Predigten von Dr. Helmut Karl Ulshöfer, Pfarrer

Predigten zu besonderen Anlässen

Anlass oder Sonntag im Kirchenjahr         

Bibelstelle

Thema

 

 

 

1. Sonntag nach dem Fall der Mauer

Psalm 126

1. Sonntag nach dem Fall der Mauer

Beerdigung Markus Moldaschl

Jesaja 26,4

Ein Regenbogen stand über dem Grab

Konfirmation 1987

Lukas 19, 1-10

Das lähmende Wenn-Dann-Gesetz

Konfirmation 1990 (Daniela gewidmet)

2. Korinther 1, 18-22

Ein Ja ohne jedes Nein

RNZ-Artikel zu Fasnacht

 

 

Schülergottesdienst GTO 1994

 

 

Gedanken zur Sonnenfinsternis 1999

 

 

Meditation zu „Sounds of Silence“ 1978

1 Thessalonicher4,12

 

Trauung von Nathalie und Jochen

1. Johannes 3,18

 

 

 

Bruchsal, 1.Sonntag nach dem Fall der Mauer


Psalm 126:


Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
2 Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Dann wird man sagen unter den Heiden:
Der HERR hat Großes an ihnen getan!
3 Der HERR hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
4 HERR, bringe zurück unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Südland.
5 Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
6 Sie gehen hin und weinen
und streuen ihren Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.

„Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden"
Wer kann diese Bilder der vergangenen Tage je vergessen:
Wie die Träumenden liefen Tausende über eine Grenze,
die seit Jahrzehnten so unabänderlich fest schien.
Wie die Träumenden strebten sie dem KUdamm zu,
nur um dort mal ein Bier zu trinken.
Wie die Träumenden umarmten sich Menschen,
die sich seit langen, langen Jahren nicht sehen durften.
Man konnte es diesen tiefbewegten Menschen ansehen:
Die Wirklichkeit hatte ihre verschütteten,
und der sogenannten Realität
angepassten Hoffnungen und Wünsche
nicht nur eingeholt, sondern weit überholt.

Wie soll man das aushalten, wenn Hoffnungen,
die doch immer vor einem liegen,
auf die man zulebt,
wenn die plötzlich, völlig fehl am Platz,
nicht vor einem, sondern hinter einem liegen,
überholt von einer unglaublich schönen
und befreienden Wirklichkeit?
So wie ein Gefangener seit Jahren
um eine halbe Stunde mehr Hofgang kämpft,
plötzlich zum Direktor gerufen wird,
hofft dass seinem Anliegen stattgegeben wird
und erfährt dass er FREI ist.
Wenn die Wirklichkeit die kühnsten Träume überholt,
dann werden wir sein wie die Träumenden.

 

Wie die Träumenden
saßen auch wir im Westen vor unseren Bildschirmen.
Ich nehme an, Ihnen ging es ähnlich:
Ich war hin-  und hergerissen zwischen
Lachen, Weinen und Mir-in-den-Arm-kneifen.
Träumte ich? Das gibt's doch nicht?
Das kann nicht wahr sein!
Aber ich saß eben vor meinem Bildschirm,
wie schon die ganze Zeit.
Ich war Zuschauer, wie schon die ganzen Jahre.
Ich konnte reisen wohin ich wollte.

Ich wusste:
Meine Kinder haben mal keinen Nachteil daraus,
dass ihr Vater Pfarrer ist.
Ich konnte meine Überzeugung vertreten,
und riskierte nichts
als evtl. Kopfschütteln von Andersdenkenden
Und dass es den Menschen in der DDR anders ging,
das wusste ich, wie wir alle.
Ich regte mich manchmal auch darüber auf,
schimpfte über das verkrustete System,
über die verknöcherten Politiker dort.
Aber ich habe das alles hingenommen
als fest, als unabänderlich - Schicksal!
Ich hatte keinen Traum mehr
für die DDR und ihre Menschen.

Ach ja,
mancher Politiker laberte von Wiedervereinigung,
aber ich sah darin keinen Traum,
sondern Propaganda.
(Und auch jetzt möchte ich vorsichtig sein
mit diesem Wort und den damit verbundenen Gedanken)
Was sich in den letzten Tagen in der DDR ereignete,
kam nicht in meinem Träumen vor.
Ich hatte mein Träumen der Realität angepasst,
es war angepasstes Träumen:
Reiseerleichterungen - aber nicht Freiheit.
Schrittweise Verbesserungen - aber nicht Umbruch.
Scheibchenweise Änderungen - aber nicht Neuanfang.
Denn ich will immer Realist sein,
möchte mich nicht täuschen,
damit es möglichst zu keiner Enttäuschung kommt.
Auf diesem Humus gedeiht angepasstes Träumen.
Aber was soll ein Träumen,
dass das Vorfindliche, das eh' schon Bestehende
zum Maßstab macht?
Das verdient doch den Namen nicht.
Das schreibt doch fest, was ist.
Das ist doch Mief und nicht frischer Wind.
Das ist doch Zement und nicht Dynamit.
So sind Gottes entmutigte Kinder.
Ich habe uns vorhin einen Psalm gelesen.
Der ist gedichtet von Gottes mutigen Kindern:
Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
2 Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Gottes mutige Kinder träumen unangepasste Träume.
Die sind nicht fixiert auf das, was ist,
sondern fasziniert von dem, was noch nicht ist.
Die Gefangenen Zions - sie sind noch Gefangene
und doch geht der Dichter von ihrer Freiheit aus,
weil da der Gott der Freiheit ist.
Die Gefangenen sind noch weit weg von ihrer Heimat,
dort an den Kanälen Babylons,
doch der Dichter träumt von der Heimkehr,
weil da der Garant ist,
der das verheißene Land, Heimat versprochen hat.
Die Gefangenen haben keine mächtigen Politiker,
die sich für sie einsetzen,
aber der Dichter setzt eh' nicht auf deren Karte:
König ist Gott - davon geht er aus.
Er ist ein mutiger Träumer,
mit unangepassten Träumen.
Er träumt gegen eine Wirklichkeit an.
Man hat ihn sicher Utopist und Schwärmer genannt.
Aber was geschieht wirklich?
Wen erweist die Geschichte als Realist
und wen brandmarkt sie als Pessimist?

REALIST war der dichtende Träumer:
Denn die Gefangenen Zions kehren wirklich heim.
Was er vor und von Gott geträumt hat,
das wird wahr.
Er war der Realist - er sah die Wirklichkeit.
Und Gottes entmutigte Kinder,
mit ihrer panischen Angst vor Enttäuschung,
sie entlarvt die Geschichte als entmutigte Feiglinge,
als angepaßte Angsthasen,
als unproduktive Pessimisten.
Und sie bestätigen einander:
HA, des hat keiner erwarte könne.
Wer wollte sich auch eingestehen,
dass Gottes mutige Träumer Realisten sind.
Man müsste sich ja die ganze Entmutigung,
die ganze als Realismus getarnte Ängstlichkeit eingestehen.
Ich habe auch eine Ahnung,
was den Dichter des Psalms befähigte,
sich gegen den Virus des entmutigten Scheinrealismus zu wehren
Er war ein eifriger Leser der besten Widerstandsliteratur seiner Tage:
Er lebte in horizonterweiternden Geschichten:
Wie Gott sich einen Hitzkopf wie Mose aussuchte,
um die Israeliten von der versklavenden 
ägyptischen Weltmacht zu  befreien.
Oder: Wie ein Hirtenbüblein mit Namen David
den riesigen Philister Goliath langlegte.
In solchen und ähnlichen Geschichten lebte er,
die sind der Stoff, aus dem seine Träume sind.
Das ist Widerstandsliteratur -
Impfstoff gegen angepasste Träume.
Warum sollte Gott
nicht wieder Unvorstellbares tun,
keine Ahnung WIE - aber überzeugt vom DASS.
Das WIE konnte keiner ahnen,
aber das Träumen vom DASS,
das nährt eben die BIBEL
und nicht der SPIEGEL.

