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    | Septuagesimä 1984  | Römer 9, 14-24 | Gottes willkürliche Treue |  
    | Septuagesimä 2011 | Lukas 17, 7-10 | Vom Selbstverständnis der Christen |  
    | Sexagesimä 1986 | Hebräer 4, 12-13 | Die Kirche muss unter’s Messer |  
    | Sexagesimä 1987 | Markus 4, 26-29 | Der hohe Preis von Ansprechbarkeit |  
    | Estomihi 2003 | Markus 8, 31-38 | Du meinst nicht was göttlich ist |  
    | Invokavit 1985 | Offenbarung 21, 1 | Chaos und Kosmos |  
    | Invokavit 1989 | Lukas 22, 31-34 | Wenn der Hahn kräht |  
    | Lätare 2001 | Johannes 6, 47-51 | Lebenshunger |  
    | Judika 2004  (…. Die Unvollendete) | Hebräer 5, 7-10 | Die Unvollendete |  
    | Judika 1989 | Johannes 11, 47-53 | Wenn der Nutzen als Gott verehrt wird |  
    | Palmsonntag 1987 | Lukas 7, 36-50 | Eine buchstäblich anstößige Frau |  
    | Karfreitag 1989 | Matthäus 27, 31-50 | Um Gottes Willen,steht ihm keiner bei!? |  
    | Ostern 1995 | Matthäus 28, 1-10 | Ist Matthäus ein Hollywood-Autor? |  
    | Quasimodogeniti 1990 | Jesaja 40, 26-31 | Huhn oder Adler  |  
    | Quasimodogeniti 2005 | Johannes 21, 1-14 | Wie lange dauert Ostern? |  
    | Miserikordias Domini 2008 | Johannes 10, 11-16 | Eine gestörte Idylle |  
    | Kantate 2006 | Apostelg. 16,23-34 | In tiefster Nacht |  
    | Kantate 2009 | Matthäus 11, 25-30 | Der Heilandsruf |  
    | Rogate 2003 | Lukas 11, 5-13 | Der bewegte Beweger |  
    | Himmelfahrt 1978 | Kolosser 3, 1-4 | Gott in der Höhe – Gott in der Tiefe |  
    | Pfingsten 2002 | Römer 8, 1-2;10-11 | Verdammt nochmal |  
    | Pfingsten 1983 | Johannes 4,19-26 | Theologische Diskussion als Flucht |  
    | Pfingsten 2008 | Apostelg. 2, 1-13 | Mit einer Liebesgeschichte fing es an |  
    | Pfingst-Montag 1990 | Genesis 11,1-9 | Babel ist überall |    Septuagesimä 1984 - Römer, 9, 14-24
  14 Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist  denn Gott ungerecht? Das sei ferne! 15 Denn er spricht zu Mose (2.Mose 33,19):  »Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen  erbarme ich mich.« 16 So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder  Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. 17 Denn die Schrift sagt zum Pharao  (2.Mose 9,16): »Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht  erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.« 18 So  erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. 19 Nun  sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen  widerstehen? 20 Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott  rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich  so? 21 Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein  Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?  22 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit  großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren,  23 damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der  Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit. 24 Dazu hat  er uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.   Kaiser,  wie viel Schritte schenkst du mir? Ein Kinderspiel! – Sie  kennen es wahrscheinlich auch.
 In  unserer Gegend nennt man dies Spiel zuweilen auch
 „Mutter, Mutter, wie weit darf ich reisen?
 Ein  Kind ist Kaiser oder Mutter.
 Die  anderen Mitspieler stehen in einiger Entfernung und fragen demütig der Reihe  nach: Kaiser, wie viel Schritte schenkst Du mir?
 Und  nun liegt es ganz im Ermessen des Kaisers,
 wie  weit er die einzelnen Mitspieler näher zu sich kommen lässt.
 Er  kann Elefantenschritte, aber auch nur Gänsefüßchen gewähren,
 er  kann einen bezeichnenderweise ins Himmelreich kommen lassen, aber auch zurück  zum „Gänse füttern“ schicken.
