 49 Da fingen die an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen  bei sich selbst: Wer ist dieser, der auch die Sünden vergibt? 50 Er aber  sprach zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden! Ob  Sie´s glauben oder nicht: Diese  Frau, die man allgemein die große Sünderin nennt,
 sie  lebt, wovon wir meist nur träumen.
 Sie  lebt und liebt überschwänglich.
 Sie  ist, wie sie ist. Sie handelt, wie sie fühlt.
 Sie  fühlt, wie sie handelt.
 Sie  verschwendet teures Salböl.
 Sie  löst ihre Haare auf. Sie küsst einem Fremden die Füße.
 Sie  weint, wenn ihr entweder aus Freude oder Kummer danach ist.
 Sie  kommt ungebeten in ein Haus.
 Alles,  was sie tut, kommt ungefiltert, ungekünstelt,
 einfach echt aus ihr heraus.
 Träumen Sie zuweilen noch von solch freiem  unverfälschtem Leben? Keine Mühe zu verwenden,
 eigentlich  zu verschwenden
 in  das kunst- aber doch auch recht mühevolle
 Ausbessern  der Fassaden!
 Das  wäre toll!
 Da  käme endlich echt erfrischende Luft an unsere Seelen! Durchatmen, wie bei einem  Regen nach langer Trockenheit. Lachanfälle kriegen, Singen auf der Straße,
 aber  auch Weinen, Zetern, Klagen.
 Auf  „Wie geht´s?“ antworten können: Hundsmiserabel!
 Wem  würden wir denn damit schaden? Wem würde das wehtun? Niemand!!! –
 Aber  es ist halt unmöglich!
 Wem  schadet die Frau mit ihrer überschwänglichen Liebe? Niemand! Aber es ist halt  unmöglich!
 Aus  jedem Knopfloch des Hauseigentümers Simon
 dringt  die peinliche Verlegenheit:
 „Und  das in meinem Haus!
 –  wenn ich das gewusst hätte,
 der  Jesus wäre mir nicht ins Haus gekommen!“
 Seine  Meinung ist dieser Frau aber total egal!
 Weil  ihr Ruf eh ruiniert ist? Weil sie nichts mehr zu verlieren hat? Vielleicht,  darüber ist später noch nachzudenken!
 Warum  handelt diese Frau so erfrischend unmöglich, unmöglich  – und doch eigentlich natürlich!
 Nun  – ihr so spontanes und überschwänglich liebevolles Handeln
 gilt einer bestimmten Person!
 Sie  stürzt sich ja nicht auf den Hausherrn,
 macht  auch nicht die Runde!
 Alles  ist auf Jesus beschränkt, konzentriert sich auf seine Person.
 Ist er der Grund für ihr ungewohntes,
 unsere  Sehnsüchte anregendes Handeln?
 Nun,  sie macht eine Erfahrung, von der wir,
 wie  von ihrem befreiten Verhalten, meist nur träumen –
 wenn  wir es nicht schon lange aufgegeben haben!
 Sie  begegnet einer Person,
 von  der sie mit der Sicherheit des Glaubens weiß:
 Der  mag mich, der schätzt mich, dem bin ich etwas wert,
 und  zwar absolut unabhängig  von dem, was er  über mich weiß,
 auch  total unabhängig von dem,
 was  er noch über mich herausfinden wird!
 Von  meinem Tun und Lassen ist seine Wertschätzung meiner Person genauso unabhängig  wie der Sonnenschein.
 So  etwas Ähnliches
 haben  Sie gewiss schon in mancher Predigt gehört,
 aber  können Sie sich das vorstellen?
 Das  kommt doch so gut wie nie, und wenn,
 dann  nur schwach und kurz aufflackernd
 in  unserem Leben vor.
 Denken  Sie einmal ganz intensiv an den Menschen, von  dem Sie meinen, dass er Sie am liebsten hat.
 Lassen  Sie sich Zeit.
 Und  Sie lieben diesen Menschen doch auch, oder?
 Es ist doch fast unmöglich, nicht zu lieben,
 wenn  man geliebt wird, oder?
 Und nun phantasieren Sie einmal,
 Sie  sind zum Träumen eingeladen –
 schließen  Sie ruhig die Augen, wenn es Ihnen hilft.
 Und  nun stellen Sie sich vor, während Sie hier in der Kirche sitzen, geht mit  diesem Menschen – ob er nun auch hier ist oder nicht –
 eine  wunderbare Verwandlung vor sich:
 Wenn  er Sie auch jetzt schon recht gut verstanden hat,
 wenn  er Sie auch bisher schon im Großen und Ganzen akzeptiert hat – heute, wenn Sie  aus dem Gottesdienst zurückkommen,
 werden  sein Verständnis und seine Wertschätzung Ihrer Person vollkommen und durch  nichts mehr zu erschüttern sein.
  Nicht wahr, es fällt schwer, sich dies  vorzustellen? Etwas,  was Sie schon jahrelang mit sich herumtragen,
 was Sie bisher erfolgreich vor allen versteckt  hielten,
 was  Ihnen aber doch irgendwie das innere Atmen erschwerte,
 etwas, das Ihr Vertrauen,
 Ihre Liebe zu sich selbst schwer  beeinträchtigt hat –
 Sie konnten das einfach nicht mit dem sonst
 von  Ihnen gepflegten Bild über sich selbst in Einklang bringen
 – etwas, von dem Sie schon manchmal in  Gedanken durchspielten, wie es wäre, wenn das andere wüssten –
 kurzum,  etwas, das Sie belastete,
 eben  weil es immer dicht verschlossen bleiben musste,
 eben weil dieses Verstecken so viel Mühe und  Aufwand erforderte – dieses eine Etwas könnten Sie irgendwann in den nächsten  Tagen aussprechen vor diesem Menschen, der sich nun so gewandelt hätte.
 Und  – kaum vorstellbar – Sie hätten das 100%ige Vertrauen: Er  verurteilt mich nicht – ich brauche nicht zu schwitzen,
 muss  nicht auf die Wahl meiner Worte
 in  der Darstellung dieses Etwas achten.
 Was  immer dies Etwas auch sei –
 eine  tief liegende, unergründliche Angst, eine abartige Veranlagung, ein Charakterzug,  den Sie einmal in sich entdeckten,
 und  der Sie seitdem ängstigt, ein Erlebnis in der Vergangenheit,
 das Sie tief verletzt hat
 oder  in dem Sie eine Beziehung unwiederbringlich zerstörten,
 eine  traumatische Kindheitserinnerung –
 was  immer dies Sie umtreibende,
 von  anderen Menschen innerlich absondernde,
 bislang sorgsam geheim gehaltene Etwas auch  sei –
 es  erschüttert diese Person, die Sie liebt, überhaupt nicht.
 Ja,  weit mehr – Sie  merken gleich und es bestätigt sich in den folgenden Tagen:
 Liebe  und Vertrauen wachsen auf beiden Seiten. –
 trotzdem,  ja es hat den Anschein: Deswegen!
 Und  Sie spüren: Absolut nichts mehr muss jetzt versteckt werden, denn: Das Wunder  in dieser neu gewordenen Beziehung
 besteht  darin, dass für Sie immer deutlicher wird:
 Ich  werde eher geliebt mit meinem wirklichen, ungeschminkten Sein als mit meinem  sorgsam, durch Verschwiegenheit hier
 und  Verstellung dort, gepflegten Image,
 als  mit dem Schein, den ich zu erwecken und zu erhalten suche.
 Und  weiter: Was nun auch immer noch über Sie herauskommen mag, evtl. auch durch das  Geschwätz von anderen –
 die  Vertrauensbeziehung steht unerschütterlich.
 Und  schließlich: Auch wenn Sie sich erneut abkapseln sollten,
 wenn  sie erneut misstrauisch werden sollten,
 und  den andern so oder anders wieder verletzen sollten –
 es hat keinen Einfluss auf das in Sie gesetzte  Vertrauen,
 auf  die spürbar echte Zuneigung des andern zu Ihrer Person!
 Und  wovon wir jetzt träumten, was wir uns ausgemalt haben,was unsere Phantasie zuweilen stark  strapazierte –
 das  erlebt diese Frau,
 die  man traditionsgemäß die große Sünderin nennt.
 Nicht  erst, als ihr hörbar Vergebung ihrer Sünden zugesprochen wird, ist sie von  Liebe überwältigt und handelt auf so überschwängliche befreite und mit Kopfschütteln  kommentierte Art und Weise.
 Nein, sie hat nur von diesem Jesus gehört,
 wie  er anderen großen und kleinen Gaunern,
 andern  mit dem Leben nicht zurechtkommenden,
 andern  ins Abseits gedrängten verständnisvoll, j
 a  mit echter Sympathie begegnet war.
 Und ganz vertrauensvoll zieht sie den Schluss:
 Nicht  große oder kleine Sünden
 wie  auch nicht große oder kleine gute Taten
 sind  entscheidend für seine Zuneigung,
 sie  gilt schlicht und ergreifend allen Menschen
 –  also – es ist kaum zu glauben – auch mir!
 Und  während Simon, der Pharisäer, aus  Jesu annehmendem Verhalten folgert:
 Der  kann kein Prophet sein, der kann also nicht von Gott sein!
 kommt die Frau gerade zur entgegen gesetzten  Überzeugung:
 Das  geht über das Menschenmögliche hinaus – das kommt von Gott! Sie weiß: Wenn  einmal alle,
 die  mich verdammen längst vergessen sein werden,
 dann  steht seine Liebe zu mir immer noch unerschütterlich!
 Warum  also auf vergängliche Urteile
 von  vergänglichen Menschen setzen.
 Ich  habe nun die schöne Aufgabe,
 Ihnen  zuzusprechen,
 was  mir für die eigene Person manchmal schwer fällt zu glauben:
 Was wir vorhin miteinander erträumt haben
 und was diese Frau erlebt hat,
 gilt  Ihnen und mir
 und  zwar nicht von einem Veränderungen unterworfenen Menschen, sondern vom ewigen  Gott.
 
 Was  soll der komisch-demütige Hochmut:
 Vielleicht  bin ich noch schlechter als diese Frau!
 Und  wenn?!
 Weg  mit dem Konfirmanden-Albtraum:
 Herr,  Du erforschest mich und kennest mich.
 Ich  sitze oder stehe oder tue sonst was, so weißt Du es.
 Es  gibt kein göttliches 1984 – keine einengende Überwachung, sondern nur das in  Jesus geoffenbarte getroste Vertrauen:
 Dich,  du gütiger Vater, kann ich mit nichts mehr schocken!
 Wo  Menschen sich vor den Abgründen
 meiner  Seele erschrocken abwenden,
 da  erkennt ER und stillt meinen Hunger nach Liebe!
 Deshalb  keine Angst vor dem Aussprechen,
 vor  der mittelalterlichen Angst vor dem Aufbrummen einer Buße.
 Viel Vergebung setzt auch nicht das selbst  zerfleischende,
 nach  Einzelheiten und Hintergründen suchende,
 kritische  Durchleuchten des eigenen verworrenen Seelenlebens voraus.
 Viel  Vergebung kommt von dem Zutrauen:
 Wenn´s  dieser Frau gilt – dann auch mir.
 Zutrauen  und Vergebung sind eins!
 Und  wenn dann wieder die anklagenden Stimmen kommen
 und  aufzählen, wie böse es bei uns aussieht,
 wie  Gottes Liebe und Geduld jetzt langsam doch überfordert seien – eins ist ganz  gewiss:
 Dies  ist nie die Stimme Gottes, sondern die seines Widersachers.
 Auf  solche Anklagen lasst uns mit Luther antworten:
 Sag  er mir was Neues, Teufel, das weiß ich schon
 und  mein Herr Christus auch!
 Trotzdem  liebt er mich und lässt mich nie fallen!
 Warum  sollt ich dann je mich oder andere fallen lassen?
 
 
     11. Sonntag n.  Trinitatis 1997 Lukas 18,9-14
  9 Er sagte aber zu einigen, die sich  anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: 10 Es  gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer,  der andere ein Zöllner. 11 Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich  danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger,  Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. 12 Ich faste zweimal in der Woche  und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. 13 Der Zöllner aber  stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an  seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!14 Ich sage euch: Dieser ging  gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht,  der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht  werden. Liebe Gemeinde!Ohne ein Blatt vor den Mund  zu nehmen informiert uns Lukas,
 für welchen Menschentyp Jesu  Gleichnispredigt gemeint ist.
 Zitat: „Jesus sagte aber zu  einigen, die sich einbildeten,
 fromm zu sein, und die andern  verachteten, dies Gleichnis“
 Das hört sich doch eindeutig  so an,
 als ob Jesu Gleichnis, das  ich gleich vorlese,
 für einen bestimmten  Menschentypen gemeint sei.
 Die sollen aufpassen, die andern  können sich genüßlich zurücklehnen.
 Hören Sie sich Jesu  Kurzpredigt einmal an:
 (Textverlesung)
 Das geschieht dem frommen  Kotzbrocken recht,
 dass er bei Gott nicht ankam.
 Unmöglich, wie der angibt.
 Ärgerlich, wie der auf andere  runterschaut.
 Peinlich, wie fromm und  selbstsicher der sich gibt.
 Erlauben Sie mir heute  einmal,
 FÜR den Pharisäer zu sprechen,
 zugegebenermaßen das erste  Mal in meinem Leben.
 Wenn sich alle so  einig ist,
 dass der Pharisäer abstoßend  und der Zöllner vorbildlich ist,
 dann muss man da mal neu  nachdenken,
 dachte ich am Freitagmorgen,  als ich mit der Predigtvorbereitung anfing.
 Denn wo alle sich meinungsmäßig vereinigen,
 die Frommen und die  Nichtfrommen,
 die Reichen und die Armen,
 da ist fast immer etwas faul,
 das ist eine meiner  Grundüberzeugungen.
 Also behaupte ich mal:
 Dem Pharisäer geschieht  Unrecht,
 wenn er so einhellig fertiggemacht wird.