Und das DASS kommt aus einer unverhofften Ecke:
Kyros, ein persischer König, ein Heide,
er ist der Befreier der Gefangenen.
Kein jüdischer Parlamentär hat es erreicht
durch kluges Reden
- nein -
ein sozusagen an nichts glaubender Kerl
wird zum Werkzeug des Gottes der Befreiung.
Ein Atheist,
Gorbatschow, äh Entschuldigung, Kyros,
muss im Namen Gottes herhalten, dass Träume wahr werden.
Alles Prahlen, alles sich selbst auf die Schulter klopfen
wird absolut lächerlich,
denn keiner hat‘s vorher gewusst
und keiner hat etwas dazu getan.
Und deswegen kann man so befreit lachen,
ohne Profilierungszwänge und Rechthaberei:
"Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsere Zunge voll Rühmens sein.
Dann wird man sagen unter den Heiden:
Der Herr hat Großes an ihnen getan.
Der Herr hat Großes an uns getan,
des sind wir fröhlich."
Wer wollte sich denn das Wunder dieser Wandlung und Öffnung in der DDR auf sein Konto verbuchen?
Ich möchte Sie einladen,
einzustimmen in das Lachen des Psalms:
Der Herr hat Großes getan.
Ich möchte Sie einladen, zu BILD und SPIEGEL
auch die BIBEL zu lesen,
diese wunderschöne Widerstandsliteratur,
die unangepasste Träume nährt
und vom DASS des befreienden Handelns Gottes ausgeht
und sich vom WIE überraschen lässt.
Und wenn dieser warme Frühling
wieder erstarren sollte in der Eiseskälte
eines politischen Gegenschlags,
was Gott verhüten möge,
eins möchte ich für mich festhalten:
Ein neues DASS der Befreiung ist immer drin
auch wenn das WIE total offen ist.

Denn dieses Anti-Virus
aus der biblischen Literatur
werden wir noch brauchen können,
nicht nur für den Fall eines Rückschlages dort
sondern vor allem,
wenn bei uns alles bleibt wie es ist.
Wir freuen uns ehrlich
über die Befreiung der Gefangenen dort.
Doch die Befreiung der Gefangenen hier bei uns
ist immer noch ein Traum, nicht aber Wirklichkeit.
Denn unter uns geistert der Alptraum
dass die neue Freiheit unserer Brüder und Schwestern in der DDR
uns etwas kosten könnte.
Das ist der Alptraum.
Und der Traum:
Ein verändertes Mietgesetz
und aufgeschlossenere Herzen,
dass 800 leerstehende Wohnungen in Bruchsal
leichter zur Verfügung gestellt werden.
Eine sich ändernde Mentalität bei uns,
die wir zu Hause sind
und ein Heim haben,
dass wir Fremden
nicht fremdelnd und befremdend begegnen,
sondern Arme ausbreiten,
Hände ausstrecken und öffnen
und an Leib und Seele erfahren,
wie wohltuend Befreiung ist,
und zwar nicht als Zuschauer,
sondern als selbst Befreite.
Dann werden wir sein wie die Träumenden. Amen!

 


Beerdigung von Markus Moldaschl, Konfirmand, 14 Jahre,
gestorben am 28. Dezember 1981 bei Unfall an Skilift
Beerdigung am 04. Januar 1982 um 14 Uhr in Hainstadt

Liebe Familie Moldaschl, liebe Trauergemeinde,
jetzt, wo alle Menschenworte leer und hohl klingen,
jetzt, wo wir nicht wissen, was wir denken und sagen sollen,
jetzt wollen wir Gottes Wort sprechen lassen.
Als Jahreslosung für 1982 ist uns gegeben:
Verlasst euch stets auf den Herrn,
denn Gott der Herr ist ein ewiger Fels (Jes. 26,4).
Gott ein Fels!
In diesen Minuten wünschten wir uns,
selbst so etwas wie ein Fels zu sein! Viele sind hier auf den Friedhof gekommen mit dem festen Vorsatz, Fassung zu bewahren,
fest zu bleiben, sich nicht von Gefühlen übermannen zu lassen.
Wir möchten nicht zeigen, wie´s in uns aussieht.
Aber wir alle, die wir Markus und seiner Familie nahe stehen,
wir sind durcheinander, verunsichert, aufgewühlt,
der Boden wankt unter unseren Füßen.
Wir alle haben Markus,
diesen Jungen mit den großen, staunenden Augen gern gehabt.
Aber wir haben es ihm oft nicht deutlich genug gezeigt –
 und das tut uns jetzt so furchtbar weh!
Was gäben wir,
könnten wir ihn nur noch einmal Tage,
ja nur Stunden unter uns haben, ihm Liebe zeigen,
ihn für manches um Verzeihung bitten, ihm unser Verhalten erklären. Aber die Schranke ist gefallen,
für uns alle ist diese Möglichkeit endgültig vorbei,
vorbei für mich, vorbei für die Eltern, den Bruder, die Mitschüler
 und Mitkonfirmanden, die Lehrer, Nachbarn und Bekannten.
Das plagt mehr als alle körperlichen Schmerzen.

Wir alle haben einander nur „auf Zeit“ – nie als Besitz – eben „auf Zeit“ und keiner weiß, wie lange dieses „auf Zeit“ dauert.
Wie kostbar sind doch alle unsere Beziehungen, wie kostbar Kinder, wie wertvoll liebe Menschen – wie kostbar und wie verletzlich!
Wir haben einander „auf Zeit“ – geliehen – geschenkt.
Markus war uns nur für kurze Zeit geschenkt –
das wussten wir vor einer Woche noch nicht!
Wir sind auch durcheinander, aufgewühlt, weil wir uns ausmalen, selbst einmal in ähnlicher Lage wie die Eltern von Markus zu sein.
Ein geliebtes Kind hergeben müssen –
schon der Gedanke daran lässt uns zutiefst erschrecken.

 

Wir sind eben keine Felsen –
wir sind verunsicherte, verletzte Menschen,
denen bei solchen Vorstellungen der Boden unter den Füßen wankt. Das erleben wir ebenfalls,
wenn uns durch ein solches Unglück wieder einmal deutlich wird,
wie auch die Zeitspanne des eigenen Lebens
für uns eine Unbekannte ist und bleibt.
Wir sind keine Felsen – Gott der Herr ist ein ewiger Fels!
Aber auch mit unserem Glauben an Gott
haben wir in diesen Tagen Schwierigkeiten.
Gott ist die Liebe – so sagt uns die Bibel
und so haben wir auch geglaubt in guten Zeiten.
Aber jetzt – ein 14-jähriger stirbt,
weil die Bremsen eines Skilifts versagt haben.
Wo war in diesem Moment der Gott der Liebe?
Immer wieder plagt uns in den letzten Tagen
diese bohrende und zweifelnde Frage: Warum? Warum? Warum?
Und wir hören keine Antwort!
Wird Gott deshalb ein Fels genannt,
weil er so hart ist, so hart zuschlägt?
Unser Glaube ist erschüttert, verunsichert!
Da stellen sich solche Fragen ein.
Denn wir sind keine Felsen, auch unser Glaube ist kein Fels.
Verlassen wir uns auf uns selbst, so sind wir verlassen,
verlassen wir uns auf unseren Glauben, so sind wir ebenfalls verlassen.
„Verlasst euch stets auf den Herrn, der Gott der Herr ist ein ewiger Fels!“

Was wir hier am Sarg von Markus so bitter erkannt haben, ist,
dass gegen allen Schein unsere Liebe zu ihm nicht tragfähig war,
er hat sich nicht auf uns verlassen können – gegen allen Schein!
In uns und unserer Liebe liegt kein Trost –
wir sind keine Felsen der Liebe!
Aber unser Markus kann sich auf einen verlassen –
 auf den, der uns jetzt so unverständlich und grausam erscheint –
auf Gott den Herrn.
So wie unsere Liebe gegen allen Schein nicht tragfähig ist,
so ist Gottes Liebe gegen allen Schein absolut tragfähig,
denn der Herr unser Gott ist ein ewiger Fels!
Es war auf dem Felsen von Golgatha, wo der Sohn Gottes starb – nach einem Leben voll von Liebe für Menschen.
„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab!“
Der Felsen der Liebe – unser Markus steht auf ihm –
erfährt nun, was wir nur zaghaft glauben!
Wenn ich auch persönlich
vom Tod dieses Konfirmanden innerlich aufgewühlt bin,
eins weiß ich trotzdem:
Ich bin mir gewiss, dass wenn er zu uns reden könnte,
seine Worte wären:
Weint nicht um mich! Euch wankt der Boden unter den Füßen,
aber ich stehe auf dem ewigen Fels!
Eure Schritte suchen ein Ziel, aber ich bin daheim!
Ihr leidet an unvollkommener Liebe, doch ich bin angenommen!
Ihr starrt auf die dunkle Seite der Wolke,
aber ich sehe die Sonnenseite!
Und was er im Konfirmandenunterricht gelernt hat, das erfährt er als Wirklichkeit und Wahrheit:
Der Herr ist mein Hirte, mir mangelt nichts!
Er führt mich auf rechter Straße!
Und wir, wohin gehen wir?
Wohin gehen wir mit unseren Anklagen gegen uns selbst?
Lassen wir uns durch sie zerfleischen oder verhärten?
Das muss nicht sein, denn bei dem Herrn ist viel Vergebung!
Was er uns nicht auf ewig anlastet,
braucht auch uns nicht für immer belasten!
Auf dem Felsen von Golgatha betete der Sohn Gottes auch für uns: Herr vergib ihnen!
Und wohin gehen wir mit unseren Schreien, Anklagen, Zweifeln,
mit unserer Leere, unserer Einsamkeit?
Wir schreien nicht ins Leere,
 wir treten wie die Juden in Jerusalem vor die Klagemauer Gottes,
den ewigen Fels, fragen ihn wieder und wieder:
Warum? Warum? Wozu?
Er wird uns nicht verlassen, er wird nicht schweigen!
Und wohin gehen wir von hier?
Zurück in die Oberflächlichkeit und Gedankenlosigkeit unseres Alltags, wie er war, bevor uns der Tod von Markus so aufgeschreckt hat? Zurück mit brüchigen Vorsätzen?
Oder wollen wir gemeinsam im Glauben den ewigen Felsen betreten, seine Tragfähigkeit testen,
gemeinsam mit der Familie Moldaschl
in unserer Mitte den Weg gehen,
den Weg der Hoffnung, des Glaubens und der Liebe?
Der allmächtige und barmherzige Gott verheißt uns seinen Segen
für diesen Weg.
Zum Schluss noch ein Vers, den Markus gelernt hat:
Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.