 Es  liegt alles an des Kaisers oder der Mutter Wohlwollen,
 ob  nun einer vorrückt oder zurück muss,
 ob  einer sich lange in der Nähe des Ausgangspunktes herumquälen muss…
 oder  ob einer- was eigentlich noch schlimmer ist- sich immer nur wenige Schritte vor  dem Ziel geringfügig hin- und herbewegen darf – ohne je wirklich ins  „Himmelreich“ zu kommen, um den Kaiser abzulösen und des Vorgängers Willkür zu  überbieten.
 („Darf ich?“).
 Meine  Töchter haben dieses Spiel zusammen mit anderen zuweilen im Hof gespielt -  Gerade, wenn eine der beiden nie recht zum Zuge kann, weil der Kaiser eben  andere bevorzugte,
 hätte  es mich manchmal gereizt,
 rauszugehen,  um meine Kinder von der absoluten Dummheit des Spiels zu überzeugen und sie von  der Willkür des Kaisers zu befreien. Ich habs nie getan, denn eins war immer  deutlich:
 Die Kinder, und zwar nicht nur der Kaiser,  spielten mit Begeisterung
 An  dieses Kinderspiel musste ich denken, als  ich einzelne Verse aus dem heutigen Predigttext las (Vv.16. 18, 20-21  zitieren!)
 Treibt  denn Gott sein Spiel mit uns?
 Der  eine strampelt sich ab und kommt nie zum Ziel –
 ein  anderer lehnt sich lässig zurück und macht dennoch das Rennen!!!??? Nun ja,  wenn das im Leben so ist – das kann ja noch angehen.
 Aber  wenn es um unsere ewige Bestimmung geht – um das Himmelreich??!! Das riecht  doch nach Willkür!
 Und  der Geruch ist uns doch zuwider!
 Willkür!  Handeln ohne berechenbare und faire Maßstäbe!
 Da  ist doch keiner unter uns, der in Schule, Beruf, Familie oder sonst wo nicht  schon unter der Willkür von Lehrern, Vorgesetzten oder Familienmitgliedern  gestöhnt hätte.
 Wird  man willkürlich behandelt, so weiß man nicht, warum man diese Zurücksetzung  oder jene Benachteiligung verdient hat.
 Und je mehr einer unter uns unter der  Unberechenbarkeit anderer gelitten hat, desto stärker wird sein Widerwille sein  auch gegenüber Aussagen von Gottes Vorausdenken!
 Doch  hier liegt doch eigentlich schon das Problem:
 Die  Erfahrungen eines Menschen mit einem anderen werden übertragen auf Gott.
 Diese  Übertragungen sind doch schon unter Menschen höchst unfair und gefährlich  (Beispiel mit meiner Reaktion auf das Spiel „Kaiser“ der Kinder – meine  Erfahrungen von Willkür auf das Spiel übertragen!!! Andere Situationen).
 In  unserem Text geht es um Gottes Vorausdenken
 über  das wir nachdenken dürfen,
 es  kann aber eben nur ein Nachdenken sein.
 Im Nachdenken über Gottes Vorausdenken wurden  wir gerade an den ersten wichtigen Gesichtspunkt erinnert, den es zu bedenken  gibt:
 1. Das echte Nachdenken über Gottes  Vorausdenken geschieht vor Gott.
 Gottes  Vorausdenken ist eine Wahrheit des Glaubens.
 Glauben  aber ist eine Beziehungssache,
 also  darf über Gottes Vorausdenken nicht beziehungslos spekuliert oder situationsvergessen  diskutiert werden.
 Vor  Gott nachdenken heißt: Betend nachdenken!
 So  kann Gott selbst alles abschirmen, was unser Nachdenken verdrehen könnte: die  miesen Erfahrungen mit Menschen und ihrer Willkür, von der Gott Lichtjahre weit  entfernt ist.