 Sie sind wahrscheinlich ganz  anderer Meinung:Diese fromme Überheblichkeit,  meinen sie,
 die stinkt doch gen Himmel.
 Da ist doch klar, dass sich  Gott die Nase zuhält – igittigitt!
 Und wenn so ein Verlierer  kommt, wie der Zöllner,
 ganz zerknirscht und am Ende,
 da ist doch klar, dass Gottes  väterlich-mütterliches Herz weich wird.
 JA, das ist allgemein  christliches Gedankengut geworden,
 und es ist so wahr und auch –  so grottenfalsch!!
 Wir mischen uns mal mit etwas  Phantasie unter Jesu Zuhörer:Einige Pharisäer-Typen, ein  paar Zöllner-Typen
 und dann die Mehrzahl derer,  die sich weder zu den einen,
 noch zu den andern zählen –  was ja ein Trugschluss sein könnte.
 Da ist unter den Zuhörern  Jesu dieser Kleinhändler.
 Schnürsenkel, Seife,  Schrubber usw.
 Was er nach einem  Zwölf-Stunden-Arbeitstag zusammenkriegt
 ist für seine Familie zu  wenig zum Leben, aber zu viel zum Sterben.
 Gestern musste er nun an der  Zollschranke der Römer vorbei,
 wo der Zöllner ihm das  Vierfache abknöpfte.
 Der Händler fleht:
 Sei barmherzig, heut Abend  hat meine Familie nichts zu essen,
 wenn ich dir so viel zahlen  muss. ( Und das war nicht übertrieben)
 Sei barmherzig – sei einmal  zufrieden mit dem regulären Zoll!
 Aber der Zöllner, sein  Landsmann und Glaubensbruder,
 Kollaborateur mit den verhassten  Römern, meinte eiskalt:
 Das ist dein Problem, nicht meins, und nahm das Vierfache!
 Aber am nächsten Tag im  Tempel nach Barmherzigkeit schreien!
 Passt das? Finden Sie’s noch  immer so gut,wie gut der bei Gott ankommt  und wegkommt?
 Und unser Kleinhändler kommt  nach Hause –
 und bringt nicht genug,
 um eine recht anspruchslose  Familie zu ernähren
 Die Kinder wieder hungrig ins  Bett schicken?
 Du, meint seine Frau, geh zum  Priester in den Tempel,
 der gibt dir was aus der Armenkasse.
 Und woher kommt das Geld in  der Armenkasse?
 Von so Pharisäer-Typen, die  10% ihres Einkommens dafür spenden,
 und das, obwohl deren  Einkommen drastisch geringer ist,
 als das des Zöllners.
 Und diese 10% können sie nur  opfern,
 weil sie keine Konsum-Typen  sind und zweimal wöchentlich fasten.
 Finden Sie es immer noch so  toll, wie Gott die beiden beurteilt?
 Der Zöllner ging angenommen  von Gott in sein Haus,
 der Pharisäer aber nicht!
 Aber geben Sie nur nicht  vorschnell auf! Sie werden sagen:Das Ekelerregende beim  Pharisäer sind ja nicht seine Wohltaten,
 sondern, wie er sich etwas  darauf einbildet,
 dass er sich für besser als  den Zöllner hält !
 Und? Ist er  nicht auch besser?
 Wenn der Pharisäer  ausgebeuteten Mensch hilft
 und der Zöllner der ist, der  sie ausbeutet,
 darf dann der Pharisäer nicht  ganz nüchtern von sich denken:
 Ich bin besser als der.
 Nehmen sie doch mal den  Blickwinkel
 des eben beschriebenen  Händlers ein.
 Wenn Sie der vom Zöllner  Beschissene
 und vom Pharisäer  Unterstützte wären,
 würden Sie dann immer noch  verstehen und gut finden,
 dass Gott den Zöllner, also  Ihren Ausbeuter, annimmt
 und den Pharisäer, also Ihren  Wohltäter, abblitzen lässt???
 Zwei lange Jahrtausende haben  Aber-Millionen von Menschenin Gottesdiensten und im  Religionsunterricht auf den Pharisäer
 runtergeguckt mit dem Gefühl:
 Gott sei Dank bin ich nicht  wie der!
 Eugen Roth hat das knapp und  trefflich so formuliert:
 Ein  Mensch betrachtete einst näher
 die  Fabel von dem Pharisäer,
 der  Gott gedankt voll Heuchelei,
 dafür,  dass er kein Zöllner sei.
 Gottlob!  rief er in eitlem Sinn,
 dass  ich kein Pharisäer bin!
 Und wieder gibt’s einen  Pharisäer mehr auf der Welt.
 Und er hat’s nicht gemerkt.
 Ich möchte nicht wissen,
 wie viele Menschen durch  dieses oberflächlich betrachtete Gleichnis Jesu in Sekundenschnelle zum  Pharisäer wurden,
 ohne auch nur den Schimmer  einer Ahnung
 von dieser gefährlichen  Verwandlung zu haben.
 Sonntagmorgen – 5 vor 10Ein braver Boxberger, damit’s  konkret wird,
 nennen wir ihn Hartmut  Unkenpföter,
 (Lautähnlichkeiten sind  gewollt zufällig!)
 ist auf dem Weg  zur  Wölchinger Kirche,
 das Gesangbuch sichtbar in  der Hand.
 Da sieht er, wie in einem Hof  einer sein Auto wäscht,
 Sonntagmorgen – 5 vor 10, und  er denkt:
 Mensch, das ist doch  allerhand, der hätt’s auch mal wieder nötig,
 in die Kirche zu gehen. Eine  Schande ist das!
 Und der Autowäscher –der  bleibt anonym, weil frei erfunden, denkt:
 Doo guck denn fromme  In’d-Kerch-Schbringer ou,
 der hott’s nöötich.
 Preisfrage: Wieviele  Pharisäer kommen in dieser Geschichte vor?
 Booiiing! Der Kandidat hat  100 Punkte!
 Nächste Preisfrage:
 Wieviele Pharisäer sitzen  heute morgen in dieser Kirche?
 Durchzählen bitte!
 Gegenprobe: Hand hoch, wer  keiner ist! Niemand!
 Dieses könnte der erste  Gottesdienst sein,in dem alle sich für  Pharisäer halten. Ein guter Anfang!
 Letzte Preisfrage:
 Wieviele Zöllner sitzen heute  morgen in dieser Kirche?
 Durchzählen bitte!  Gegenprobe: Hand hoch, wer keiner ist!
 Danke! Spaß muss sein, auch  in der Kirche, oder!?
 Aber jeder hat gemerkt: In dem Spaß ist eine ganze Menge  Ernst versteckt.
 Denn es kann ja jetzt nicht  so weitergehen,
 dass wir mit der Überzeugung,  ALLE Pharisäer zu sein,
 so umgehen, dass wir zum  Motto der Kirche den Slogan ausrufen:
 Ich bin Pharisäer und ich bin  stolz darauf
 und das moderne Psycho-Gesellschaftsspiel
 Ich bin okay, du bist okay!  spielen.
 Das ist uns verwehrt, denn  Jesus sagt klipp und klar:
 Abgelehnt!
 Der Pharisäer wird in der  höchsten und letzten Instanz abgelehnt.
 Eigentlich kann man das auch  verstehen, wenn man bedenkt,
 dass Gott die Liebe  verkörpert und der Pharisäer die Lieblosigkeit.
 Das passt nicht zusammen.
 Ich habe keine Zweifel, dass  das stimmt:
 Alle Pharisäer werden von  Gott abgelehnt.
 Bildlich gesprochen: Alle  Pharisäer kommen in die Hölle.
 Verständlicher: Alle  Pharisäer bleiben in der Gottesferne,
 weil eben Liebe und  Lieblosigkeit wie Feuer und Wasser sind.
 Aber das ist ja zum  Verzweifeln.
 Liebe Gemeinde, das genau  sagt Jesus!
 Werfen Sie einmal
 diesen ganzen gefährlichen  und einschläfernden Wust
 von schein-christlichen  Überzeugungen über Bord.
 Es ist brandgefährlich, zu  meinen, der liebe Gott
 wird uns schon in den Himmel  bringen,
 weil wir doch ab und zu mal  was Gutes tun,
 weil wir uns am 24. Mai 1992  bekehrt haben,
 oder weil wir regelmäßig in  die Kirche gehen.
 Das alles sind keine Einlasskarten  für das Reich Gottes.
 Aber das ist ja zum  Verzweifeln.Ja, das ist es, aber gerade  darin liegt der Schlüssel zum Himmelreich:
 In der Verzweiflung des  Zöllners
 in dem Aufschrei: Gott sei  mir Sünder gnädig.
 Dieser aus tiefster  Verzweiflung kommende Schrei:
 Gott, ohne dich kann ich  nicht mehr,
 der öffnet die Himmelstür,
 der treibt in die Arme des  Retters, täglich und stündlich.
 Diese aus der Verzweiflung  geborene Überzeugung
 hatte der Pharisäer verloren,  das war sein Problem.
 Er brauchte Gott nicht mehr  wie der Verdurstende das Wasser.
 Der Schrei Jesu am Kreuz:
 Mein Gott, mein Gott, warum  hast du mich verlassen,
 wird für uns zu Rettung,
 wenn auch wir in diesen  Schrei aus der Verzweiflung
 über uns selbst einstimmen.
 Das hat der Zöllner getan,
 vor Gott, und nicht vor sich  und in sich verkrümmt,
 und deshalb sagt Jesus:
 Den hat Gott angenommen
 Ich hoffe nur für ihn und  uns,dass dieser Schrei auch am  nächsten und am übernächsten Tag
 noch Teil seines Gebetes war.
 Und der Schrei bleibt ein  echter ungeheuchelter Schrei, täglich,
 wenn wir die Untiefen  pharisäischer Lieblosigkeit in uns
 ungeschönt im Licht Gottes  erkennen – und erschrecken!!.
 Das ist der hohe Preis dafür,
 dass aus der Verzweiflung der  Jubel bricht:
 Ich bin angenommen.
 Amen.
 
 
  12. Sonntag n. Trinitatis  1988Apg. 3, 1-16
  1 Petrus aber und Johannes gingen hinauf  in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. 2 Und es wurde ein  Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür  des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen,  die in den Tempel gingen. 3 Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in  den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen.4 Petrus aber blickte ihn an mit Johannes  und sprach: Sieh uns an! 5 Und er sah sie an und wartete darauf, dass er  etwas von ihnen empfinge. 6 Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich  nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth  steh auf und geh umher! 7 Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und  richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, 8 er sprang  auf, konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang  umher und lobte Gott.9 Und es sah ihn alles Volk umhergehen und  Gott loben. 10 Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor der Schönen  Tür des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und  Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war. 11 Als er sich  aber zu Petrus und Johannes hielt, lief alles Volk zu ihnen in die Halle, die  da heißt Salomos, und sie wunderten sich sehr.12 Als Petrus das sah, sprach er zu dem  Volk: Ihr Männer von Israel, was wundert ihr euch darüber oder was seht ihr auf  uns, als hätten wir durch eigene Kraft oder Frömmigkeit bewirkt, dass dieser  gehen kann? 13 Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unsrer  Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr überantwortet und  verleugnet habt vor Pilatus, als der ihn loslassen wollte. 14 Ihr aber  habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und darum gebeten, dass man euch den  Mörder schenke; 15 aber den Fürsten des Lebens habt ihr getötet. Den hat  Gott auferweckt von den Toten; dessen sind wir Zeugen. 16 Und durch den  Glauben an seinen Namen hat sein Name diesen, den ihr seht und kennt, stark  gemacht; und der Glaube, der durch ihn gewirkt ist, hat diesem die Gesundheit  gegeben vor euer aller Augen.   Liebe  Gemeinde,auf  den ersten Blick scheint das Schicksal
 des  Gelähmten an der Tür des Tempels
 mit  Ihrer und meiner Situation wenig zu tun zu haben.
 Wir  können uns frei bewegen,
 er  aber sitzt fest.
 Wir  sind weithin unabhängig von fremder Hilfe,
 aber  er braucht jene,
 die  ihn zum Ort seines Bettelns bringen
 und  solche, die ihm ihre Almosen geben.
 Wir  fühlen uns manchmal WIE gelähmt,
 er  aber IST es.
 Aber  wie so oft, bleibt der erste Blickan  der Oberfläche,
 dringt  nicht durch auf die Ebenen
 und  in die Dimensionen,
 die  unser Leben zutiefst bestimmen.
 Und  so möchte ich Sie einladen,
 mit  mir zusammen neu hinzuschauen.
 Vielleicht  sind wir dem Gelähmten ähnlicher,
 als  wir ahnen.
 Dann  allerdings könnte es auch für uns
 Ein  Happy End geben.
 Es  könnten einige unter uns
 Auch  bald befreit aufspringen
 Und  Gott loben.
 Das  wäre bewegter und bewegender Gottesdienst.
 Da  sitzt also ein von Geburt an gelähmter MenschAn  der sogenannten schönen Tür des Tempels in Jerusalem.
 Wahrscheinlich  war es ein Tor zum Vorhof des Gotteshauses.
 Man  kennt ihn dort, denn schon viele Jahre lang
 Ist  hier sein Platz, hier VOR dem Tempel.
 Aber  ist hier wirklich sein Platz,
 VOR  dem Gotteshaus?
 Er  sitzt hier zur Gebetszeit,
 lässt  uns Lukas, der Verfasser des Apg. wissen.
 Viele  strömen IN den Tempel,
 um  zu Gott zu beten,
 er  aber sitzt VOR dem Haus Gottes,
 um  Menschen anzubetteln.
 Vor  Menschen betteln
 oder  vor Gott beten.
 Was  bringt mehr, würde der moderne Mensch fragen.