 


Bruchsal 1987 Konfirmation


Lukas 19

1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. 4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. 6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
7 Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. 8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. 9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist

Liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde,
Jericho und Bruchsal sind zwar viele Kilometer voneinander entfernt  und zwischen der Geschichte mit Zachäus
und der Paul Gerhardt Konfirmation 1987 liegen Jahrhunderte,
 aber damals wie heute und hier wie dort
krepieren Menschen beinahe
an dem alles beherrschenden Wenn-Dann-Gesetz.
Wenn du so und so handelst, dann kann ich dich akzeptieren.
Wenn du mir entgegenkommst, dann werde ich dir auch entgegenkommen.
Wenn du dich änderst, werde auch ich mein Verhalten ändern.

Aber damals wie heute und hier wie dort
ist auch das bedingungslose Ja möglich,
das Ja, das schenkt ohne zu fordern,
das Ja ohne geforderte Vorleistung,
das Ja, das das Wenn-Dann-Gesetz so richtig zerbröselt
und befreit aufatmen lässt.
Zachäus hat beides erlebt, das innere Vor-die-Hunde-gehen
unter dem knallharten Wenn-Dann
und das unbeschreibliche Aufleben, weil einer Ja zu ihm sagte,
ohne Wenn und Dann, ohne Wenn und Aber.
 Wir wissen von Zachäus, dass er klein war.
Und weil in seiner Welt nur das Große etwas galt,
fühlte er sich auch klein.
Auch in der Welt der Mikrochips
gilteigenartigerweise noch immer das Große
und gibt es noch viele Gründe,
warum sich ein Mensch klein vorkommen kann.
Jeder unter uns kennt wohl ein paar.
Und schon als Kind lernte Zachäus,
den wir in dieser Altersstufe einmal liebevoll Zacki nennen wollen,
dass WENN er etwas gelten wollte, DANN musste er
-der sich klein fühlende-
 Sonderleistungen bringen,
kompensieren nennt man das in heutigem Neudeutsch.

Wenn Zacki spüren wollte, dass seine Clique ihn bejahte, dann schleppte er einen Kasten Cola an, brachte Freikarten fürs Kino mit oder erzählte prahlerisch pikante Stories
von den Mädchen, die er -Verzeihung, wie sagt man heute so treffend- die er aufgerissen hatte.
Aber Zacki‘s Stories waren in aller Regel
genauso frei und schlecht erfunden
und so unpassend wie meine Beispiele vom jungen Zacki
im alten Jericho.
Doch machte er die alte und doch immer wieder aktuelle Erfahrung: WENN einer versucht,
an das Grundnahrungsmittel menschlichen Lebens,
an echte, bejahende und vorbehaltlose Liebe heranzukommen,
indem er dem Wenn-Dann-Gesetz Genüge zu tun sucht,
DANN erreicht er immer das Gegenteil.
Lächerlich wirkt er, ausgenutzt wird er,
eingeladen wird er zur nächsten,
noch anstrengenderen Runde des Wenn-Dann-Karussells.

Eine weitere schlimme Erfahrung blieb Zacki nicht erspart:
Wie unheimlich schwer ist es, sein Leben zu ändern,
selbst wenn man eindeutig erkannt hat,
dass die Ziele vielleicht gar nicht so verkehrt,
die eingeschlagenen Wege und Methoden aber grottenfalsch sind,
weil sie einen immer noch weiter weg vom Ziel bringen.
Aus Zacki wurde zwar ein Zachäus,
aber seine tragische Wenn-Dann-Lebensphilosophie blieb die Gleiche. Er versuchte weiterhin mit leblosen Dingen
Menschen zu beeindrucken, sich beliebt zu machen,
allerdings nur um verzweifelt festzustellen,
dass er selbst immer lebloser wurde.
Er ergriff einen Beruf mit Knete im Überfluss,
doch die Sympathien seiner Mitmenschen flossen noch spärlicher. Genug Money war ihm sicher, doch er wurde immer unsicherer.
 Ja, er hatte ein gewisses Ansehen, aber es bestand zu 90 % aus Angst. Zachäus erlebte, dass die Achtung,
die er suchte sich sehr schnell in Verachtung kehrte,
sobald er den von ihm Abhängigen den Rücken kehrte.
Aber je kleiner und hässlicher er sich fühlte,
desto kleinlicher und räuberischer wurde er
in dem Beruf des Oberzöllners,
der damals dazu viele Gelegenheiten bot.
 Und so drehte er sich im Teufelskreis
zusammen mit all denen,
die nicht anders konnten als sich gegenseitig
mit dem Wenn-Dann-Gesetz zu quälen.
Wie sollte es auch je zum befreienden Dann kommen,
wenn jeder zuerst vom andern das WENN des ersten Schrittes forderte.

 Und so wurde für Zachäus jedes neue Heute
zu einem "Genau wie gestern“
und das Morgen bot ihm nur eine langweilige
und immer lästiger werdende Neuauflage des "Wie gehabt".
In dichterischer Freiheit sei erwähnt,
dass ein einziges Mal es so aussah,
als ob ein JA ihn aus dem Wenn-Dann-Gefängnis herausholen könnte, als nämlich eine junge und sehr hübsche Frau
ihm ihr Ja zum gemeinsamen Lebensweg gab.
Doch bald war Zachäus sich wieder bombensicher,
dass ihr Ja
nichts anderes als ein besonders süß verpacktes Wenn-Dann war. Vielleicht war es Einbildung, aber er meinte,
dass sie nach großzügigen Geschenken besonders liebevoll war.
Und das erinnerte ihn ans Geschäft,
an den Zoll, an Handel –
und er wurde von Ekel und Brechreiz geschüttelt.
Aber sein Ekel galt nicht nur seiner Frau
und den anderen Wenn-Dann-Geschädigten.
Eins trieb unsern Zachäus, und ist er nicht UNSER Zachäus,
manchmal noch zu allem andern
beinahe an den Rand der totalen Verzweiflung.
Er litt unter dem, was ein moderner Autor Gottesvergiftung nennt.
Gott war für ihn das endgültige,
überall gegenwärtige, alles mit Argusaugen überwachende Monster,
bei dem er überhaupt keine Pluspunkte sammeln konnte
Vor ihm fühlte er sich nicht nur superklein,
sondern auch wie nackt und ausgeliefert.
Gott war für ihn die Bündelung
aller je durchlittenen Wenn-Dann-Situationen –
sein forderndes WENN war so riesengroß und sadistisch,
dass er diesen Wenn-Dann-Gott so richtig hasste und verabscheute. Zuweilen suchte er auch Erleichterung in seiner Gottesvergiftung indem er Gott schlicht zu vergessen suchte.
Wie sollte er auch ein Ja zu diesem Gott finden,
den er nur als das gewaltige NEIN über seinem Leben empfand.
Wie sollen Konfirmanden auch ein JA finden zu einem solchen Gott? Denn die Gottesvergiftung hat ja nicht vor 2000 Jahren in Jericho
ihr Ende gefunden,
sondern Kirchenobere, Seelsorger, Eltern und Erzieher haben, manchmal aus Machtgelüsten,
Gott zum verlängerten und allgegenwärtigen Arm
ihrer eigenen Autorität
oder ihn zum Phantombild
ihrer eigenen seelischen Verwirrungen gemacht.
Nein, zu einem solchen Gott kann unser Zachäus kein Ja finden,
er darf es auch nicht!
Doch mitten hinein in sein ausgedörrtes,
seelisch ausgemergeltes und abgestumpftes Leben
bricht unvermittelt ein HEUTE, das Gestern gestern sein lässt,
das sein Morgen von einem Alptraum
in eine hoffnungsvolle Vision wandelt.