 Auch  Paulus denkt vor Gott nach, denn die Kap. 9-11 des Römerbriefes, denen unser  Predigttext entnommen ist,
 bilden  eine Einheit und sind an Anfang und Ende von des Apostels anbetendem Lobpreis  umschlossen!
 Geschieht  Nachdenken über Gottes Vorausdenken vor Gott,
 so  geschieht Befreiung von unbedachten Übertragungen auf Gott und auch Befreiung  von der Schein-Logik menschlichen Denkens, das, wenn es um Gott geht, immer um  einige Dimensionen zu arm ist.
 Das Nachdenken über Gottes Vorausdenken  geschieht vor Gott,
 damit keine unbedachten Übertragungen  geschehen,
 aber  es kommt nicht ohne Gleichnisse aus unserer Erfahrungswelt aus:
 Dabei  kann deutlich werden: 2 Nicht  alles, was nach Willkür aussieht, ist es auch.
 Wenn  zwei das Gleiche tun, so ist es noch lange nicht dasselbe (Beispiele: Verbot  von Süßigkeiten für das Kind, Kind erlebt es im Vergleich zu andern Kindern,  die Süßigkeiten essen dürfen, als reine Willkür) Kind Himmel Hölle! (Ohne  Vergleich – kindl. Vertrauen) Wenn das schon unter Menschen gilt, wie viel mehr  zwischen Gott und Mensch.
  3. Unser öffentliches Nachdenken über Gottes  Vorausdenken muss ein seelsorgerliches Ziel haben (Beispiel  des Paulus: Heidenmission – Israels Ablehnung Jesu Christi – Heiden: Können wir  auch Erwählte Gottes sein?
 Juden:  Hat Gott seine Erwählung aufgegeben?
 Seelsorgerliche Antworten!
 Was  aber ist nun das seelsorgerliche Anliegen der Botschaft von Gottes Vorausdenken  für uns?
 Unser Nachdenken über Gottes Vorausdenken soll  und kann bewirken,
 dass  der Pharisäer in uns untergeht,
 damit  der Jünger in uns auferstehen kann! (Iwand).
 Nur  wenn der Pharisäer in uns in den Tod gegeben wird, kann der Jünger in uns  auferstehen.
 Das  Gefährliche am Pharisäer in uns ist, dass er absolut fromm ist.
 Er nimmt Gott sehr ernst – sich selbst aber  auch!
 Es  geht ihm um Gottes Ehre – aber die seine soll auch nicht zu kurz kommen.
 Er  rühmt Gottes Gnade und Barmherzigkeit –
 freut  sich aber auch besonders über seinen Beitrag zu seiner Rettung. Wie gesagt, das  ist keine Beschreibung irgendeines Einzelnen, sondern von dem Gespenst unserer  selbst gestrickten Frömmigkeit,
 die  sich Gottes Wirken entgegenstellt.
 Wer  glaubt, der Pharisäer in uns sei durch die Bekehrung ersäuft,
 kann bald wie jener Bruder aus einer  Gemeinschaft mit Schrecken feststellen:
 Das Aas kann schwimmen!
 Er  beobachtet: Es gibt Glaubende und nicht Glaubende!
 Ich habe mich geöffnet, bin gefolgt, habe mich  bekehrt etc.
 Er kommt zu dem Schluss:
 Die  Eigenbeteiligung macht den Unterschied! Wie bei der Kasko-Versicherung: Je mehr  Eigenbeteiligung, desto billiger! Billige Gnade! So wird Gott zum billigen  Jakob! Aber Gott teilt seine Ehre mit keinem Menschen – besonders nicht wenn es  um die Rettung von Menschen geht!
 Das  tut sein Sohn allein! Ohne mein Zutun! Ja, ohne dein Zutun!
 Aus  reinem Erbarmen! O wie tut das dem Pharisäer in uns weh!
 Es könnte sein Todesstoß sein! Jetzt könnte  der Gott ganz vertrauende und ihn allein lobende Jünger verstehen.
 Aber  der Bursche ist hartnäckig.