 Und  unser Gelähmter in Jerusalem hat sich gewiss
 vor  Zeiten diese Frage auch noch gestellt,
 aber  seit Jahren hat er sie sich auch beantwortet:
 Ich  hab´s versucht mit dem Beten,
 aber  es hat nichts gebracht.
 Wie  oft habe ich um Heilung gebetet,
 doch  in meinen Gelenken hat sich nichts gerührt.
 Und  auch in seinem Herzen,
 auch  in seinen Erwartungen hat sich bald nichts mehr gerührt.
 So  hat er das Beten eingestellt,
 dafür  sich aufs Betteln eingestellt.
 Betteln  vor dem Gotteshaus
 bringt  greifbarere Erfolge als Beten im Tempel,
 das  ist die Summe seiner Lebenserfahrung.
 Von  Menschen Hilfe erwarten,
 oder  auf Gottes Hilfe warten?
 Unser  Freund in Jerusalem hat gewählt.
 Die  Brocken vom Tisch der Menschen werden sein Brot.
 Vom  Lebensbrot am Tisch Gottes erwartet er
 weder  Kraft noch Heilung.
 Wie  gut wir ihn verstehen können!Wie viele  scheinbar wirkungslose Gebete braucht ein Mensch,
 um  das Beten aufzugeben,
 um  im Betteln aufzugehen?
 Ich  bin sicher,
 jeder  unter uns könnte davon ein trauriges Lied singen.
 So  verständlich, aber auch so traurig,
 weil  wir vom erwartungsvollen Kind vor Gott
 zum  berechnenden Bettler vor Menschen verkommen.
 „Wenn  ihr nicht werdet wie die Kinder,
 SO  könnt ihr nicht ins Reich Gottes kommen“-
 Haben  wir vorhin bei der Taufe gehört.
 Arbeitslos  – ich werde nicht mehr gebraucht.Ehekrise  – ich werde nicht mehr geliebt.
 Jung  – ich werde nicht für voll genommen.
 Alt  – ich werde zur Last für andere.
 Da  bin ich wie gelähmt,
 sagen  wir, wenn wir so etwas erfahren.
 Und  dazu kommt die Lähmung der Erwartungen,
 bei  uns wie bei dem Bettler in Jerusalem,
 und  die ist das wirkliche Leiden,
 das  nach Heilung schreit,
 bei  uns wie bei ihm.
 Regt  sich aber wieder etwas in den Erwartungen,so  bewegt sich bald auch etwas in den Lähmungen unseres Lebens.
 Wunderbar  ist, dass es,
 GOTT  SEI DANK, manchmal geschieht,
 dass  Gott ÜBER ERWARTEN hilft.
 Denn  der Gelähmte,
 und  das ist ein weiteres Zeichen seiner,
 und  vielleicht auch unserer Lähmung,
 erwartet  auch von den beiden Männern Gottes,
 Petrus  und Johannes, NUR Almosen,
 um  in seiner Lähmung zu überleben,
 nicht  aber den REICHTUM GOTTES,
 um  zu leben, wirklich frei und echt zu LEBEN.
 Silber  und Gold habe ich nicht,hört  er von Petrus.
 Das  mag ihn zunächst noch mehr gelähmt haben.
 Die  Enttäuschung!
 Aber:  Was ich habe, das gebe ich dir,
 im  Namen des Auferstandenen,
 steh  auf.
 Weil  da einer aufgestanden istGegen  alle Lähmung von Tod und Teufel,
 gegen  die MUTLOSIGKEIT AUS TAUSEND ENTTÄUSCHTEN HOFFNUNGEN,
 gegen  die Horizontverengung des gesenkten Blicks,
 weil  einer gegen all dies und viel mehr
 aufgestanden  ist,
 STEH  AUF!
 Im  Namen des Auferstandenen, steh auf,du,  der du meinst,
 das  Urteil deiner Lehrer,
 sei  das Urteil über deinen Wert,
 Im  Namen des Auferstandenen, steh auf,
 Du,  der du meinst,
 weil  du gestern versagt hast,
 seist  du ein Versager.
 Im  Namen des Auferstandenen, steh auf,
 ……der  du meinst,
 weil  die da oben bestimmen,
 sei  dein Leben bestimmt
 Im  Namen des Auferstandenen, steh auf,
 …..der  du meinst,
 Almosen  von Menschen erbetteln
 brächte  mehr als Leben von Gott zu erbitten.
 Im  Namen des Auferstandenen
 In  Gottes Namen:
 Steh  auf!
 AMEN
 
 
   12. Sonntag  n.Trinitatis1997 Markus 7,31-3731  Und als er wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus,kam  er durch Sidon an das Galiläische Meer,
 mitten  in das Gebiet der Zehn Städte
 32  Und sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war,
 und  baten ihn, dass er die Hand auf ihn lege.
 33  Und er nahm ihn aus der Menge beiseite
 und  legte ihm die Finger in die Ohren
 und  berührte seine Zunge mit Speichel und
 34  sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm:
 Hefata!,  das heißt: Tu dich auf!
 35  Und sogleich taten sich seine Ohren auf,
 und  die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete richtig.
 36  Und er gebot ihnen, sie sollten's niemandem sagen.
 Je  mehr er's aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus
 37  Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen:
 Er  hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend
 und  die Sprachlosen redend.
 Liebe Gemeinde!Wahrscheinlich hat jeder Mensch Zeiten,
 wo er besonders offen und daher besonders lebendig ist.
 Bei mir sind das die 60er Jahre:
 61 zum Glauben finden
 62 die erste Liebe, die mehr war als ein Anhimmeln aus der  Ferne
 63 Berufswechsel und Beginn des Theologiestudiums
 67 Ausreise nach USA   zum Weiterstudium
 69 Verheiratung mit eben jener ersten Liebe
 Und wahrscheinlich haben auch die meisten Menschen
 ein oder zwei Bereiche,
 aus denen sie wesentliche Interpretationen ihres Lebens  lesen:
 Die Geschichte, die Literatur, die Musik.
 Die war’s bei mir, vor allem die Rock- und Popmusik.
 Wo andere nur von Schrott und Teufelszeug redeten,
 entdeckte ich Juwelen.
 Ein solcher Juwel aus der Rock- und Popmusik der 60er Jahrefiel mir sofort ein, als die Geschichte von der Heilung
 des Taubstummen hörte:
 Da gab’s in den 60ern dieses geniale Duo Simon&Garfunkel
 und von ihnen den Klassiker „Sounds of Silence“
 Ein absolut wunderschönes Stück Musik
 und ein Text der Wahrheit pur liefert.
 Darin geht’s  -wie  oft bei S&G-  um die menschliche  Tragödie
 des Aneinandervorbeiredens, des nichtssagenden Geschwätzes,
 der vielen Worte ohne Bedeutung.
 Und darin kommt die Zeile vor
 -zuerst für alle anwesenden Engländer  und Amis-
 in der Originalsprache:
 People talking without  speaking, people hearing without listening
 zu Deutsch: Menschen reden, ohne was zu sagen
 Menschen hören, ohne zuzuhören.
 Menschen reden, ohne etwas zu sagen,
 Menschen hören, ohne zuzuhören.
 So viele, die das Sagen haben wollen, haben nichts zu  sagen.
 So viele, die sagen: komm erzähl, das interessiert mich,
 hören gar nicht hin.
 Und dann sagen S&G über dieses geräuschvolle Schweigen:
 silence like a cancer grows, es frisst um sich wie Krebs.
 An diesem geräuschvollen Schweigen leiden
 die Taubstummen unserer Tage,
 und Jesus kann und will sie heilen.
 Du bist schon einmal an einem offenen Grab gestanden,hast deine drei Wurf Erde auf den Sarg prasseln lassen,
 oder das Sträußlein Blumen auf ihn geworfen.
 Aber in dir, geneigter Predigthörer und lieber Mitchrist,
 war ein einziger stummer Schrei:
 Ich hätte ihm oder ihr gerne noch so vieles gesagt.
 Wir haben geredet über das Wetter, den Euro
 und die unfähigen Politiker, aber über Wesentliches,
 über das was Menschsein ausmacht oder bedroht,
 darüber haben wir nie geredet.
 Ich habe ihm auch nie gesagt, was er mir bedeutet,
 wie sehr ich ihn mochte, ließ ihn nie teilhaben,
 an dem, was mich wirklich bewegte.
 Und all das kann ich jetzt nie mehr – vorbei!
 Und du fragst dich: Warum?
 Warum blieb ich stumm?
 Und damit hast du dir die Antwort schon gegeben:Du warst mit funktionierenden Stimmbändern stumm!
 Und du sagst: Das wird jetzt anders werden,
 jetzt wird über Wesentliches geredet,
 jetzt werden Gefühle und Zuneigung ausgesprochen,
 den Fehler mach ich nicht nochmal.
 Aber schon nach wenigen Monaten hat sie dich wieder
 die schreckliche und isolierende Krankheit des Stummseins,
 des lärmenden Schweigens.
 Menschen reden, ohne etwas zu sagen
 Menschen hören, ohne zuzuhören
 Und du erschrickst darüber, dass du wieder bist, wie man  ist.
 Und du seufzt: Hefata! Öffne dich!
 Oder du denkst zurück an Zeiten, wo du mit Gott reden konntestwie mit einem guten Freund,
 wo du mindestens einmal am Tag alles vor ihm ausgebreitet  hast.
 das Banale und das welt- und dich bewegende.
 Du warst vor ihm so offen und spontan wie ein Kind.
 Beten war für dich wie Atemholen,
 so natürlich, so spontan, so lebensnotwendig.
 Und wie hast du dich dabei wohlgefühlt,
 nicht nur wenn’s dir gutging, nein, auch, ja gerade,
 wenn’s mal nicht so lief wie du dir das gewünscht hast.
 Du hattest einen Gesprächspartner, der dich verstand.
 Und heute, geneigter Predigthörer und lieber Mitchrist?
 Heute verkehrst du mit Gott in starren Worthülsen
 oder es herrscht die totale Funkstille.
 Und du fragst dich: Was ist los?
 Und du musst dir eingestehen:
 Ich bin stumm! Stumm vor Gott, der Quelle des Lebens!
 Und wieder dieser seufzende Schrei in dir: Hefata! Öffne  dich!
 Aber vielleicht ist es bei dir,geneigter Predigthörer und Mitchrist,
 wie bei den klassischen Taubstummen:
 Die können oft nicht reden, weil sie nicht hören können.
 Stumm weil taub.
 Du kannst ja reden, aber du leidest daran,
 dass dir für das Wesentliche die Stimme fehlt.
 Doch wie kannst du erwarten Wesentliches zu reden,
 wenn du tagein tagaus mit ätzendem Schrott zugedröhnt bist:
 Alles Müller oder was?
 BILD sprach mit dem Toten.
 Johannes B. Kerner, Vera am Mittag, Sonja, Arabella
 und die vielen Talkshows mit nichtssagenden Themen, wie
 Ich bin doof! Du nicht?
 Menschen reden, ohne etwas zu sagen
 Menschen hören, ohne zuzuhören.
 Aber wenn du, geneigter Predigthörer und lieber Mitchrist,nun so ganz für dich meinst:
 Ja, das mit dem Stummsein
 und mit dem Taubsein für das Wesentliche,
 das hat mit mir zu tun, das ist auch meine Krankheit,
 dann bleib um Gottes willen
 nicht in deinem  Problembewusstsein hängen,
 sondern schau mit mir in die Geschichte
 vom geheilten  Taubstummen,
 wie Jesus mit dem umgeht, um ihn zu heilen.
 Warum soll der auferstandene Jesus das nicht auch bei uns  schaffen?
 Zuerst nimmt Jesus den Taubstummen beiseite,nimmt in raus aus der Menge der Menschen.
 Der muss raus aus der einsamen Masse.
 weg von denen, die taubstumm sind wie er, ohne es zu  wissen.
 Und übertragen auf uns:
 Wie sollen nichtssagende Schwätzer genesen,
 wenn sie unter nichtssagenden Schwätzern bleiben.
 Wenn du plötzlich ins Krankenhaus musst,
 wenn du deine Arbeit verlierst,
 dann sind das Tragödien, die keiner schönreden darf.
 Aber es stimmt auch: Jetzt ist deine Chance,
 nachzudenken, zum Wesentlichen zu kommen
 mit den Deinen zu reden und mit Gott.
 In der Krise bist du beiseite genommen.
 Die meisten Neuanfänge passieren in der Krise,
 warum also diese panische Angst vor ihr.
 Wenn’s bei dir kriselt und bröckelt und bröselt,
 vielleicht ist das nur die Fassade
 hinter der du ersticken könntest
 und die dir die Wahrnehmung nimmt für alles Wesentliche,
 für Liebe und für Wahrheit.
 Hefata! Öffne dich!
 Und dann berührt Jesus die Ohren und die Zunge des Taubstummen mit Speichel.
 Brrhhh – du wirst dich schütteln, wenn du an den Speichel
 eines Fremden auf deiner Zunge denkst.
 Mit Geduld und Spucke!
 Aber mal ehrlich, mein geneigter Predigthörer und lieber  Mitchrist:
 Damals am offenen Grab, verzweifelt über dein elendes  Stummsein,
 wenn da ein Vertrauenswürdiger dir gesagt hätte:
 Dieses Unangenehme, das bringt deine Heilung,
 das öffnet deine Rede für Wesentliches, hättest du  abgelehnt?
 Es geht hier wohl kaum um Speichel oder nicht Speichel,
 sondern um die Frage: Ist dein Leidensdruck schon groß  genug?
 Willst du wirklich heil werden, um jeden Preis.
 Mag sein, dass du noch einiges mitmachen musst,
 an Einsamkeit und zerbrechenden Beziehungen,
 bevor du schreist, bedingungslos schreist: Hefata! Tu dich  auf!
 Und dann das Größte im Umgang Jesu mit dem Taubstummen:Er seufzt für ihn! Der Taubstumme kann’s ja nicht selbst!
 Er wäre gnadenlos überfordert.