Wir haben keine Ahnung,
was ihn eines Tages auf diesen Maulbeerbaum
am Straßenrand von Jericho brachte,
Gelächter nicht scheuend,
mit großen, traurigen Augen einen Durchreisenden erwartend,
sich festklammernd an einen Baum,
der für ihn wie der sprichwörtliche Strohhalm war.
Wenn es Neugier war, dann kann ich nur sagen: Gesegnete Neugier! War es das Eingeständnis eines armen Reichen,
dann kann ich nur sagen: Gesegnete Armut!
Denn jetzt geschieht etwas,
das keiner mehr für möglich gehalten hätte.
Unser Zachäus beginnt wieder zu leben,
lebt auf, lebt wirklich und hört nie wieder auf zu leben.
 Denn da spricht ihn einer an, ohne Wenn und Dann.
Denn da sieht ihn einer an,
und er fühlt sich zum ersten Mal im Leben angesehen.
 Denn da holt ihn einer runter,
aber er fühlt sich in Himmels Höhen versetzt.
Weil Du Ja zu mir sagst!

Jesus von Nazareth sagt Ja zu einem Du.
„Auch er ist Abrahams Sohn“
er  ist ein Du, dem wie mir das göttliche Wohlwollen gilt.
Jesus von Nazareth
sieht in dieser Mangelerscheinung Zachäus den seelischen Skorbut, diese einseitige Ernährung von viel zu viel Wenn-Dann
und viel zu wenig JA.
Jesus von Nazareth sieht an unserem Zachäus
 -und möchte es doch wirklich UNSER Zachäus sein-
er sieht an ihm nicht was fehlt
und bohrt nicht mit vielen Wenn_Danns daran herum,
sondern er sieht, was ihm fehlt,
das Grundnahrungsmittel des Lebens, das JA ,
bedingungslos und frei, nicht nur für starke Seiten,
sondern für den ganzen Kerl,
so wie er ist.
 Weil du ja zu mir sagst, fang ich wieder an.
Jesus von Nazareth, der EINE,
der weder an Gottesvergiftung noch an Menschenverachtung leidet -was eng zusammenhängt-
er isst mit dem, der sein Brot auf unrechte Weise verdient hat.
Er isst mit ihm, ohne Wenn und Dann,
ohne Predigt, die die Spielregeln ausformuliert.

Da ist wirklich etwas Spielerisches, Zweckfreies
in der Begegnung zwischen Jesus und Zachäus:
Er soll nicht mit irgendwelchen Tricks
 in die richtige Richtung geschubst werden.
(Sind unsere Erziehung, unsere sozialen Bemühungen oft deshalb so fruchtlos, weil so viel geschubst und so wenig bejaht wird?)
Unser Zachäus will doch schon immer in die richtige Richtung,
oder nicht?
Er will andere bejahen, aber er spürt  in jeder Faser seines Wesens,
dass er dazu erst frei wird, wenn er bejaht wird.
Aber Zachäus, unser Zachäus,
den wir mehr und mehr verstehen lernen,
er wird heil, er wird gesund, er fängt an zu leben,
weil da einer zu ihm kommt,
der nicht von dieser Vorleistung eines Ja abhängig ist,
ihm begegnet einer, der sagt nicht nur  JA,
ihm begegnet einer, der IST das JA in Person.
Dieser Jesus ist Gott, das ist das Bekenntnis,
das Christen immer wieder versuchen durchzubuchstabieren.
Gott glauben,
nicht als eng grenzenlos überhöhtes Wenn-Dann,
sondern als das grenzenlose JA.
Gott erfahren als das alle Wenn-Dann-Teufelskreise durchbrechende, bedingungslose und einseitige JA –
das ist die Heilung von der Gottesvergiftung.
Urplötzlich bricht dann aus unserem Zachäus das eigene Ja hervor. Freudig und ohne Verklemmung nimmt er diesen Jesus auf und an, sagt Ja zu ihm und dadurch zu Gott.
Und überschäumend kommt auch sein Ja zu den Menschen,
die vorher für ihn bluten mussten.
Er gibt ihnen mehr als sie verdienen;
er ist befreit zum Mehrwert der Liebe.
Liebe Konfirmanden,
wie gerne hätte ich Euch in den zurückliegenden Monaten
deutlicher und uneingeschränkter zugesagt und zugelebt,
was es heißt, bejaht zu werden, angenommen zu werden,
ohne Wenn und Dann.
Aber ich bin nicht Jesus, sondern Zachäus,
ich lebe in der Wenn-Dann Welt,
ich reagiere, mit Gegenliebe auf Liebe,
mit Verletztsein auf Verletztwerden.
Wie Ihr brauche ich ein JA vor meinem Ja,
so ein unbedingtes und befreiendes JA,
wie es der Zachäus erfahren hat.
Aber wie soll das zugehen, so viele Kilometer von Jericho
 und so viele Jahrhunderte von damals?

Der von den Nazis ermordete Theologe D. Bonhoeffer
unterhielt sich einst mit einem französischen Geistlichen über die Frage, was ihr größtes Lebensziel sei.
Der Geistliche meinte: Ich möchte ein Heiliger werden.
Bonhoeffer aber sagte: Ich möchte glauben lernen!
Und mit Bonhoeffer  kann ich nur bekennen:
Ich möchte glauben lernen,
glauben, dass nicht der vergiftete und vergiftende Gott,
der so oft in meinem System umherspukt, Gott ist,
sondern dass Jesus Gott ist.
Er, der als der Lebendige, Zachäus, Euch, mir und uns allen
sein uneingeschränktes JA zulebt.
Ich möchte mit euch zusammen weiter glauben lernen,
dass Jesus dieser Funke aus dem Herzen Gottes ist, der Liebe ist und der zu Liebe befreit
Ich möchte mit euch und uns allen glauben lernen,
dass das Mahl, das wir nachher miteinander feiern
wirklich das uneingeschränkte Ja Jesu Christi für uns alle ist.
Wir glauben das nie alle zugleich,
aber wem auch nur für Momente dieser Glaube geschenkt ist,
der möge sein befreites Ja dem andern zuleben.
Dazu sind wir Gemeinde.
Ich möchte glauben lernen,
dass durch Christus an unserm Tisch das Gestern nicht mehr gilt,
und ein befreites Heute und Morgen wirklich werden wird. I
ch glaube, hilf meinem Unglauben - weil du Ja zu mir sagst.
Amen

 

 

Konfirmation 6. Mai 1990


2.Kor. 1,18-22

Diese Predigt ist Dir, liebe Daniela, gewidmet.
Ich wünsche Dir, die darin angesprochene Liebe und Freiheit
 lebenslang immer wieder neu zu entdecken.
Dein Dich liebender Vater

18 Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist. 19 Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. 20 Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe. 21 Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt 22 und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.

 

Liebe Konfirmanden, liebe Eltern und Paten, liebe Gemeinde,
ab und zu machen Eltern bei ihren heranwachsenden Kindern
eine Beobachtung - und schmunzeln:
Die Tochter oder der Sohn kommt von der Schule heim,
beschwingt, heiter und lebensbejahend.
Warum? Eine gute Note?? Nein - die Arbeit war total verhauen!
Trotzdem: übersprühend vor Lebensfreude
oder mit einer stillen Ausstrahlung von Glück
je nach Naturell.
Was mag geschehen sein?

Vielleicht, ja wahrscheinlich hat's gefunkt:
Unser Kind hat jemanden gefunden, den es absolut stark findet,
den es verehrt, anbetet.
Und wenn dazu die Hoffnung kommt,
dass diese Verehrung, diese Liebe erwidert wird,
dann kommt da etwas zum Leben,
für das nur Dichter angemessene Worte finden.
Da sprudelt‘s, kocht's, brandet's flammt's und stürmt's
und es ist so wunderbar -
auch für die eigentlich unbeteiligten Zuschauer.

Und wer eingreift ist ein Depp,
weil er das gefährdet oder gar zerstört,
wonach sich jeder zutiefst sehnt
und was Leben schon immer erst lebenswert macht:
Ein uneingeschränktes Ja zu einem Menschen,
das mit einem ebenso uneingeschränkten Ja erwidert wird.
Klar, das Ja bleibt nicht uneingeschränkt,
das wissen wir Erwachsenen,
und das ist die immer mit etwas Trauer gemachte Erfahrung:
Bald wird eingeschränkt, bedingt und sogar verneint
und das Leben pendelt sich wieder ein
auf das ätzend langweilige Mittelmaß.
Und doch bleibt als unauslöschliche Erinnerung
der Zauber eines uneingeschränkten Ja,
so rar und so kostbar.