 Vielleicht hätte er   auch gar nicht die Richtung gewusst,
 für einen effektiven  Seufzer.
 Aber Jesus seufzt für ihn und er weiß die Richtung,
 damit der Seufzer nicht wirkungslos verhallt.
 Jesus seufzt für den Taubstummen zum Vater,
 zu dem, dem nichts fremd ist, der echt versteht
 und den du mit nichts schocken kannst.
 Der seufzt auch für uns geschwätzige Stumme.
 Das Wahrhabenwollen ist christlicher Glaube.
 Nimms wahr! und man wird bald über dich sagen
 wie über  den  Taubstummen in der Bibel:
 Und seine Zunge löste sich und er redete richtig!
 Amen.
 
 
   13. Sonntag n. Trinitatis  1988Genesis 4, 1-16
  1 Und Adam erkannte seine Frau Eva, und  sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen  mit Hilfe des HERRN. 2 Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel  wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.3 Es begab sich aber nach etlicher Zeit,  dass Kain dem HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes. 4 Und auch  Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR  sah gnädig an Abel und sein Opfer, 5 aber Kain und sein Opfer sah er nicht  gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick. 6 Da  sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick?  7 Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick  erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach  dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie. 8 Da sprach Kain zu  seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf  dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.9 Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein  Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?  10 Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders  schreit zu mir von der Erde. 11 Und nun: Verflucht seist du auf der Erde,  die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen.  12 Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag  nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.13 Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine  Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte. 14 Siehe, du treibst  mich heute vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss  unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich totschlägt,  wer mich findet. 15 Aber der HERR sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain  totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der HERR machte ein  Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände. 16 So ging  Kain hinweg von dem Angesicht des HERRN und wohnte im Lande Nod, jenseits von  Eden, gegen Osten.   Wer  die ersten Seiten seiner Bibel aufschlägt, und  diese zunächst so fernen Bilder auf sich wirken lässt,
 dem drängt sich  immer wieder der Eindruck auf:
 „So  isses“ oder „So isser“ – der Mensch.
 Adam  und Eva werden plötzlich zu Spiegelbildern,
 in  denen ich mich selbst erkenne,
 als  der, dem das Streben, sein zu wollen wie Gott nicht fremd ist.
 Die  Turmbauer zu Babel,
 die  sich einen Namen machen wollen
 aus  Angst vor der Bedeutungslosigkeit,
 werden  meine Brüder, weil ich diese Angst auch kenne.
 Und  in den erlittenen Folgen dieser Angst,
 nicht  mehr sinnvoll miteinander reden zu können,
 werden  sie meine Leidensbrüder.
 Wo  ist dein Bruder? Wo ist deine Schwester?Du kannst sie kennen lernen in den Gestalten  der Urgeschichte
 in  Gen. 1 bis 11.
 Adam  heißt Mensch, Eva heißt Leben, Kain heißt Speer,
 und  Abel heißt Hauch, Babel heißt Verwirrung
 die verwirrten  Türmlesbauer von Babel
 sie alle sind deine Schwestern und Brüder,
 die  dir den Spiegel vorhalten.
 Hier  geht’s um den Menschen und sein Leben,
 als  Täter und Opfer
 als  gründlich Verwirrte zur Kommunikation unfähig.
 Erkennst  du dich in ihnen wieder und bekennst: So  isses!?
 Kain,  der Speer, und Abel, der Hauch.
 In  wem erkennst du dich heute wieder?
 Bist  du heute der, der mit Worten, spitz wie Speere,
 den  andern verletzt, sein Schreien aber nicht hört.
 Denn  nicht nur Blut schreit zu Gott,
 sondern  auch die gequälte Seele deines Bruders, deiner Schwester. Ehrfurcht vor dem  Leben
 ist eben  nicht bloß Ehrfurcht vor Leib und Blut,
 sondern  auch Ehrfurcht vor einer verletzlichen Seele.
 Oder  erkennst du dich heute in Abel, dem Hauch,
 der  zwar Gott auf seiner Seite glaubt, aber so unheimlich eingeengt,
 in die Ecke gedrängt ist, so gefährdet,  überfahren zu werden.
 Wer  bist du heute?
 Der  gefährliche Kain, der Speer, oder der gefährdete Abel, der Hauch?
 Die Antwort  fällt dir schwer, 
  weil  du ein ehrlicher und selbstkritischer Mensch bist:
 Du  weißt: Ich bin Kain UND Abel.
 Ich  bin gefährlich und gefährdet.
 Ich  verletze und bin verletzlich.
 Ich  gehe über Leichen und…werde übergangen.
 Ja,  du bist Kain und Abel, denn du bist jenseits von Eden.
 Du bist nicht mehr im Garten der Lust, in  Eden,
 sondern  im Lande Nod, im Land der Unstetigkeit.
 Du bist nicht mehr in Harmonie mit der  Schöpfung,
 du  verletzt sie und sie verletzt dich.
 Du  zerstörst die Ozonschicht und einige von denen,
 die  nach dir kommen, deine Nächsten, sterben an Hautkrebs.
 Du bist jenseits von Eden, im Lande Nod, im  Lande der Unstetigkeit.
 Darum bist du auch nicht mehr in Harmonie mit  dir selbst. Du  bist gespalten in Kain und Abel.
 Zuweilen  bist du dein eigener Kain,
 du  verletzt dich selbst, du gefährdest dein Leben,
 du  gefährdest deine eigene Seele,
 du  gefährdest sie durch Unterernährung,
 weil  nur noch das Haben zählt und das Sein verkümmert.
 Du  bist jenseits von Eden, jenseits von Harmonie, auch  in deiner Beziehung zu deinem Schöpfer.
 Er  erscheint dir manchmal wie ein willkürliches Monster.
 „Und  der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer,
 aber  Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an.“
 Unter  dem Eindruck stehst du jenseits von Eden.
 Und  du bist immer Kain, denn du siehst an dein Leben und du siehst: Ich komme zu  kurz.
 Ich  komme nicht so an.
 Ich  werde übergangen.
 Meine Mühen zahlen sich nicht aus.
 Meine  Opfer an Zeit und Phantasie werden nicht gewürdigt.
 Du  siehst dich immer als Kain,
 im  Schatten der Ungerechtigkeit und der Vergeblichkeit.
 Und  dein Nächster ist aus deiner Sicht immer Abel.
 Der kommt an, manchmal sogar ohne sich zu  mühen.
 Dem fliegen Sympathien geradeso zu.
 Und  wenn du jetzt all dies mit Gott in Verbindung bringst,
 dann wird er zum willkürlichen Despoten,
 zum  fratzenhaften Monster,
 das aus unerklärlichen Gründen deinen Bruder  begünstigt,
 und dich benachteiligt.
 So  siehst du das, jenseits von Eden,
 im  Lande Nod, im Land der Unstetigkeit.
 So siehst du das, jenseits von Eden.
 Aber  ist es auch wirklich so? Kain  will es so sehen, daher senkt er finster seinen Blick.
 Das,  was er jetzt so sieht, wie er es sieht, will er weiter so sehen.
 Das  soll sich nicht durch neue Eindrücke korrigieren.
 Er  will nicht klagend aufblicken zu dem scheinbar ungerechten Gott
 und er will  auch nicht mehr vergewissernd
 auf  seinen Bruder Abel schauen,
 ob  da wirklich nur Segen und kein Fluch,
 ob  da wirklich nur Licht und kein Schatten zu entdecken sind.
 Und  Kain senkte finster den Blick. Wo ist dein Bruder? O  Kain, wenn du jetzt deinen Blick gesenkt hältst,
 wenn  du jetzt deinen Bruder nicht neu anschaust,
 dann  verletzt du ihn tödlich, schon jetzt und ohne Waffe.
 Dann  erstickst du ihn in dem Image, das du von ihm machst.
 O  Kain, wenn du jetzt deinen Blick gesenkt hältst,
 dann  bleibt dir verborgen, wie ähnlich ihr einander seid.
 Dann  fliegen unaufhörlich
 die  Speere von Projektion und Gegenprojektion.
 Dabei  bist du Kain UND Abel und dein Bruder ist Abel UND du.
 Lässt  du ihn als Feinbild verkümmern,
 verkümmerst  du mit.
 Lernst  du aber ihn lieben, lernst du auch dich lieben.
 O  Kain, wenn du jetzt deinen Blick gesenkt hältst,
 dann  bleibt dir das Bild des Schöpfers
 als  Zerrbild einer Fratze eingeprägt.
 Und  es wird dich prägen, du wirst zum Zerrbild, zur Fratze.
 Drum schau auf.
 Klage,  stöhne, beschwer dich, aber schau auf!
 Weine, lamentiere, ja, fluche, wenn du musst,  aber:
 Schau  auf zu Gott.
 Denn  aufschauen zu Gott ist der Anfang der Ehrfurcht
 vor dem Leben deiner  verletzlichen Brüdern und Schwestern.
 Senk  nicht finster deinen Blick,
 sondern  schau auf in das verletzliche Antlitz Christi,
 das  mit dir und für dich leidet.
 In  seinem Zeichen wirst du leben – auch jenseits von Eden.
 Amen
 
 
     13. Sonntag n. Trinitatis  1989Matthäus 6, 1-61 Habt  Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen  gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.2 Wenn  du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die  Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten  gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.  3 Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was  die rechte tut, 4 damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der  in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.
 5 Und  wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den  Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten  gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.  6 Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu  und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das  Verborgene sieht, wird dir's vergelten.
   Sie  erwarten heute nach dem Hören des Predigttexteswahrscheinlich eine Predigt über Geld,
 über  seine Gefahren und Chancen.
 Aber  da machten wir es uns zu einfach,
 denn  es geht Jesus um viel mehr.
 Er  spricht uns auf das Intimleben unseres Glaubens an.
 Wir  benutzen das Wort Intimleben fast ausschließlich dann,
 wenn  es um Sex geht.
 Und  dahin gehört es auch, aber nicht nur dahin.
 Es  ist gut und wohltuend,
 dass  die schönsten Bereiche unseres Lebens geschützt sind
 vor  dem Zugriff anderer.
 Da  hat keiner reinzureden, reinzuglotzen,
 das  geht keinen was an, nur die, die sich lieben,
 wenn  sie sich denn lieben.
 Und  wer dennoch meint, daraus ein Spektakel
 machen  zu müssen, wer das Intime nach außen kehrt,
 wer  darin Zuschauer braucht,
 der  ist ein Exhibtionist,
 und  zeigt damit nichts als seine bedauernswerte Armut.
 Und  so sei das auch mit dem Glauben, sagt Jesus.
 Matthäus  fasst im 6. Kapitel seines Evangeliums
 Worte  Jesu über drei sichtbare Auswirkungen
 des Glaubens zusammen,
 die  aber nach Jesu Wort nicht auf ein Publikum zielen,
 sondern  sich allein vor Gottes Augen abspielen sollen.
 Zunächst  spricht er die aus dem Glauben wachsenden Wohltaten an,so  ist das griechische Wort
 hinter  dem deutschen Begriff Almosen besser übersetzt.
 Um  Wohltaten geht’s,
 unser  Verhältnis zum Nächsten ist angesprochen.
 Danach  geht’s ums Gebet, also um unsere Beziehung zu Gott,
 und  wie sie sich äußert.
 Und  schließlich eine dritte Auswirkung des Glaubens:
 Das  Fasten - wie geht der Glaubende mit sich selber um,
 das  Verhältnis zu sich selbst.
 Und  jedes Mal betont Jesus:
 Macht  kein Theater daraus,
 weder  aus euren Wohltaten, noch aus dem Gebet
 und  auch nicht aus eurer freiwilligen Selbsteinschränkung.
 (Die  entsprechenden Verse zitieren)
 Da  steht zweimal im Griechischen Urtext „Theathenei“ -
 sie  hören deutlich: Daher kommt unser Wort Theater.
 Jesus  warnt tatsächlich vor frommen Theater.
 Habt  acht auf eure Frömmigkeit,
 übersetzt  Luther den Satz in Vers 1, der alles überschreibt als Thema.
 Habt  Acht auf eure Frömmigkeit.
 Jesus  lädt uns als Meister in seine Schule ein.
 Ich  möchte gern in seine Schule gehen, gerne von ihm lernen.Denn  ich finde ihn einfach gut,
 und  wenn er sagt: Habt acht,
 dann  glaube ich, dass sich das Hinhören lohnt.
 Hab  acht auf deine Frömmigkeit!Da  steht eigentlich das Wort Gerechtigkeit.
 Hab  acht auf deine Gerechtigkeit!
 Vom  Alten Testament her versteht Jesus als frommer Jude das so:
 Gerecht  ist einer, wenn er berechtigten Erwartungen
 in  seinen Beziehungen gerecht wird.
 Ein  Vater ist z.B. gerecht, wenn er Zeit
 und  nicht nur Knete für seine Kinder hat,
 denn ihn brauchen seine Kinder - und nicht Ersatz,
 und  deshalb dürfen sie seine persönliche Zuwendung erwarten.
 Gerecht  ist jemand, der berechtigte Erwartungen erfüllt.
 Beziehungen  gerecht werden, das ist Gerechtigkeitund  letztlich ist das echte Frömmigkeit.
 Aber  habt Acht, sagt Jesus,
 nicht  nur dass einer Beziehungen gerecht wird ist wichtig,
 sondern  auch wie und warum!
 Das  Wohltats-Motiv ist ebenso wichtig wie die Wohltat.
 Wir  denken manchmal:
 Hauptsach,  was Gutes wird getan!
 Und  kümmern uns dann zu wenig um das Warum hinter dem Tun.
 Das  ist eine typische Macher-Einstellung.
 Das  andere Extrem sind die Zaghaften:
 Sie  kommen nie zum Handeln,
 weil  sie immer meinen, ihre Motive seien nicht rein genug.
 Warum  ist Jesus das Wohltats-Motiv so wichtig?Stellen  wir uns doch noch einmal kurz den eben erwähnten Vater vor,
 der  keine Zeit für seine Kinder hat,
 oder  zutreffender gesagt, sich keine für sie nimmt.
 Aber  jetzt hat sich der Pfarrer zu Besuch angesagt,
 weil  der älteste Sohn konfirmiert werden soll.
 Der  Pfarrer wird um 8 Uhr abends erwartet
 und  ab ½ 8 sieht man den Vater
 mit  den zwei Kleineren spielend auf dem Teppich liegen.
 Die  freuen sich unheimlich,
 endlich  der Papa und kein Ersatz!
 Aber  der Konfirmand kriegt Brechreiz,
 ihm  wird speiübel wegen dieses Theaters.
 Von  außen betrachtet ist der spielende Vater
 seinen  Kindern und ihren Erwartungen gerecht geworden,
 aber  eigentlich hat er sie benutzt, ja ausgebeutet,
 und  der Sohn reagiert mit seiner Abscheu normal und angemessen,
 denn  Menschen benutzt man nicht.
 Wohltaten!  Nichts Schöneres, sagt Jesus,aber  kein Theater, keine Schauspieler,
 da  geht zu viel kaputt:
 Zum  einen im „wohltuenden“ Schauspieler,
 der  unter der Maske
 mehr  und mehr seine Lebendigkeit erstickt.
 Es  geht zu viel kaputt!
 Zum  andern in den Objekten der scheinbaren Wohltat,
 denn  sie fühlen meist, was ihnen angetan wird,
 selbst  wenn sie es nicht wissen.
 Es  geht zu viel kaputt.
 Auch  in denen, die notgedrungen Zuschauer werden:
 In  ihnen stirbt langsam aber sicher die Achtung,
 von  der alle Beziehungen leben.
 Wohltaten!  Nichts Schöneres, sagt Jesus,aber  ihre exhibitionistische Zurschaustellung
 schafft  nichts als grenzenlose Armut.
 Denn  der hat ja gekriegt, was er will.
 Als  der Pfarrer kurz nach 8 Uhr das Haus betritt
 ruft  der begeistert aus:
 Das  gibt es noch, Sie spielen mit ihren Kindern,
 wo  sie doch diese zeitraubende und verantwortungsvolle Position haben!
 Da  hat unser Theater-Vater ja was er will.
 So  sieht es Jesus auch:
 Die  Heuchler, sagt er, die haben ihren Lohn schon gehabt.
 Wenn  das alles ist, was sie wollen,
 wenn  sie damit zufrieden sind, bitte!
 Gott  drängt seinen Reichtum niemandem auf,
 weder  jetzt noch später.
 Und  so wird wachsende innere Armut das  Problem der Wohltats-Schauspieler.
 Und  das wird zum Teufelskreis:
 Je  größer die Armut,
 desto  irrer werden die verzweifelten Versuche,
 die  Armut zu verstecken im Wohltats-Theater.
 Und  die Selbstachtung sinkt.
 Jetzt  ist die Versuchung des Predigers groß,sich  selbst und seine Hörer auf den Röntgentisch zu legen,
 und  sein und der Gemeinde Handeln
 nach  den Motiven zu durchleuchten.
 So  nach dem Motto:
 Liebe  Leute, lasst uns unser Engagement
 in  der Paul-Gerhardt-Gemeinde nach den Beweggründen abklopfen.
 Doch  darin läge die Gefahr,
 wieder  zu selbstverkrümmt und ichbezogen
 für  sich selbst zum Zuschauer zu werden,
 eine  Nabelschau zu treiben, die nur Verzweiflung als Ende kennt.
 Und  es könnte ein Schauspiel daraus werden,
 und  das duldet die Intimsphäre des Glaubens nicht.
 Wie  Röntgenstrahlen könnte das gefährlich sein,
 wenn  von Menschen dosiert wird.
 Die  Dosierung ist Gottes Sache.
 Entscheidender  als solche Röntgentherapieist  doch die Frage nach dem Impuls,
 der  hilft, aus dem Teufelskreis von innerer Armut
 und  äußerlichem Schauspiel auszubrechen.
 Der  Impuls ist der Vater im Himmel,
 so  sieht es Jesus.
 Nur  vor dem himmlischen Vater bleibt Selbstkritik hilfreich,
 weil  man gleich in der schmerzhaften Kritik die Hilfe ahnt.
 Einen  vom Arzt zugefügten Schmerz kann man aushalten,
 ja,  man sucht ihn.
 Vor  Gott kann ich mir meine Theater-Manieren eingestehen,
 denn  das weiß ich:
 Er  will und kann sie kurieren,
 ohne  mich unnötig zu traktieren.
 Und  ein Zweites:Nur  selbst erfahrende Wohltat
 macht  wohltuend frei für spielerische, aber nicht gespielte Wohltat.
 Der  Vater im Himmel ist der Lohn des Glaubenden.
 Da  sitzen wir 50 oder 60 Paul-Gerhardtianer
 heute  morgen im Gottesdienst.
 Gott  dient uns:
 Mit  froh- und getrost machenden Liedern,
 mit  der Möglichkeit, ganz offen mit ihm zu reden
 mit  dem Angebot
 von  seinem liebenswerten Sohn Jesus zu lernen.
 Er  dient uns.
 Er  tut uns gut.
 Und  er tat es auch in der Vergangenheit.
 Jeder  könnte von Gottes Wohltaten ein Lied singen:
 Es  wird ihnen und mir gut tun.
 LOBE  DEN HERRN MEINE SEELE
 UND  VERGISS NICHT,
 WAS  ER DIR GUTES GETAN HAT.
 Sich  darauf konzentrieren,
 diesen  Vers immer wieder meditieren,
 vielleicht  mit geschlossenen Augen - wenn Ihnen das hilft.
 „Lobe  den Herren meine Seele, und vergiss nicht,
 wie  er dir wohlgetan hat.
 Das  tut wohl und macht spielend frei für Wohltaten,
 die  wir alle so dringend brauchen.
 LOBE  DEN HERRN MEINE SEELE
 UND  VERGISS NICHT,
 WAS  ER DIR GUTES GETAN HAT.
 Amen
 
 
   14. Sonntag nach  Trinitatis 2002Johannes 5,1-18 1  Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem.2  Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf hebräisch  Betesda. Dort sind fünf Hallen;
 3  in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte
 »Sie  warteten darauf, dass sich das Wasser bewegte. 4 Denn der Engel des Herrn fuhr  von Zeit zu Zeit herab in den Teich und bewegte das Wasser. (So glaubte man)  Wer nun zuerst hineinstieg, nachdem sich das Wasser bewegt hatte, der wurde  gesund, an welcher Krankheit er auch litt.«
 5  Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank.
 6  Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte,  spricht er zu ihm: Willst du gesund werden?
 7  Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den  Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt  ein anderer vor mir hinein.
 8  Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin!
 9  Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war  aber an dem Tag Sabbat.
 10  Da sprachen die Juden zu dem, der gesund geworden war: Es ist heute Sabbat; du  darfst dein Bett nicht tragen.
 11  Er antwortete ihnen: Der mich gesund gemacht hat, sprach zu mir: Nimm dein Bett  und geh hin!
 12  Da fragten sie ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir gesagt hat: Nimm dein Bett  und geh hin?
 13  Der aber gesund geworden war, wusste nicht, wer es war; denn Jesus war  entwichen, da so viel Volk an dem Ort war.
 14  Danach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund  geworden;  sündige hinfort nicht mehr,  dass dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre.
 15  Der Mensch ging hin und berichtete den Juden, es sei Jesus, der ihn gesund  gemacht habe.
 16  Darum verfolgten die Juden Jesus, weil er dies am Sabbat getan hatte.
 17  Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke  auch.
 18  Darum  trachteten die Juden noch viel  mehr danach, ihn zu töten, weil er nicht allein den Sabbat brach, sondern auch  sagte, Gott sei sein Vater, und machte sich selbst Gott gleich.
 Liebe Gemeinde,wie einer aufstand gegen sein Festgelegtsein,
 so könnte man diese Geschichte
 aus dem Johannes-Evangelium überschreiben.
 Aber dann hätte man den vergessen,
 der dem Festgelegten zu seinem Aufstand verhalf.
 Also besser: Wie Jesus mit einem Festgelegten den Aufstand  probte.
 Ja, da war mehr als ein „Auf-der-Matte-liegen“,
 da war ein Festgelegtsein, wie wir bald sehen werden.
 Und da war auch mehr als ein Aufstehen,
 da war ein Austand, wie wir auch noch sehen werden.
 Und da war mehr als Religion und Volksglaube,
 da war Jesus,
 wie wir auch so oft Festgelegten hoffentlich heute sehen  lernen.
 Und da war schließlich kein einmaliger Aufstand,sondern eher eine Probe.
 Eine Probe für das, was hier und heute geschehen kann,
 wenn der Auferstandene sich als Sieger
 über alles und jedes Festgelegtsein zeigt.
 Jerusalem rüstet sich für ein Fest,aber so viele haben keinen Grund zum Feiern,
 denn sie liegen fest
 und für die Festgelegten wird ein Fest
 zum alles aufwühlenden Stachel.
 Zu Festzeiten leiden die Festgelegten besonders:
 Der Kontrast zwischen ihrer Not
 und der Forderung, sich zu freuen und zu feiern,
 ist eben auch zu deutlich.
 Ach ja, festgelegt, wie oft fühlen wir uns festgelegt,und keiner kann uns aus diesem isolierten und zementierten  Dasein herausholen.
 Festgelegt durch die Sicht unserer Mitmenschen:
 „Der ist halt so,
 das hat er von seinem Vater geerbt, der war auch schon so.
 Da ändert sich auch nix mehr, der ist aus dem Alter raus.
 Der muss so schwätzen, das gehört zu seiner Rolle.“
 Festgelegt, auch in dem, wie wir uns selber sehen,  resigniert:
 „Und kriegt der A.... auch Falten, wir bleiben doch die  Alten.“
 Und können Sie und ich ganz sicher sein,
 dass wir manchmal nicht am Festgelegtsein festhalten?
 Das Jammern-Wollen, das Kokettieren mit den Problemen,
 das Seufzen über die Zwänge, weil man Verantwortung scheut.
 Aber wer kann befreien
 vom Festgelegtsein aufs Festgelegtsein?
 Der Volksglaube schafft das nicht:Da liegen die Kranken an riesigen Wasserbecken
 und man erzählt sich, dass gesund wird,
 wer zuerst im Wasser ist, wenn es sich bewegt.
 38 Jahre lang klammert sich einer schon an diese wackelige  Hoffnung.
 Aber wer will es ihm verübeln.
 In der Not sucht man selbst im Aberglauben Hoffnung –
 Hoffnung „Auf-Teufel-komm-raus“!
 Aber der kommt nicht raus, der steckt noch ganz massiv  drin.
 Das zeigt sich, wenn man sich die vergiftete Atmosphäre  vorstellt,
 dort am Teich Bethesda, im sogenannten „Haus der  Barmherzigkeit“:
 Von Barmherzigkeit kann wohl kaum die Rede sein,
 denn Gesundstoßen kann sich, wer den andern wegstößt
 oder ihn einfach liegen lässt.
 So sind die Regeln, wo jeder für sich alleine glaubt,
 wo der Mitleidende zum mitleidslosen Konkurrenten wird,
 wo die körperliche Krankheit
 zum Zeichen für seelische Vergiftung wird.
 Wie fromm sich diese „Auf-Teufel-komm-raus“-Hoffnung auch  kleidet,
 sie muss ihren Bankrott offenbaren in der Klage:
 Ich habe keinen Menschen!
 Da glaubt jeder für sich,
 da hofft jeder für sich,
 da liebt jeder – sich!
 Jeder bleibt in tödlich-teuflischer Isolation,
 auch wenn er mitten unter Menschen ist,
 auch wenn sie alle im gleichen Boot sind
 und eigentlich Verständnis füreinander haben müssten.
 Jeder bleibt festgelegt, weil man an bewegte Wasser,
 oder an den unbewegten Beweger der Philosophen,
 aber nicht an den bewegten Beweger glaubt.
 Ich habe keinen Menschen.Ein Satz, der unter die Haut geht.
 Ein Satz den viele nachfühlen, aber kaum einer nachsprechen  kann.
 Der kommt schwer über die Lippen,
 gerade wenn man offensichtlich Menschen „hat“:
 Ehepartner, Kinder, Freunde, Kollegen ...
 Trotzdem: Ich habe keinen Menschen??
 Da sind doch Menschen!
 Was aber, wenn die auch alle festliegen,
 festliegen in dem Zwang, zuerst dran zu sein,
 vielleicht sogar fromm festgelegt sind,
 zuerst dran zu sein – bei Gott??!
 Solcher (Aber)Glaube lässt allein.
 Jede bleibt des andern Wolf.
 Ich habe keinen Menschen.
 Hatten die langen 38 Jahre diesen Satz
 aus dem Festgelegten herausbrechen lassen?
 War das Maß einfach voll?
 Nein, Jesus hat ihn zum Aussprechen dieses Bekenntnisses  befähigt.
 Seine zunächst so eigenartige, scheinbar total überflüssige  Frage
 „Willst du gesund werden“,
 die gab den Anstoß.
 Nicht irgendwelche Behinderung ist des Gelähmten größtes  Leiden.
 „Ich habe keinen Menschen“ – daran geht er zugrunde.
 Das muss er wenigstens einmal so sehen,
 das muss er wenigstens einmal aussprechen,
 so ganz ohne Selbsttäuschung,
 so ganz ohne eine rosarot eingefärbte fromme Brille.
 Das ganze fromme System
 von Engelglaube und Wasserbewegung hat versagt:
 Es ließ ihn festgelegt – 38 Jahre lang,
 38 Jahre Wüste – so nah am Wasser.
 Man kann auch 38 Jahre lang in die Kirche gehen –und festgelegt bleiben.