Nun wird es manche unter Ihnen erstaunen,
dass der Apostel Paulus behauptet,
ein solches uneingeschränktes Ja gäbe es
dauerhaft und unverwüstlich,
eins mit all diesen belebenden und begeisternden Auswirkungen.
Ein Ja ohne Nein ein Ja ohne Wenn und Aber
ein Ja von heute an bis ans Ende meines Lebens.
Und jetzt, liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde,
jetzt zögere ich weiterzureden,
denn ich weiß, dass viele von denen,
die bis jetzt interessiert zugehört haben,
innerlich abschnallen, wenn ich mit Paulus sage,
dass dieses dauerhafte und begeisternde Ja
das Ja Gottes zum Menschen sei.

Das Ja Gottes zum Menschen:
zu abstrakt, zu weit hergeholt, zu blutleer,
das packt nicht, das geht nicht unter die Haut.
Wer kennt nicht solche Gedanken und Gefühle.
Selbst einem ehrlichen Frommen dürften sie nicht fremd sein.
Das kurzatmige und bedingte Ja eines Menschen
ist mir schon manchmal begehrenswerter erschienen
als das ewige und uneingeschränkte Ja des lebendigen Gottes.

Wie bitte? Sie meinen, das sei doch ganz normal!
Mag sein, aber manchmal beschleicht mich der Gedanke,
dass da eine wahnsinnige Horizontverengung vorliegt.
Der Philosoph Gadamer schreibt:
Wer keinen Horizont hat, ist ein Mensch,
der nicht weit genug sieht
und deshalb das Naheliegende überschätzt"!
Sich mit einem bedingten Ja zufriedengeben
und ein unbedingtes vernachlässigen oder ausschlagen,
wäre das nicht ein Anzeichen von solcher Horizontverengung?
So wie mancher verbitterte und enttäuschte Mensch
sich aus dem Schwanzwedeln
und dem als treu interpretierten Blick seines Hundes
ein Bejahtsein herausliest und auf menschliche Bejahung verzichtet.
Ach ja, man mag darüber schmunzeln,
aber eigentlich ist so etwas doch traurig.
Vielleicht ebenso traurig,
wie wenn einer sein ganzes Leben lang sich abrackert
für ein Ja von oft ungnädigen Menschen
weil ihm der Horizont verlorenging,
der weite Horizont des gnädigen Gottes
und seinem unbedingten Ja.
Man kann direkt vor einer Oase verdursten,
wenn man sie für eine Fata Morgana hält.

O, die Freiheit, die ein unbedingtes Ja schenkt!
Wunderschön, wenn zwei, die sich so unbedingt bejahen,
sich nicht mehr um das kümmern,
was andere denken und sagen:
Die steh'n in der Pause mitten auf dem Schulhof,
eng umschlungen und küssen sich
und es ist ihnen absolut wurscht, was Lehrer oder Mitschüler denken.
Und sie sind in dieser Phase ihrer Liebe auch frei davon,
sich zu produzieren, sich dem geliebten Menschen
nur von der Schokoladenseite zu zeigen:
Beide wissen: Ich darf sein ich bin!

Das sind für mich Bilder,
ja Appetitanreger für das, was Glaube ist.
Der, von dem alles herkommt und auf den alles zugeht,
der die Welt in seinen Händen hält, der alles hebt und trägt,
der nach D. Bonhoeffers Glaubensbekenntnis
selbst aus dem Bösesten noch Gutes wirken kann,
er der lebendige Gott sagt Ja zu Dir und zu mir.

In den Zeiten, in denen einer das fassen kann,
(und keiner kann es immer)
da weitet sich der Horizont
da weicht das zwanghafte Gefallenwollen
einem befreiten und gefestigten Ruhen in sich selbst.
Der kann dann mit der zur Zeit ganz oben plazierten
Sinead O'Connor und ihrem Albumtitel sagen:
I do not want what I haven't got
Ich will nicht, was ich nicht habe
was sie in ihrem ersten Song unterstreicht:
I feel so different Denn
all I'd need was inside me.

Ein bisschen von dem habe ich in den letzten Wochen selbst erlebt:
Da kam vor fünf Wochen dieser Brief des Landesbischofs:
Der wollte, dass ich mich für den Kirchenbezirk Boxberg
als Dekanskandidat zur Verfügung stelle.
Manche unter Ihnen wissen, wie sehr es mich in diese Richtung zieht,
denn dort ist meine Heimat.
Die Aufgabe hätte mich gereizt,
und ganz ehrlich auch die Ehre und die Karriere,
denn die meisten unter uns erhoffen darin auch ein Plus an Bejahung
Schließlich schrieben wir dem Bischof doch ein Nein,
und ein bisschen, ein kleines bisschen hat es -hoffe ich-
zu tun mit dem befreienden Ja eines guten Gottes:
Das macht gegenüber Ehre und Karriere etwas freier
und ich bin sicher, der Bischof findet unter 600
badischen Pfarrern auch einen andern.
I do not want what I haven't got.
Und Paulus sagt zu diesem Einfluss des unbedingten Ja Gottes:
Gott ist's aber, der uns fest macht.
Konfirmation!

Ein großes und uneingeschränktes Ja über uns,
das macht frei:
Frei zum Ja
Ja zum Leben
Ja zur Liebe
Ja zur Freiheit.
denn wo das eine echt da ist sind immer auch die beiden andern dabei:
Ein Leben ohne Liebe und Freiheit ist nicht lebenswert
und was würde aus Liebe ohne Freiheit
oder aus Freiheit ohne Liebe?
Nur Tödliches!

Und deshalb, liebe Konfirmanden,
lasst Euch von niemanden durcheinandermachen:
Heute geht es nicht vorrangig um Euer Ja zu Gott
sondern zuallererst um Gottes Ja zu Euch.
Wer im Glauben unser Ja über Gottes Ja stellt
schafft nichts als geistliche Asthmatiker.
Das sind dann die Gschaftlhuber, die nimmermüden
und doch die "Auf dem Zahnfleisch-Geher", die immermüden.
Immer dann, wenn Gottes Ja so schön kristallklar erfasst wird,
dann kommt unser Ja spontan und unverkrampft.
Ja, glauben hat etwas mit Lust und Liebe zu tun
Auf die Perspektive kommt's an:
Weniger Nabelschau und etwas mehr lebendige Visionen.
Auf die Perspektive kommt es an,
darum gehts auch in dem tollen Film
"Der Club der toten Dichter"
Ein lebensbejahender Lehrer kommt in eine verknöcherte Privatschule.
Von ihm lernen die jungen Leute,
ihr Leben nicht saft- und kraftlos zu verbringen,
sondern unter dem Ja von Liebe und Freiheit zu deuten.
Da lässt der junge Lehrer seine Schüler schon mal Seiten
aus einem Lehrbuch herausreißen,
wenn darin Dichtung verknöchert gedeutet wird.
Da lässt er seine Schüler auch mal auf Bänke steigen,
damit sie erfahren, wie veränderte Perspektiven verändern.
Und in all dem spüren sie sein Ja zu allem Lebendigen:
Und darin werden sie selbst lebendig.
So lebendig, dass sie, als er gehen muss,
denn so ein lebendiges Ja bleibt nie ohne Widerspruch,
dass sie dann wieder auf die Bänke steigen,
um seinem hölzernen Nachfolger zu demonstrieren:
Wir haben eine andere, eine belebendere Perspektive!

So sehe ich Jesus Christus.
So wie diesen Lehrer.
So lebensbejahend, und doch den Konflikt nicht scheuend
So Perspektiven eröffnend:
Du bist Kind des Allerhöchsten
nicht Sklave.
So umgetrieben von einer Liebe in Freiheit.
So ist Jesus Christus.
ER ist das Ja Gottes.
Sag dein Ja zu ihm,
wenn immer du ihn echt stark und sympathisch findest,
Es wird dir und andern unendlich gut tun.
Amen.