 Man kann bei allen möglichen kirchlichen Aktivitäten  mitmachen:
 Ältestenkreis, Besuchsdienst und anderes ,
 und dennoch dieses verdammt hartnäckige Gefühl:
 Ich habe keinen Menschen.
 Ich bin festgelegt.
 „Willst du gesund werden?“
 Der Behinderte am Teich Bethesda gesteht sich ein:
 Mein ganzes religiöses System hat versagt,
 meine Hoffnungen haben getrogen,
 mein Glaube war Aberglaube,
 erfahrene Liebe war letztlich kruder Egoismus.
 Aber da steht JETZT einer vor ihm,
 vor dem kann er sich das alles eingestehen.
 Da steht jetzt einer vor ihm,
 der macht ihm keine Vorwürfe
 wegen seiner Selbsttäuschung.
 Der reibt ihm nicht unter die Nase,
 dass er verkehrt geglaubt hat,
 dass er vielleicht sogar nicht einmal
 wirklich hat gesund werden wollen.
 Und weil der so total ohne Vorwürfe vor ihm steht,kann er sich eingestehen, was sein tiefstes Problem war:
 Er hat immer Menschen angebettelt,
 die doch alle selbst Bettler waren.
 Er hat Zuwendung von solchen erwartet,
 die selbst danach gehungert und darum gebettelt haben.
 Er hat Heilung erwartet von solchen, die doch selbst  heillos waren.
 Er hat darum andere immer maßlos überfordert –
 und sie ihn.
 Das alles kann er jetzt sehen,  einsehen und –
 davon absehen, wegsehen, davon nicht mehr gebannt sein,
 denn da steht der vor ihm, der ihm nichts vorwirft,
 der ihn nicht wieder auf seine Vergangenheit festlegt.
 Er hört von ihm kein „Du hättest...“,
 auch kein „Du solltest....“,
 sondern nur JETZT , jetzt steh auf,
 steh auf gegen alle Festlegungen,
 steh auf gegen alle „Auf-Teufel-komm-raus“-Hoffnungen,
 steh auf gegen dein Betteln von Bettlern
 und.....
 schwelge im Reichtum von Gottes Freigiebigkeit!
 Mach mit bei Gottes Aufstand gegen alle Festlegungen.
 Diesen Aufstand proben – täglich – das ist christlicher  Glaube.
 Denn Christus hat ihm ja nicht einfach seine alten  Hoffnungen erfüllt,
 hat ihn nicht in den Teich getragen,
 so wie er sich das 38 Jahre lang erträumt hat.
 Manchmal muss man aufstehen:
 Gegen die alten zerschlissenen Hoffnungen,
 die nichts als Illusionen waren.
 Manchmal muss man aufstehen:
 Von den gewohnten Grundlagen, die so bequem waren,
 weil sie die eigene Verantwortung leugneten.
 Manchmal muss man aufstehen:
 Gegen die eigenen Festlegungen und die der anderen  Festgelegten.
 Und da ist einer, nur einer,
 der uns diese Art Aufstand glaubhaft proben lässt:
 Der Auferstandene, der gegen den Festleger aller Festleger,
 den Tod, aufgestanden ist.
 Der kann einem sogar raten:
 Nimm deine Pritsche,
 nimm das Zeichen deines Festgelegtseins,
 nimm‘s , und trag’s als Zeichen des Festes deiner  Befreiung.
 Vielleicht kriegt so noch mancher Lust auf diese Art  Aufstand.
 Aber da ist natürlich gleich ein Gegenaufstand:
 Für alle Buchstaben-Religiösen gibt es nichts Störenderesals einen Befreiten,
 als einen, der auf alle tödlichen Festlegungen fröhlich  pfeift.
 Solange der Gelähmte festlag,  war er denen egal,
 da hat er ihr System nicht gestört, da konnten sie für ihn  beten.
 Aber jetzt, wo er nicht festlag,
 sondern fest feiern wollte und Grund dazu hatte,
 das Fest der Festlegungsbefreiung zu feiern,
 jetzt soll er wieder auf Buchstaben und Paragraphen  festgelegt werden.
 „Am Sabbat trägt man sein Leid, aber nicht das Zeichen der  Befreiung!“
 Zynismus pur!
 Wie pervers ist doch dieser religiöse Typ.
 Und wie wohltuend ist dagegen doch der Christus-Glaube:
 Der Sonntag ist der Tag der Auferstehung,
 der Tag, wo im Gottesdienst der Aufstand geprobt wird,
 gegen den Buchstaben und für den Geist kindlicher Freiheit,
 gegen die Illusionen und für begründete Hoffnung,
 gegen den Tod in allen seinen Varianten
 und für das Leben in seiner Vielfalt,
 gegen die Herren und für den HERRN.
 Und eben dieser HERR,
 der Herr auch über den Tod jetzt und dann,
 der rät dem Aufgestandenen:
 Sündige nicht mehr!
 Das heißt: Lasst euch nicht mehr festlegen,
 weder auf abergläubische Illusionen,
 noch auf Gott und Menschen verachtende Paragraphen,
 weder auf das versäumte Gestern noch auf das ängstigende  Morgen.
 Jetzt
 jetzt steh auf!
 Du tust dann nur, was der Auferstandene bereits getan hat.
 Jetzt steh auf.
 Du tust nur das, wofür er es getan hat.
 Jetzt steh auf,
 und die Klage „Ich habe keinen Menschen“
 wird in den Jubel verwandelt:
 „Ich habe Menschen gefunden“
 Denn Aufständische finden immer Gesinnungsgenossen
 im und durch den Auferstandenen.
 Und das feiern Christen jeden Sonntag.
 AMEN
 
 
   18. Sonntag n. Trinitatis  1991 - 
  Markus 12,28-34
  28 Und es trat zu ihm einer von den  Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Und  als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das  höchste Gebot von allen? 29 Jesus aber antwortete ihm: Das höchste Gebot  ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und  du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele,  von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften« (5.Mose 6,4-5). 31 Das  andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose  19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm:  Meister, du hast wahrhaftig recht geredet! Er ist nur einer, und ist kein  anderer außer ihm; 33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt  und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr  als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 34 Als Jesus aber sah, dass er  verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes.  Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen. Liebe  Mitchristin,lieber Mitchrist,
 wenn Krücken knicken
 und Fassaden fallen
 dann fängst Du wieder an, Fragen zu stellen,
 Fragen wie dieser Schriftgelehrte, der zu Jesus kam.
 Fragen nach dem, was wirklich zählt
 Fragen nach der Mitte
 Frage nach den Prioritäten, sagt man heute in Neudeutsch.
 Du  bist ganz schön weit gekommen mit Deinen Krücken,mit den Dingen an die Du Dich klammerst,
 die Dich aufrecht halten, Dir Selbstwert vermitteln:
 Da ist das Häusle, für das Du geschuftet hast,
 die Vorzeige-Familie, in der alles in Ordnung ist,
 die Position, auf die Du stolz sein kannst.
 Sei dankbar für das alles,
 lass  es Dir von keinem madig machen
 aber
 bleib  wach und offen
 wenn  etwas passiert, das Dich fragen lässt:
 Ist das alles , oder gibt es Höheres, Zentraleres?
 
 Für  solche Fragen gibt's viele Auslöser:
 Vielleicht hast Du morgens in der Zeitung
 die Todesanzeige gesehen
 von  einem aus Deinem Jahrgang.
 Ersticke nicht Deine Betroffenheit,
 sondern gib Deinen Fragen Raum!
 Vielleicht ist in Deinem Freundeskreis
 eine Ehe zerbrochen.
 Rede  Dir nicht auf Teufel-komm-raus ein,
 das könne Dir nicht passieren.
 Lass getrost alles zu was Dich fragen macht
 lass es ganz cool zu,
 wenn  Haus und Position Dir plötzlich als Krücken erscheinen
 wenn die Fassade Deiner Rechtschaffenheit bröckelt,
 denn in Deinen Fragen nach Letztgültigem
 nach Bleibendem, nach Ewigem,
 da winkt die Freiheit vom Gelebtwerden
 und Leben, das den Namen verdient,
 kommt Dir zum Greifen nahe.
 Aber  dann greif auch zu!Lass  die Fragen rumoren
 aber  bleib nicht an und in ihnen hängen!
 Fragen verlangen nach Antworten.
 Bleib nicht der ewige Frager um des Fragens willen
 sondern such Antworten.
 Aber  wo?
 Es  ist recht selten, dass Du Dir die Antwort selbst geben kannst,wenn Deine Frage echt und existentiell ist,
 wenn sie etwas betrifft, was unbedingt angeht,
 wie es der Theologe Paul Tillich formuliert hat.
 Unser  Mitfrager, der Schriftgelehrte aus dem heutigen Evangelium,
 sucht  die Antwort bei einem,
 den seine Kollegen geradezu hassen.
 Die  stellen Jesus zwar auch Fragen, aber es sind Fangfragen
 es  sind rhetorische Fragen,
 Aber  er hat den Mut, auszuscheren aus seiner Zunft,Fraktionszwang  akzeptiert er nicht,
 er  riskiert es, Jesus zu fragen, echt zu fragen.
 Ich  habe keine Ahnung, lieber Mitchrist,
 wie  es Dir mit diesem Jesus geht,
 ob  Du zu ihm gehen würdest mit Deinen Fragen.
 Ob er Dir genügend vertrauenswürdig, sympathisch
 und  lebenserfahren wäre.
 Aber  vielleicht geht es Dir wie den meisten,
 die ich kenne:
 Jesus  mag zwar in manchem etwas steil,
 extrem, außergewöhnlich oder einseitig sein,
 aber sympathisch ist er sogar den meisten
 meiner Berufsschüler in Mosbach,
 die sich sonst nicht als fromm verstehen.
 Lass  Dich eben mal für ein paar Minuten darauf ein,
 auf seine Antwort zu hören.
 Du hast ja immer noch die Freiheit,
 was er sagt, als Antwort für Dich abzulehnen.
 Die Freiheit lässt er Dir, garantiert,
 denn geistige Vergewaltigung war noch nie sein Stil,
 das haben erst seine machthungrigen Nachläufer eingeführt.
 Einseitig,  einzigartig, ja einfältig
 ist seine Antwort auf Deine Frage
 nach dem Höchsten, dem Zentralsten:
 LIEBE
 Liebe in allen Beziehungen:
 zu Gott, meinem Mitmenschen und zu mir selbst.
 Das sei das Wesentliche
 gegenüber dem alles andere
 zweitrangig oder abgeleitet sei.
 LIEBE
 Mag  sein, dass Du jetzt innerlich abschnallst,
 weil  Dir dies Thema entweder zu abstrakt
 oder  zu sentimental erscheint.
 Mag  aber auch sein,
 dass  du das Thema innerlich abhakst:
 Das  weiß ich schon -
 nichts  Neues!
 Dann  lass Dir allerdings sagen:
 Es geht nicht ums Wissen
 sondern ums Tun
 und zum andern:
 Das Schicksal Jesu beweist,
 dass  er Liebe weder abstrakt noch sentimental verstand,
 sonst wäre er mit 84 im Bett
 und  nicht mit 30 am Kreuz gestorben.
 Seine  Liebe ist ihm teuer zu stehen gekommen,
 weil sie so konkret, so direkt und unverbogen war.
 Wenn er also von Liebe spricht,
 dann  meint er keinen schwülstigen Gefühlsschwall,
 sondern  ein parteiergreifendes und freiheitseröffnendes Handeln,
 das  sich an der Not des Nächsten
 und  nicht an meinen Gefühlen orientiert.
 Erlaube  mir, dass ich nun konkret werde,dass  ich direkt etwas anspreche,
 was  dieser Tage allen sensiblen Menschen auf der Seele brennt:
 Stichwort Hoyerswerda und anderswo
 Wenn's  um Nächstenliebe ging,
 war  Jesus so konkret, dass er die
 anstößige  story erzählte von einem,
 der  unter die Räuber fiel
 und  halbtot am Wegrand liegenblieb.
 Zwei  Fromme gehen aus guten Gründen,
 aber  eben eiskalt, vorbei.
 Ein  Samariter, fast ein Ausländer, ein Andersgläubiger,
 der hält, macht sich dreckig, nimmt Ausgaben auf sich,
 versorgt ihn.
 Der,  der Samariter ist zum Nächsten geworden
 hat  Nächstenliebe geübt, sagt Jesus.
 Was  er wohl zu Hoyerswerda sagt?Lass  mich konkret bleiben:
 Laß  mich die Geschichte von Jajanath erzählen,
 er ist Tamile und wohnte in Sri Lanka(Ceylon).
 Als ich ihn traf, sah ich die Brandwunden an seinen Armen.
 Singhalesischer Mob hatte sein Geschäft angezündet,
 nur weil er der tamilischen Minderheit angehörte.
 Tausende tamilischer Geschäfte wurden 1983 und danach
 so  niedergebrannt.
 Regierungstruppen  schützten die Brandstifter.
 Jajanath's  Frau hat man mehrfach vergewaltigt und dannviehisch umgebracht.
 Als er mir das alles und mehr erzählt
 1984 auf einer Straße in Kandy,
 da zittert er, denn die Erinnerungen sind schrecklich,
 und die Zukunft ist schrecklich,
 denn jeden Tag kann es wieder losgehen.
 Er bettelt, er hat nichts mehr außer den
 grauenhaften Erinnerungen und der nackten Angst.
 Kommt  Jajanath aber nach Hoyerswerda
 oder in den Bahnhof von Boxberg-Wölchingen
 dann ist er nur ein Asylant,
 manche nennen ihn Wirtschaftsflüchtling,
 manche nennen ihn Vieh,
 wie am vergangenen Mittwoch es einer in der TV-Sendung
 "Im Brenpunkt" tat.
 Aber keiner kennt seine Geschichte,
 keiner will sie kennen,
 sonst könnte man ihn ja nicht mehr mit diesen
 üblen Etiketten versehen.
 Schau!  Nächstenliebe heißt ganz nüchtern:Einen und sein Schicksal näher kommen lassen.