 

Wort zum Sonntag  für die Ausgabe der RNZ  9. Februar 2002
von Dr. Helmut K. Ulshöfer, Boxberg:

Narrenfreiheit – Freiheit spielerisch erproben, sich befreien von der Meinung der andern, mal nicht auf leere Konventionen achten! Diese Idee hat mich immer an Fasnacht fasziniert. Und ich träumte davon, dass etwas von dieser Freiheit der tollen Tage sich hinüberretten ließe in die Zeit zwischen dem Aschermittwoch und dem 11.11.: Mal in einer Vorstandssitzung „Hinne houch“ brüllen, wenn man entschlussmäßig wieder nicht hochkommt mit dem sprichwörtlichen Hintern aus Bequemlichkeit und Zaghaftigkeit. Oder mal in Eucharistie oder Abendmahl mit tanzenden Bewegungen zum Altar gehen, weil man so glücklich ist, dass Jesus ganz real und spürbar sich mir mitteilt.
Narrenfreiheit – Freiheit, die keinem schadet, die aber sinnlose Krücken, verlogene Masken und die Wirklichkeit einengende Scheuklappen entfernen könnte! Wir HABEN sie – das ganze Jahr! Warum aber wird sie kaum genutzt – das ganze Jahr?
Als ganz junges Bürschle hatte ich mal ein Erlebnis, das mir für den Rest meines Lebens ein Sinnbild lieferte und mir zeigte, dass es eventuell nicht reicht, Freiheit zu HABEN:
Meine Mutter kaufte billige Legehennen, die bis dahin ihr Dasein in sogenannter Batteriehaltung gefristet hatten. Bei uns sollten sie es nun viel besser haben: Wir stellten uns ihren Tanz der Befreiten auf der weiten und grünen Wiese vor. Wir fühlten uns wie Befreier. Aber wie enttäuscht waren wir, als diese blöden Viecher einfach hocken blieben, verhockt und verstockt. Kein neugieriges Erkunden von Weite, kein freudiges Picken von saftigem Gras und schon gar keine Freudentänze.
Will Freiheit geglaubt werden? Muss man seine Freiheit nicht nur HABEN, sondern sie auch GLAUBEN? „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen“ (Galater 5,1)
Ja, der hat sie gehabt und geglaubt, dieser Jesus. Ja, der hat die wunderbare Freiheit der Kinder Gottes geglaubt und gelebt: Die Freiheit, beim Steine werfen auf die Sünder nicht mitzumachen! Die Freiheit, nicht zurückzuschlagen! Die Freiheit, fromme Kümmelspalterei als genau das zu brandmarken! Die Freiheit, zu dienen! Die Freiheit, liebevoll Partei zu ergreifen!
Dafür bewundere ich ihn und hoffe, dass das Wunder geschieht, dass dadurch etwas von seiner Freiheit auf mich überspringt. Ist das dann befreiender Glaube?
Eins würde mich brennend interessieren: Wenn dieser seine Freiheit glaubende und lebende Jesus bei uns in einer Demokratie lebte, würde er dann auch seine politische Freiheit nutzen? Wären ihm die Soldaten, die jetzt an den Golf geschickt werden so wertvoll, dass er die Verantwortlichen bitten würde, diese nicht zu potentiellem Kanonenfutter zu machen? Hätte er diese Narrenfreiheit?

 

 

Schülergottesdienst

zum Ferienbeginn am 6. Juli 1994

Ganztags-Gymnasium Osterburken

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kollegen und Kolleginnen!
Seit ein paar Wochen ist in den Hitparaden eine Gruppe ganz oben,
die einen Buchstaben des Alphabets ganz besonders zu mögen scheint:
Das M            und, richtig geraten, es sind die Crash Test Dummies.
Mit MMM besingen sie seelische Probleme von drei Kindern
und zeigen, wie verschieden Eltern darauf reagieren.
Sehr gut gemacht und zum Nachdenken anregend!
Nun habe ich auf der CD auch noch den Titelsong entdeckt:
God shuffled his feet.
Als Reli-Lehrer habe ich natürlich etwas genauer hingeschaut,
wenn da in einem Titel etwas von Gott vorkommt.
Etwas ungläubig geguckt habe ich schon,
als ich dann im Wörterbuch fand, dass to shuffle scharren bedeutet.
Also Gott scharrte mit den Füßen, sagt der Titel, na ja!
Mit den Füßen scharren,
das tut man, wenn gelangweilt, verlegen oder ungeduldig ist,
und genau das ist Gott im Song von CTD:
Er ist absolut frustriert über die Menschen, die er geschaffen hat.
CTD besingen den letzten Tag der Schöpfungsgeschichte
den Tag, wo Gott ruht nach seinen Werken
und an dem auch die Menschen zur Ruhe kommen dürfen.
Bei Brad Roberts hört sich das so an:

After seven days
He was quite tired, so God said:
Let there be a day
Just for picknicks with wine and bread
He gathered up some people He had made
Created blankets and laid back in the shade
The people sipped their wine
And what with God there, they asked Him questions
Like: Do you have to eat
Or get your hair cut in heaven?
And if your eye got poked out in this life
Would it be waiting up in Heaven with your wife?
God shuffled His feet
And glanced around at them
The people cleared their throats
Stared right back at Him

Locker übersetzt wird da Gott vorgestellt als ein lieber älterer Herr,
der seinen Kindern und Enkeln einen wunderschönen Tag einrichtet
für Picknick und Feschtle, zum Ausspannen!
Für die Decken zum Picknick und den Wein und das Brot
hat er schon gesorgt –
Alles ist da,
bloß.., die Leut sind zu blöd zum Feiern und Ausspannen.
Am Wein nippen sie nur, sie hocken verkrampft da
und fangen hochtheologische Diskussionen an,
fragen Gott, ob er denn im Himmel auch was zu vespern habe,
und ob er den auch mal zum Frisör müsse.
Und noch mehr Stumpfsinn!
Anstatt ganz relaxed zu feiern.
Und daraufhin, so singen die CTD,
daraufhin scharrt Gott ungeduldig mit den Füßen.

Kann ich gut verstehen.
Aber nach dem Song von Brad Roberts gibt Gott nicht auf,
verflucht nicht die verklemmten Blödfrager,
sondern erzählt was ganz Eigenartiges.
Ich habe selbst eine ganze Weile gebraucht,
um hinter den Sinn zu steigen.
Also Gott, so singen die Dummies, erzählt von einem Jungen,
- und jetzt ist Staunen angesagt‑
von einem Jungen also, der eines Morgens mit blauem Haar aufwachte
Und das ohne irgendwelche Chemie!
Ein Junge mit blauem Haar!
Und wie reagiert er darauf?
To him it was a joy - für ihn war's ne Riesenfreude
ich bin einmalig, das war wohl seine Überzeugung! Glückwunsch!!
Aber nun passiert, was jeder unter uns auch kennt:
Der Junge stellt sich plötzlich die Reaktion der andern vor ‑
was werden die zu seinen blauen Haaren sagen?
Und er verkrümmt sich innerlich,
verliert die Freude über seine Einmaligkeit
und ist in Gefahr, das Blöken eines Herdenviehs von sich zu geben:
Ich will sein wie ihr  blök, blök, blöd!
2
Im Song der CTD checken die Leute nichts. Sie fragen Gott über die story vom blauhaarigen Jungen:
War das 'ne Parabel oder ein besonders feinsinniger Witz?
Ich meine es sei eine Parabel, ein Gleichnis:
Den Ruhetag habt ihr und braucht ihr,
damit euch die Freude über Eure Einmaligkeit nicht verloren geht!
Hört hin, was Gott über Euch sagt!
Dazu ist Gottes-dienst, damit dient er uns,
dass er in uns den Glauben an seine und an unsere Einmaligkeit stärkt.
Hört hin,
aber nicht auf den Einebnungszwang der Masse
sondern auf das Einmaligkeitsangebot des guten Gottes.
Blaues Haar oder gar keins,
immer happy oder mehr melancholisch,
Draufgänger oder Mauerblümchen
.. Du bist ein Ebenbild der unendlichen Vielfalt Gottes!
Das heißt zu sich finden!
Ich sag's Euch ganz offen:
Meine 6 1/2 Wochen Ferien, diese 46 fantastischen und freien Tage,
die werden ein einziges Fest der Befreiung vom Einheitszwang,
und das wünsche ich auch Euch allen,
denn es ist wirklich wahr:
Gott freut sich an unserer einmaligen Vielfalt,
er sieht sich darin wie in einen Spiegel!
Dann scharrt er nicht frustriert mit den Füßen!
Amen.