 Immer  nur einen, nie die ganze entmutigende Masse.
 Einen  auf Boxbergs oder Wölchingens Straßen ansprechen,
 so  wie Du Deinen Nachbarn ansprichst:
 S'is  koold häut, gell!
 Un  for de Auslänner übersetscht halt:
 Es ist ein wenig kalt heute, nichtwahr.
 Vielleicht lässt er Dich wissen,
 dass er immer friert, auch im Sommer, innerlich!
 Oder einen der seelisch Kranken aus dem Altenheim ansprechen
 Vielleicht kommt ein stockendes Gespräch in Gang.
 Vielleicht hörst Du seine Geschichte.
 Vielleicht werdet ihr Freunde.
 Eins aber ist sicher:
 Nie  wieder wirst Du pauschal
 über  die in der Klapsmühl oder die Asylante reden können.
 Nächstenliebe heißt: Einen und sein Schicksal anhören,
 betreffen lassen, betroffen werden, mitleiden.
 Das kannst Du tun,
 Deine  Gefühle ändern sich hinterher.
 Aber  die ändern sich wirklich, und das ist Deine Belohnung:
 Für Dein banales, aber mutiges
 "S'is  koold häut" in Hochdeutschübersetzung
 wird Dich einer lieben und verehren,
 wird  Dich von weitem grüßen,
 wird  Dir etwas aus seiner Heimat schenken
 und Du... Du wirst dieses eigenartige,
 wohltuende  wärmende Gefühl in Dir spüren -
 und dann is nimmi koold.
 Und  Du wirst merken,
 dass  Du gar nicht der sture Hund bist,
 für  den Du dich hieltest,
 dass  Du gar nicht so verklemmt bist
 wie  Du immer meintest.
 Du  wirst Dich wieder ein bisschen mehr lieben können,
 weil da zwischen Dir und einem Mitgeschöpf Gottes
 der Teufelskreis der Vorurteile gewendet
 und ein Gotteskreis der Nächstenliebe lebendig wurde.
 Und Deine Prioritäten werden sich ändern, ganz langsam:
 Das  Höchste sind nicht mehr Haus und Posten,
 sondern  Liebe, konkret und auf Bedürftigkeit bezogen.
 Du  brauchst keine Krücken mehr, du kannst gehen - frei
 und  Du brauchst keine Fassaden mehr,
 Du  hast ein neues Gesicht, ja eine Vision.
 Und  plötzlich wirst Du glauben können,
 dass  auch Dir gilt, was Jesus dem Schriftgelehrten sagte:
 Du  bist nicht fern vom Reich Gottes,
 denn  Du bist in die Nähe Jesu gerückt,
 und  diesen in ihm
 sichtbar werdenden sympathischen Gott wirst Du lieben können
 ohne Krampf, von ganzem Herzen.
 Angst  vor Gott,
 Angst  vor dem Ausländer,
 Angst  vor Dir selbst
 werden  zu Fremdworten werden,
 das  wünsche ich Dir und mir.
 Amen.
 
 
 
  18. Sonntag n. Trinitatis 1981Markus 10, 17-27
  17 Und als er sich auf den Weg machte,  lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was  soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? 18 Aber Jesus sprach zu  ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. 19 Du kennst  die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht  stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben;  ehre Vater und Mutter.«20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das  habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf. 21 Und Jesus sah ihn an und  gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was  du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und  komm und folge mir nach! 22 Er aber wurde unmutig über das Wort und ging  traurig davon; denn er hatte viele Güter.23 Und Jesus sah um sich und sprach zu  seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!  24 Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete  wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist's, ins Reich Gottes  zu kommen! 25 Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als  dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. 26 Sie entsetzten sich aber noch  viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden? 27 Jesus  aber sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist's unmöglich, aber nicht bei  Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott iebe  Gemeinde,der  Verhaltensforscher Konrad Lorenz
 hat  in einem lesenswerten Buch
 „Die  acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“
 solche  Verhaltensweisen zusammengetragen und erläutert,
 die  den Menschen letztendlich kaputtmachen.
 Die  vierte Todsünde nennt er, des Menschen Wettlauf mit sich selbst. Er zeigt aus  dem Bereich der Natur,
 wie  Konkurrenz zwischen den Arten diese lebensfähiger macht.
 Ohne  Katzen und andere Feinde wäre die Maus wohl nicht so flink. Wenn eine Art aber  mit sich selbst in den Wettbewerb tritt,
 so  führt das in vielen Fällen
 zu  erschreckend abträglichen Entwicklungen.
  Lorenz zeigt dies am Beispiel des Argusfasans: Ähnlich  wie beim Pfau herrscht bei den Argusfasanen
 zur  Zeit der Balz (Paarung) Damenwahl.
 Das  Weibchen sucht sich den Partner,
 der  die schönsten Schwungfedern hat.
 So  stehen also die Fortpflanzungsaussichten des Argusfasans
 in einem ziemlich geraden Verhältnis zu der  Stärke des Reizes,
 den  sein Balzorgan, seine Schwungfedern, auf die Hennen ausübt.
 In dieser Spannung durch den Wettbewerb der  Art mit sich selbst, ändert sich das Erbgut:
 Die Schwungfedern werden länger und länger,
 der  Argusfasan kann dadurch den Weibchen besser imponieren.
 Aber: Er kann kaum noch fliegen!
 Die  überlangen Federn sind ihm im Weg.
 Sein  Imponiergehabe macht ihn nahezu flugunfähig.
 Armer  Argusfasan!
 Dem  Boden verhaftet – eigentlich zum Fliegen geschaffen!
 Gebunden  und behindert – ursprünglich aber leicht und frei!
 Armer  Argusfasan! Tragisches Schicksal!
 Ein  junger Mensch mit ähnlichem Schicksal sucht Jesus auf.Ein junger Mensch – zum Himmel berufen, aber  der Erde verhaftet! Ein junger Mensch – für die Ewigkeit geschaffen,
 aber  der Zeitlichkeit verfallen!
 Ein  junger Mensch – Lösung – Erlösung –Freiheit –
 seine  Berufung und – seine Sehnsucht,
 aber  seine Erfahrung sind Gebundenheit und lähmende Schwere.
 Ein  junger Mensch – kein eingefleischter Materialist.
 Nein – an Gott glaubend, seine Gebote  befolgend,
 ewiges  Leben suchend!
 Sein  Vater ebenfalls fromm, ebenfalls reich, meint:
 „Danke  Gott für Deinen Reichtum!
 Deine  Sparbücher, deine Liegenschaften,
 sie  halten dir den Rücken frei,
 sie  nehmen dir das Sorgen vor dem Morgen,
 sie  ermöglichen dir, Wohltäter zu sein.
 Danke  Gott dafür.“
  Aber dem Sohn fällt das Danken schwer. Er  ist nicht undankbar – nein!
 Aber  er hat das Gefühl, als ob sein Vermögen seine Sorgen,
 seinen  Stress nur vermehrte.
 Er  merkt nichts von freiem Rücken! Reichtum verpflichtet!
 Aber  unter diesen Pflichten leidet er, unter dem Druck,
 sich entsprechend zu kleiden, sich  standesgemäß zu geben,
 das Vermögen zu mehren und zu sichern,
 er  wirft sich vor,
 nur aus einem verkrampften Pflichtgefühl  heraus Wohltäter zu sein, nicht aus Liebe, Barmherzigkeit und Zuneigung.
 Ein  junger Mensch, die Berufung des ewigen Gottes verspürend – unter den  behindernden zeitlichen Zwängen leidend.
  Von Jesus hat er gehört, auch von Leuten, die  ihm folgten, von  Leuten, die sich von Bindungen befreiten,
 von  Leuten, die wieder fliegen –
 Verzeihung,  die wieder leben lernten.
 Leben mit Richtung und Sinn,
 Leben  vom Gesandten des ewigen Gottes zur Ewigkeit befreit.
 Er  begegnete getrosten Leuten, gewiss gemachten Leuten, Leuten  mit einem Schatz im Himmel.
 Ihrem  Lehrmeister will er begegnen,
 von  ihm will er das Geheimnis ewigen Lebens erfahren.
 Jesus verweist ihn auf die Gebote.
 Mit  offenem Blick sieht der junge Mann Jesus an –
 mit  gutem Gewissen antwortet er:
 „Meister,  das alles habe ich gehalten, von Jugend an!“
 Das  ist echt, das ist rührend, kein heuchlerischer Krampf,
 keine oberflächliche Selbsttäuschung!
 Jesus  gewinnt ihn lieb, er liebt dieses Echte, Gerade.
 Er  liebt diese Sehnsucht nach Befreiung.
 Er  will diesen Durst nach ewigem, nach echtem Leben stillen.
 Er  will ihm die Tür zeigen, die es aufzustoßen gilt,
 Jesus  will ihm den Ballast zeigen, der auf ihm lastet – zeigen,
 nicht  nehmen!
 Jesus  will ihn
 auf  die überlangen Imponierfedern aufmerksam machen,
 die  ihn daran hindern, sich frei zu machen,
 die ihn ans Sein mit mangelnden Dimensionen  binden.
  Jesus ruft: In die Nachfolge – auf den Weg des  Lebens!Jesus lockt: Mit dem Schatz im Himmel
 (hierauf  müsste der reiche junge Mann anzusprechen sein).
 Jesus rät: Verkaufe, was Du hast!
 Jesus deckt auf: Den Armen hilft Dein  Reichtum, dir aber schadet er!
 Also mache ein Geschäft, bei dem alle nur  gewinnen können!
 Aber  die hoffnungsvolle Begegnung wird  zur gescheiterten Berufung.
 Er  wird kein weiterer Apostel, den wir von Kirchenfenstern,
 vielleicht  aber auch von biblischen Büchern kennen könnten.
 Was  hätte er, der einstmals am Reichtum hängende,
 aber  dann befreite,
 uns,  den am Überfluss erstickenden nicht alles sagen können.
 Seine  Briefe wären evtl. heute bedeutsamer
 als  die des Völkerapostels Paulus.
 Aber  die Berufung scheitert, die lästigen Federn, die Schwungfedern, die keinen  Schwung mehr geben, sie sind einfach zu schön, zu  gewohnt, zu imponierend, um so rigoros beschnitten zu werden. Vielleicht war er  sich doch nicht ganz im Klaren,
 dass  ihm die Imponierfedern der Zeitlichkeit
 doch  wichtiger und gewohnter waren als die Schwingen der Ewigkeit – vom Sohn Gottes  verheißen.
 In  der konkreten Entscheidungssituation wird erschreckend deutlich, dass seine  Habseligkeiten stärker zogen als die Seligkeit. So  kehrt er eben zu diesen Habseligkeiten zurück,
 aber  in dieser Wendung erfährt er keine Seligkeit,
 kein  Glück, keine Erfüllung, keine Befreiung.
 Er  ist niedergeschlagen und traurig.
 Bonjour  tristesse ist sein letztes Wort in seiner Begegnung
 mit  dem, der freudiges, ewiges Leben anbietet.
 Auch  Jesus ist tief bewegt.
 Es  bricht aus ihm heraus:
 Wie  schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!
 Kein  Lehrsatz! Jesus doziert nicht! Aber  der traurige Abschied des jungen Menschen tut ihm weh!
 Er hatte ihn lieb gewonnen! Wie schwer….!
 Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein  Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.
   Wie  schwer sind sie doch, die im Überfluss leben!! Wie  unbeweglich, wie gebunden, wie erdverhaftet!
 Suchet,  was droben ist!
 Trachtet  am ersten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit. Sie hören es, machen  ein paar müde Flügelbewegungen
 und  geben niedergeschlagen und traurig auf.
 Traurigkeit  und Niedergeschlagenheit –
 das  deprimierende Schicksal derer im Überfluss.
 Sie  haben und wollen mehr, als sie zum Leben brauchen –
 aber  paradoxerweise ist ihnen gerade deshalb
 der  Weg zum Leben versperrt.
 Die  Berufung des jungen Menschen im Überfluss und  aus dem Überfluss ist gescheitert.
 Im  Licht der Ewigkeit ist er eine gescheiterte Existenz.
 Zu  Hause hört er sich wieder
 des  Vaters Lob – und Dankreden auf den Überfluss an.
 Fromme  Reden – aber im Überfluss  - eben  überflüssige Reden.
 Hat der Sohn je wieder das Fliegen probiert?
 Nun  ist er also doch noch in die heiligen Schriften eingegangen,aber in welch traurigem Zusammenhang!
 Die  Geschichte vom reichen Jüngling macht die Runden
 in  den ersten Gemeinden Jesu Christi.
 Sie  wird weiter erzählt.
 Für  viele der ersten Christen ist es keine anstößige,
 keine  angriffige Geschichte,
 denn  das Problem des Überflusses hatten wenige unter ihnen.
 Wenn  sie das Wort Jesu vom beinahe unmöglichen Zugang
 der  Reichen zum Reich Gottes hörten,
 so  dachten sie an die Begüterten außerhalb der Gemeinde.
 Aber  nicht nur an sie,
 denn  es gab auch in den eigenen Reihen solche,
 die  sich einen gewissen Luxus leisten konnten.
 Und  die diskutierten das Wort Jesu über die Reichen unaufhörlich!
 Kann man dies Wort so stehen lassen?
 Hat  Jesus es wirklich so gemeint?
 Man  kann doch auch begütert sein und trotzdem Jesus nachfolgen, trotzdem ins Reich  Gottes eingehen, trotzdem ewiges Leben erlangen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein  Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.
 Die  Diskussionen entbrennen auch an diesem Wort „Nadelöhr“. Vielleicht hat Jesus damit  ein so genanntes kleines Tor
 in  Jerusalem gemeint?
 Wir  Reichen wollen auch ins Reich Gottes. Es muss möglich sein!
 Bei  Gott sind alle Dinge möglich!
 Sind  das die Stimmen,
 die  im zweiten Teil unseres Predigttextes zu Wort kommen?
 Hören  wir vielleicht hier nicht die Stimmen Jesu
 und  der ersten Jünger,
 sondern die der zweiten oder dritten  Generation?
 Das  Evangelium nach Markus wurde ja erst Jahrzehnte nach Jesu Tod und Auferstehung  niedergeschrieben.Warum sollte Jesus sein radikales Wort von  Kamel und Nadelöhr beinahe im selben Atemzug so abschwächen
 und  auf Gottes Möglichkeiten verweisen?
 Sonst  ließ er seine radikale Botschaft
 doch  auch in ihrer ganzen Radikalität stehen (Beispiele).
 Es  ist doch ohnehin klar,
 dass  der Eingang ins Reich Gottes
 nicht im Bereich menschlichen Wollens und  Vollbringens liegt.
 Die  Reichen wie die Armen
 sind  von Gottes heimsuchendem Liebeswillen abhängig.
 Was  soll also dieses Wort an dieser Stelle?
 Und  warum sollten die ersten Jünger, die ja alles aufgegeben hatten, also in  keinster Weise im Überfluss lebten,
 warum  sollten sie so abgrundtief erschrecken
 über  Jesu Wort im Überfluss und seinen furchtbaren Folgen?
 Die  Frage also ist, ob  wir hier schon im NT
 eine  Jesu Wort abschwächende Diskussion miterleben.
 Viele  Bibelkenner glauben das,
 es  weisen noch andere Umstände darauf hin.
 Die  Diskussionen um Jesu hartes Wort vom Überfluss
 und vom verfehlten ewigen Leben
 gingen  weiter durch die Jahrhunderte.
 Am heftigsten  wird diskutiert zu Zeiten und in Gruppen,
 in denen Überfluss herrscht.
 Es wird diskutiert in Pfarrkonventen und  Jugendkreisen,
 in Seminaren und Familien.
 Und,  liebe Gemeinde, Hand auf´s Herz, sind  nicht auch wir geneigt,
 nach  kurzem und oberflächlichem Erschrecken
 uns  wieder zu erholen,
 und  in frommer Manier den letzten Satz des Predigttextes zu zitieren: Bei Gott sind  alle Dinge möglich –
 um  dann bequem in die Bank zurückzusinken
 und  ohne Änderung von Sinn und Lebensstil weiterzuwursteln, letztendlich traurig  und niedergeschlagen?!
 Am  Boden bleibend –
 sich  nicht erhebend in neue, ewige Dimensionen!
 Lebenshunger – aber mit Brechreiz in der  Seele!
 Von  Wohltaten redend –
 aber  widerwillig überflüssige Reste verteilend.
 Das  freisprengende Dynamit dieses Angebotes Jesu
 zerdiskutierend
 (Alles  verkaufen – das kann doch nicht gemeint sein).
  Kein Text zum Diskutieren. Es  kommen ja doch nur faule Ausreden heraus.
 Anleitung  zum Fliegen!
 Die  auf den Herren harren, kriegen neue Kraft,
 dass  sie auffahren mit Flügeln wie Adler.
 Nachfolger  Jesu sind keine lahmen Argusfasane.
 Ihnen liegt am Fliegen, nicht am Imponieren.
 Der  Schatz im Himmel lockt.
 Lasst  doch die frommen Schwätzer einen teuren Orientteppich kaufen – der Jünger Jesu  gibt etwas her für Gottes arme geplünderte Erde
 und  kauft sich eine Wärmepumpe,
 auch  wenn sie sich in hundert Jahren nicht amortisiert.
 Macht  doch teure Reisen in ferne Länder –
 der  Jünger Jesu finanziert einen lebensnotwendigen Brunnen –
 auch  in fernen Ländern.
 Lasst  doch die im Überfluss lebenden
 sich  ausgefallene und überflüssige Klunker suchen:
 Einer  fehlt ihm noch – ein Steinchen von einem anderen Stern!!!
 Der  Jünger Jesu wird Christi Wort „Eins fehlt dir noch“
 nicht  los.
 Er diskutiert nicht weg – aber den Ballast  seines Lebens wird er los.  Gezogen von  Gottes Ruf zu ewigem Leben,
 wirfst  er manchen Plunder über Bord
 und stellt erleichtert fest: I
 ch  hab nichts verloren, sondern gewonnen.
 In  diese Erfahrung ruft der lebendige Christus.
 Es  ist kein Befehl,
 sondern  ein Chancen eröffnender liebevoller Ruf.
 Das  ist unsere Berufung –
 soll  sie scheitern wie beim reichen Jüngling?
 Soll  sie scheitern an unseren erdverhafteten Ausreden?
 Sollen  wir die Ewigkeit verfehlen?
 Nur  wegen lumpiger, vergänglicher und überflüssiger Nichtigkeiten?
 
 
   21. Sonntag n.  Trinitatis 2006Jeremia 29, 1,4-7,10-14
4 So spricht der HERR Zebaoth, der Gott  Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen  lassen: 5 Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre  Früchte; 6 nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure  Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären;  mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. 7 Suchet der Stadt Bestes,  dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's  ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl.10 Denn  so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch  heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder  an diesen Ort bringe. 11 Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über  euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass  ich euch gebe das Ende, des ihr wartet. 12 Und ihr werdet mich anrufen und  hingehen und mich bitten und ich will euch erhören. 13 Ihr werdet mich  suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet,  14 so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will  eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen  Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an  diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.
 Sein  Lebensanfang signalisierte schon:Hier bist du nicht willkommen, hier ist kein Platz für dich.
 Mit 12 benahm er sich befremdlich, folgte seinen Eltern nicht,
 wurde von Ihnen nicht verstanden, diskutierte mit Theologen.
 Noch mehr ins Abseits geriet er,
 als er Wasser zu Wein wandelte und nicht umgekehrt,
 als er die Frommen
 getünchte  Gräber und Schlangenbrut nannte,
 und als er meinte, Gott sei wichtiger als Gesetze.
 Und als er dann eine Ehebrecherin in Schutz nahm,
 Frauen als seine theologischen Schüler zuließ
 und sich weigerte,
 ein  politischer Befreier für sein unterdrücktes Volk zu werden
 Da  war es nur verständlich,
 dass  man diesen beunruhigenden Fremden loswurde,
 ihn zum Kriminellen stempelte und umbrachte,
 vorher noch verraten durch eine Kuss
 und verleugnet von einem großmauligen Schüler.
 0  Jesus, du warst ein Fremder in unserer Welt,kaum jemand machte sich die Mühe, dich zu verstehen,
 wer dir zujubelte tat es aus Gründen,
 die mit dir und deinen Ideen nichts zu tun hatten,
 Zuneigung  fandest du nur
 bei  Gescheiterten und kindlichen Gemütern.
 „Er  kam in sein Eigentum,
 aber  die Seinen nahmen ihn nicht auf"
 Ein  befremdlicher Fremder
 erleidet  die Bedingungen der Fremde.
 Das  ging so weit, dass er den Schrei ausstieß:Mein  Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
 Und  diesen Fremden verehren wir als unsern Herrn -
 Befremdlich,  wo wir’s doch sonst nicht so mit Fremden haben.
 Gut  600 Jahre vorher war  beinahe sein ganzes Volk in der Fremde,
 im  sog. Babylonischen Exil.
 Nebukadnezar hatte es satt, dass dieses kleine Völkchen
 immer wieder die Seiten wechselte:
 Einmal  wollten sie den Schutz der Ägypter gegen die
 Babylonier, dann wieder umgekehrt.
 Und  der babyl. König besetzte nicht das Land zur Strafe,
 sondern  deportierte seine Einwohner nach Babylon,
 in  zwei Wellen, erst die Oberschicht, dann das gemeine Volk.
 Und  dort saßen sie an den Wassern von Babylon,
 wie  Boney M das erfolgreich besangen, und litten.
 Sie  litten in der Fremde, an der Fremde,
 hatten  zwar viel Freiheit dort,
 wollten  oder konnten diese aber kaum mit Leben füllen:
 Die  Fremde lähmte sie in allen möglichen Bereichen,
 auf  alle möglichen Weisen.
 Und  da kommt ein Brief von einem Mann namens Jeremia.
 Und der Brief fängt steil an:
 „So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels"
 (Text  verlesen)
 Jeremia  sagt also nicht: Mein Tipp für euch im Exil wäreauch  nicht: Die Lage fordert dies und das
 und  schon gar nicht: Überlegt mal selbst .
 Nein - „So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels"
 Das ist eindeutig - Zweifel unerwünscht.
 Baut Häuser, pflanzt Gärten, zeugt Kinder!
 Richtet euch ein für längere Zeit -‑
 ihr bleibt ein ganzes Menschenleben in der Fremde.
 Klare Worte, Worte des Sprachrohrs Gottes, des Propheten.
 Wie gut hatten die es damals, so möchte man denken:
 Wer wirklich Gottes Willen wissen wollte,
 der musste nur auf seine Propheten hören.
 Aber heute scheint alles komplexer und verwirrender.
 Lassen  Sie uns mal nachdenken:
 Wir sind hier zusammengekommen, um Gottes Wort zu hören,
 so sagt man doch, oder nicht?
 Als biblischer Text ist uns für den heutigen Sonntag das
 prophetische Wort des Jeremia gegeben, das Wort Gottes.
 Also hören wir auf die Worte des alten Propheten.
 Und? Haben wir dann Gottes Wort gehört?
 Wissen wir danach Gottes Willen, für uns, für heute?
 Sollen  wir die Worte des Jeremia einfach 1:1 umsetzen?
 Wenn da steht: Baut Häuser, pflanzt Gärten, zeugt Kinder,
 dann dies einfach tun? Ist dann Gottes Wille erfüllt?
 Oder suchen wir uns einfach den Vers aus, wo es heißt:
 Ich habe Gedanken des Friedens über euch!
 Das passt immer, das tut immer gut, meinen viele.
 Aber ist es auch immer das, was Gott uns jetzt sagen will?
 Der  macht's heute aber kompliziert, seufzt mancher jetzt.Und was ist, wenn ich's nicht kompliziert MACHE?
 Wenn es schon immer kompliziert war?
 
 Stellen Sie sich vor,
 selbst in Jeremias Tagen war es nicht einfacher als heute.
 Da gab es nämlich zeitgleich mit Jeremia einen,
 der sagte auch: „So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels"
 genau wie Jeremia, aber er predigte das genaue Gegenteil!
 Er hieß Hananja, sagte, die Zeit in der Fremde sei bald vorbei,
 Konsequenz: Richtet euch nicht ein in der Fremde,
 haltet euch startbereit für eine baldige Heimkehr.
 Und wer von beiden ist nun Sprachrohr Gottes,
 wer von beiden verkündet Gottes Willen?
 Wir  brauchen die Daimler-Teststrecke, die einen!Wir dürfen sie nicht bauen, die andern.
 Ich habe das damals nur aus der Ferne mitbekommen,
 aber ich hatte manchmal den Eindruck,
 dass beide Seiten Gott auf IHRER Seite wähnten.
 Oder  hat gar keiner danach gefragt,
 wirklich  gefragt, bereit, die EINE Wahrheit zu suchen?
 Ja,  man kann für jede Meinung Belege in der Bibel finden.
 Nicht,  weil die Bibel so ein konfuses Sammelsurium wäre,
 sondern  weil unsere Herzen und Sinne so verkorkst sind,
 interessengeschädigt,  den kurzfristigen Erfolg im Visier,
 die  langfristigen Konsequenzen verdrängend.
 Wenn  wir also herausfinden wollen,was  Jeremias Worte für uns heute bedeuten,
 so müssen wir wohl fragen,
 ob auch wir in einer Babylonischen Gefangenschaft,
 in der Fremde sind.
 Offensichtliche sind wir heute im buchstäblichen Sinne
 nicht  in der Fremde.
 daher kann realer Häuserbau und Familienplanung wohl kaum
 das Gebot der Stunde aus diesem Jeremia-Text sein.
 Es  könnte sein, dass wir tatsächlich in einer Art babylonischerGefangenschaft  existieren, das ist meine Befürchtung.
 Aber  unsere heutige Gefangenschaft, unsere heutige Fremde
 ist  ganz anderer Art, als die Israels vor 2600 Jahren.
 Was  mich seit Jahren umtreibt,
 ist  die Beobachtung, dass Jesus in seiner doch fromm
 geprägten Welt ein Fremdkörper war,
 wir  aber heute als Christen nicht Außenseiter sind
 und schon gar nicht verfolgt werden.
 Wir  verstehen uns als Nachfolger Jesu Christi,aber  hieße das nicht, dass dann auch unser Schicksal
 Fremdsein,  Benachteiligung und eine Art Mobbing sein müsste?
 Das  ist aber nicht der Fall.
 Woran  könnte das liegen?
 Weil  ich nicht mehr viel Zeit habe,möchte  ich nur kurz eine mögliche Erklärung andeuten,
 und Sie können, wenn Sie wollen,
 zuhause  weiter darüber nachdenken.
 Ich  befürchte, dass bei uns niemand mehr Gottes Willen sucht,
 mit der Bereitschaft, ihn auch zu TUN.
 Ich befürchte, dass auch wer die Bibel kennt,
 in seinem Leben Bereiche hat,
 in  die er Gott nicht hineinreden lässt.
 Ich  befürchte, dass die Meinung von Hinz & Kunz
 meist  mehr Einfluss auf unser Leben hat,
 als  Gottes im Leben und Leiden Jesu Christi offenbarter Wille.
 Dann  ist klar, dass Jesu Fremdsein uns fremd ist.
 Dann  ist unsere Fremde,
 dass  wir von unserem Herrn entfremdet sind.
 Ihr  sucht der Stadt Bestes,wenn  Jesus, und nicht Hinz und Kunz,
 das Sagen bei euch hat,
 so  könnte Jeremias Wort Gottes heute lauten,
 für uns in der Babylonischen Gefangenschaft.
 Amen
 
 
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