 

Gedanken zur Sonnenfinsternis 1999


Also, am 11. August hält mich nichts mehr: Da muss ich gegen Mittag irgendwo in diesem Streifen sein, der über Saarbrücken(12:29), Baden-Baden(12:31), Stuttgart(12:33), Augsburg(12:36) und München(12:37) läuft. Nur dort wird die Sonnenfinsternis total sein. Die Zeiten in Klammern bedeuten den Beginn einer 2-minütigen totalen Finsternis am jeweiligen Ort.
1842 erlebte Adalbert Stifter eine totale Finsternis in Wien und schrieb:
„... wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunke weg, wahrscheinlich  durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück  - es war ein ordentlich trauriger Augenblick-  deckend stand nun Scheibe auf Scheibe  - und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte-   das hatte keiner geahnet, ein einsstimmiges „Ah“ aus aller Munde, und dann Totenstille. Es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.“

Ziemlich gefühlsdusselig, denken Sie?! Aber wenn Sie bedenken, dass mitten am Mittag die Sterne wieder zu leuchten beginnen und falls Sie ein anderes Objektiv für Ihre Kamera suchen, Sie es nicht finden werden, mitten am Tag!!! Schon irre! Und einmalig ist es auch, für Sie und für mich, denn wer von uns wird am  3. September 2083 noch um den Weg sein, wenn die nächste totale Sonnenfinsternis im deutschsprachigen Raum geschehen wird?

Es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten. Davon ist Jesus auch ausgegangen, dass Gott reden kann mit Sonne und Mond als Sprachrohren. Ja, sagen Sie, das wissen wir: Wenn die Welt untergeht, dann werden Sonne und Mond ihren Schein verlieren. Das steht schon in Matthäi, am Vorletzten.
Humbug! Das wird von Jesus nirgendwo in der Bibel zitiert. Nix Weltuntergang im landläufigen Sinn, sondern Anfang einer neuen Welt! Nix Angstmachen, sondern „Wenn all dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ (Lk.21,28).
Wenn am 11. August die Sonne ihren Schein verliert, dann will ich das als ein Vor-Vorzeichen auf meine nahende Erlösung sehen. Nix Angst, sondern Vorfreude! Freuen Sie sich denn nicht darauf, einmal alles loszuwerden, was Ihr wahres Menschwerden so behindert? Diese Verwirrung, nicht zu wissen, was wirklich wichtig ist im Leben. Oder es vielleicht zu wissen, aber es nicht konsequent in Taten umsetzen zu können. Das loswerden, das ist doch super! Oder diese Unfähigkeit, andere zu verstehen, ihre Interessen so ernst nehmen wie die eigenen. Das als Mängelwesen Mensch (Sünder) loszuwerden, das ist einer meiner größten Wünsche. Davon erlöst werden, ja bitte!

Unsere Sehnsucht nach dieser Erlösung will und kann das Zeichen am 11. August wecken und stärker machen.  Und ganz endgültig wird gelten: „Und die Stadt (Gottes neue Welt) bedarf keiner Sonne noch des Mondes, dass sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm (Jesus).“ Offb.21,23 Dann stimmen die Prioritäten, dann ist wichtig, was wirklich wichtig ist, dann werden wir echte Menschen sein, wahrhaft menschlich, weil der Menschensohn uns leuchtet und erleuchtet.

Und am 11. August ein kurzes Stoßgebet: „Danke Gott, wir haben verstanden!“ So gesehen ist der Stifter’sche Eindruck gar nicht so gefühlsdusselig: „ Es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.“   

 

Meditation zu 1. Thess. 4, 12 und
"Sounds of Silence" von Simon and Garfunkel anlässlich der Konfirmandenvorstellung 1978 in Buchen


Jede Zeit hat ihre Lieder.
Sie drücken etwas vom Geist oder Ungeist ihrer Tage aus.
Sogar ohne Worte oder in einer fremden Sprache
sind solche Aussagen möglich, denn es ist eben Musik,
die oftmals in sich selbst schon aus­drucksvoll genug ist.
Einen solchen Song unserer Tage
möchte ich Ihnen/Euch jetzt vorspielen.
Obwohl er schon 1964,
also im Geburtsjahr der meisten diesjährigen Konfirmanden, geschrieben wurde und auch im selben Jahr auf einer LP herauskam, kennt ihn doch selbst heute fast jeder Jugendliche.
(Sounds of Silence - Simon and Garfunkel wird über Stereoanlage gespielt)
Paul Simon beklagt in diesem Lied
sein Leiden an der Dunkelheit und dem Schweigen.
Beide, Dunkelheit und Schweigen sind nicht wörtlich zu verstehen. Beide sind Bilder für eine gefährliche Vereinsamung,
einer Verein­samung,
die selbst im grellen Rampenlicht des Lebens
und in der lauten Betriebsamkeit des Alltags eine Bedrohung bleibt,
 ja sie wächst sogar darin.
"Silence like a cancer grows" - wie Krebs wuchert dieses Schweigen - unaufhaltsam, in grausamer, gleich bleibender Geschwindigkeit.
Da wird auch in Familien viel geredet
und doch hat mancher das Gefühl:
Ich kann nichts mehr sagen, ich kann nicht das ausdrücken,
was mich wirklich bewegt; keiner weiß, wer ich wirklich bin,
und es will auch keiner wissen.
So denkt oft im Stillen der Mann von der Frau, sie von ihm,
die Kinder von den Eltern, und umgekehrt.
Alles in allem wird das Zusammenleben beherrscht von einem ge­räuschvollen Schweigen, das ist die beste Übersetzung,
die mir für "Sounds of Silence" einfällt.
"People talking without speaking
People hearing without listening"
Die Leute reden ohne wirklich zu sprechen
sie hören, ohne wirklich zuzuhören.
Es gähnt ein geräuschvolles Schweigen.
Schweigen trotz allem Reden,
Schweigen selbst in lauter Betriebsamkeit.
Interessiert es den andern überhaupt, wenn ich etwas sage,
was mir auf der Seele brennt?
Interessiert es mich, was den andern bewegt?
Geräuschvolles, doch nichtssagendes Schweigen!
Und das Schweigen ist von einer drohenden Dunkelheit begleitet. Menschen sind unfähig, zu sehen, wirklich zu sehen.
Sie sehen ihre Mitmenschen nicht, wie sie wirklich sind,
sondern nur noch in starren, durch Vorurteile ze­mentierte Bilder.
Und jeder leidet darunter, nicht so ge­sehen zu werden wie er ist,
oder wie er meint zu sein.
Geräuschvolles Schweigen - grelle Dunkelheit!
Doch Menschen sind eigenartige Wesen:
Sie leiden an die­sem Schweigen
und an dieser Dunkelheit der Vereinsamung,
trotzdem suchen sie sie immer wieder:
"Hello, darkness, my old friend!"
Hallo, Dunkelheit, mein alter Freund.
Vereinsamung, wie auch die Dunkelheit, gewähren Schutz.
Niemand kommt einem zu nahe. Niemand fordert zum Um­denken. Niemand kennt einem gut genug, um einen wirklich zu lieben,
 denn auch Liebe kostet ihren Preis
in der fort­währenden Veränderung auf Liebe hin.
Deshalb wird oft Vereinsamung festgehalten.
"No one dare disturb the sounds of silence!"
Niemand darf es wagen,
dieses geräuschvolle lähmende Schweigen zu stören.
Man hat es sich in der Vereinsamung bequem gemacht.

Aber der Dichter fährt fort:
"Fools, said I, you do not know silence like a cancer grows.
Hear my words that I might teach you,
take my arms, that I might reach you.
But my words like silent raindrops fell
and echoed in the wells of silence."
Narren, rief ich, ihr wisst nicht,
dass das Schweigen wie Krebs wuchert.
Hört meine Worte, dass ich euch lehren kann, nehmt meinen Arm, dass ich euch führen kann.
Aber meine Worte fielen wie lautlose Regentropfen
und gaben ihr Echo in den Tiefen des Schweigens.
(Der Song wird nochmals gespielt)
Narren, rief ich, ihr wisst nicht,
dass das Schweigen wie Krebs wuchert.
Hört meine Worte, dass ich euch lehren kann,
nehmt meinen Arm, dass ich euch führen kann.
Aber meine Worte fielen wie lautlose Regentropfen
und gaben ihr Echo in den Tiefen des Schweigens.

Hier nimmt der Dichter die Stelle
eines von Gott gesandten Propheten ein.
Er muss wichtige Worte sagen, hat eine lebenswichtige Botschaft.
Aber niemand hört ihn,
denn eine Worte werden übertönt von geräuschvollem,
aber nichts­sagendem Schweigen.
Das Licht schien in die Finsternis, aber die Finsternis hat‘s nicht begriffen.
So drückt es der Schreiber des Johannesevangeliums aus.
Das Schweigen ist geräuschvoll,
dass Worte, die über die Ebene des Geschwätzes hinausgehen,
nicht vernommen werden.
Die Dunkelheit ist von so viel Neonlicht erhellt,
dass wahre Erleuchtungen nicht notwendig scheinen.
Die Vereinsamung ist von so viel Betriebsamkeit begleitet,
dass für Kontakte mit Gott oder dem Mensch keine Zeit bleibt.
Im geräuschvollen Schweigen ist Stille ein Heilmittel.
Wie Schweigen vorhin,
so ist auch jetzt Stille nicht un­bedingt wörtlich zu nehmen.
Auch im Hören auf eine Platte oder sogar auf eine Predigt
kann man innerlich richtig stille sein.
Das wirkliche, vorurteilsfreie Zuhören ist schon Stille.
Weil man in der Stille Kontakte aufnehmen kann,
mit dem Grund unseres Lebens, mit Gott,
deshalb ist sie ein Weg aus der Vereinsamung,
ein Durchbrechen des geräuschvol­len Schweigens.
Die Stille über einem Bibelwort, die Stille im Gespräch mit Gott,
die Stille im Hören auf sich selbst und auf andere –
anfangs nur einige Minuten am Tag –
sie wirddas geräuschvolle Schweigen Schritt für Schritt durchbre­chen und uns aus der Vereinsamung im Verhältnis zu Gott
und zu Menschen herauslocken.
"Sounds of Silence" ist ein Lied unserer Zeit.
Stille ist eine Chance unserer Zeit.
(Das Instrumentalstück "Benedictus" von Simon and Garfunkel wird gespielt. )

 

Trauung am 6.September 2008

Kapelle der Burg Guttenberg

Liebe Nathalie, lieber Jochen,
„in jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“
so fängt Hermann Hesse sein berühmt gewordenes Gedicht an.
Am Anfang unserer Liebe sind wir alle verzaubert.
Wir sehen den geliebten Menschen viel positiver als er anderen erscheint:
strahlender, hoffnungsvoller, ja, eben bezaubernder.
Ohne diesen Zauber des Anfangs,
der verklärt, der zudeckt, der über vieles hinwegsieht,
kämen wohl kaum je zwei Menschen zusammen.
Ja, aber ist dieser Zauber dann noch Wahrheit?
Ist das noch ein Lieben in der Wahrheit,
wenn man den Geliebten/die Geliebte so verzaubert sieht?
So müssen wir uns fragen, wenn wir uns eurem Trauspruch aussetzen.

Den habt ihr blitzschnell, in wunderbarer Einigkeit,
ja, synchron gewählt.
Euer Trauspruch ruft euch zu:
„Lasset uns nicht lieben mit Worten,
sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.“ 1. Johannes 3,18

Ihr seid jetzt seit 12 Jahren zusammen und kennt euch seit 15.
Was würdet ihr sagen? Seht ihr euch heute realistischer als damals,
als Nathalie den Jochen mit dem süßen Wautzi-Lied besungen hat?
Inzwischen hat Jochen, der süße wautzige Jochen
sicher auch schon ein paar Mal die Zähne gefletscht, geknurrt
oder gar gebissen, oder nicht?
Ok, realistischer mag eure Liebe heute sein,
aber heißt das automatisch, dass ihr dem Lieben in Wahrheit heute näher seid?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Aber wer weiß, vielleicht kommt in der süßen wautzigen Anfangszeit,
die wir wohl alle kennen, eine Wahrheit zum Vorschein,
die so oft verborgen ist, weil wir alle in der Welt
des „So isses“ „So isser“ und des „Soissie“ leben.
Wir leben meist in der Welt der Oberfläche, nur den Augen zugänglich, wo uns doch der französische Dichter Antoine de Saint-Exupéry
glaubhaft daran erinnert hat,
dass wir das Wesentliche  nur mit dem Herzen gut sehen
.
Könnte es sein, dass in dieser verzauberten, wundersamen Anfangszeit
die Natalie im Jochen und der Jochen in der Nathalie
etwas sahen, was wesentlich ist, was dem Wesen entspricht?
Könnte es ein, dass in der manchmal belächelten Zeit der Verliebtseins,
von der Manche sagen, sie mache blind,
dass wir gerade da, eine Ahnung,
eine Vision von einer verborgenen Wirklichkeit
des geliebten Menschen zu sehen bekamen?
Könnte es sein, dass im Zauber des Anfangs
Wahrheit und Liebe sich besonders nahe waren?
Dann nämlich, wenn in Dostojewskis  Weisheit
„Lieben heißt, jemanden sehen, so wie Gott ihn gemeint hat“
eine wunderbare, geheimnisvolle Wahrheit steckt.

„Lieben heißt, jemanden sehen, so wie Gott ihn gemeint hat“
Wenn also Außenstehende über zwei Verliebte lästern:
„Ich weiß nicht, was die in dem sieht“
dann antworten: Ja, die sieht ihn wie Gott ihn gemeint hat.
Ich muss zugeben, ich liebe diesen Gedanken:
Verliebtsein sei keine dumme Selbsttäuschung
sondern ein wunderbarer Einblick in Gottes ursprünglichen Entwurf.
Das hieße, man hätte im Verliebtsein einen Blick in Gottes Plan getan,
man hätte da eine Ahnung bekommen, was zwar verborgen,
aber der Entfaltung fähig in der Partnerin/dem Partner schlummert
- immer noch -!!
Da warten zauberhafte Möglichkeiten darauf,
wieder entdeckt und erweckt zu werden.

Ok, jetzt sind wir aber schon ein paar Jährchen entfernt
vom ersten Verliebtsein – was jetzt TUN?
Das wunderbare Verliebtsein von damals kopieren, imitieren, inszenieren???
Wir ahnen, das bringt nix als Heuchelei, die zum Himmel stinkt.
Und dazu kommt noch,
dass wir, die Nathalie, der Jochen und auch ich,
nicht nur von der ersten Liebe mehr oder weniger weit entfernt sind,
sondern auch vom Entwurf Gottes.
Wer wollte schon so vermessen sein und behaupten,
er sei so, wie Gott ihn gemeint hat?
Aber was tun, wie leben, wie lieben, wie hoffen,
weit weg von der ersten Liebe und von Gottes Entwurf??

Zwei Verse vor eurem Trauspruch schreibt Johannes:
„Daran haben wir die Liebe erkannt,
dass Jesus Christus sein Leben für uns gelassen hat“ (1.Johannes 3,16)
Am Kreuz hat er deine und meine Gottesferne ausgehalten
als er schrie „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Die Entfernung vom Entwurf Gottes hat EINER ausgehalten –
stellvertretend für uns!
Am Kreuz hat er dir und mir einen Neu-Anfang ermöglicht
als er Gott anflehte:
 „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Unseren Neubeginn, ohne Altlasten, hat ER von Gott erbeten,
und der schlägt ihm keine Bitte ab.

Das alles hat konkrete Auswirkungen bei Gott:
Der sieht nun jeden von uns, so wie er ihn gemeint hat, jeden Tag neu,
weil Jesus den Entwurf verwirklicht hat –
ein für alle Mal - stellvertretend.
Auch wenn wir weit entfernt sind von diesem Entwurf,
Gott hat beschlossen, uns immer durch Christus hindurch zu sehen.
Man könnte mit Phantasie sagen:
Gott hat sich eine jesusmäßig eingefärbte Brille aufgesetzt,
sieht uns jeden Morgen wie ein Frischverliebter.
Und dass Gottes Sicht wahrhaftiger und belebender ist
als unsere eigenen, manchmal so enttäuschten Bilder von einander
das können wir getrost mit dem Herzen glauben,
auch wenn’s den Augen verborgen ist.

Liebe Nathalie, lieber Jochen,
wenn ich euch nachher Gottes Segen zuspreche,
dann heißt das:
Gott erneuert und stärkt in euch die Fähigkeit,
einander mit dem Herzen zu sehen.
einander zu sehen, wie Gott euch sieht
und das jeden Tag neu.
Oh, glaubt mir, ich weiß, dass das nicht immer leicht ist,
wenn’s grad gekracht hat, wenn Frust einen lähmt.
Aber wenn die Sonne aufgeht, sieht Gott uns in einem neuen Licht.
Macht’s wie er, dann wird das Wautzige und Süße zwischen euch lebendig bleiben, Gottes Entwurf in Phantasie aufblühen.
Das ist dann eine Liebe,
die von Gottes Liebe und in seiner Wahrheit lebt,
in steter Dankbarkeit und lebendiger Hoffnung.
Ach so, ihr denkt jetzt vielleicht:
Ja, das mit der Wahrheit und der Liebe,
das hat der Helmut gebracht in seiner Traupredigt,
aber über das Tun hat er überhaupt nicht gesprochen.
Ach, tut das konkret, euch selbst und den Partner jeden Morgen
in Gottes neuem Licht zu sehen,
dann werdet ihr merken, dass das eine TAT ist,
fast so gewaltig wie Gottes Schöpfertat im ES WERDE.
Und Gott sah, dass es gut war, sehr gut sogar.
Amen.

Dr. Helmut Karl Ulshöfer    Utopien    Grünkern-Country