 Jetzt  wird offenbar, dass der Pharisäer nicht länger oder überhaupt nicht Gottes  Vorausdenken nachdenken möchte,
 sondern aus dem Nachdenken wird ein  Vorschreiben:
 Lieber  Gott, nach meinem Gerechtigkeitsgefühl ….
 Er  denkt scheinbar fürsorgend an andere:
 Gott,  du kannst doch nicht einfach so bestimmen,
 dass  einer ein Gefäß zu Ehren, etwa eine Orchideenvase ist,
 und  der andere ein Gefäß zu Unehren, also vielleicht ein Nachttopf! Wenn einer  Orchideenvase wird - dann aus Eigenbeteiligung,
 wenn  einer Nachttopfwird - dann aus eigenem Verschulden!
 (Ehre  –Unehre – aus menschlicher Sicht).
 Wie sträubt sich doch der Pharisäer gegen den  Gedanken von Gottes freier, souveräner Gnadenwahl!
 Es  könnte sein Leben kosten! Aber das soll es ja gerade!
 Sonst kann der Jünger nicht auferstehen!
 Und auf einmal steht der Pharisäer in uns da,
 er  wähnt sich gerechter als Gott, fürsorgender als Gott,
 ja sogar liebevoller als Gott –
 Er  stellt sich selbst hin und wähnt sich als Vorbild für Gott!
 Wird  er nun erkannt als der satanische Betrüger!?
 Möchte  ich, dass er stirbt?
 Ja – er soll zerbrechen immer wieder –  zerbrechen an Gottes souveräner Barmherzigkeit.
 In ihr liegt Trost für die Angefochtenen und  heilsame Verunsicherung für die Selbstsicheren.
 Beides  geschieht aus Gottes Sorge, seine Fürsorge um unsere Seele
 Amen
   
 
        Septuagesimä 2011 - Lukas 17,7-10Wer  unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm,  wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch?  8 Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze  dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch  essen und trinken? 9 Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was  befohlen war? 10 So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen  ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun  schuldig waren.
 Liebe Gemeinde,es gab mal eine Zeit in meinem  Leben,
 so zwischen 14 und 20,
 da nannte man mich Kamerad  Ulshöfer, das war beim Roten Kreuz,
 auch Kollege Ulshöfer wurde ich  genannt, und zwar in der Gewerkschaft
 und schließlich war ich auch der  Bruder Ulshöfer, bei den Liebenzellern.
 Das kam mir manchmal lustig vor,
 denn ich ich war doch immer und  überall derselbe Helmut Ulshöfer.
 Und manchmal kam es zu  interessanten Anreden,
 zum Beispiel wenn es den  Jungschar-Buben komisch vorkam,
 mich Bruder zu nennen.
 Dann war ich für sie ab und zu  der Herr Bruder.
 Kamerad, Kollege, Bruder, wie  auch viele andere ähnliche Begriffesind ja nicht vorrangig Anreden.
 Nein, sie bringen eine besonders  geprägte Beziehung zum Ausdruck.
 Wer mal mit anderen RK-Helfern zu  einem schweren Unfall kam,
 wer diese erste Hilflosigkeit,
 dann aber auch das gemeinsame  konkrete Helfen,
 das aufeinander Angewiesensein  erlebt,
 der weiß, warum er und die  anderen Helfer sich als Kameraden verstehen.
 Und so ist es auch mit Kollege  und Bruder;
 es sind besonders geprägte  Beziehungs-Begriffe.
 Jeder hat seinen eigenen inneren  Klang,
 ja, jeder schafft eine bestimmte  Atmosphäre, bestimmte Gefühle,
 ein gewisses Selbstverständnis.
 Es kommen also nicht vorrangig  Funktionen zum Ausdruck,
 sondern Einstellungen, Bilder von  sich und den andern.
 War ich unter Kameraden nahm ich  mich selbst anders wahr
 als unter Brüdern oder unter  Kollegen.
 Und ich hab die andern auch  anders gesehen.
 Und man hat in jedem Kontext eine  andere Sprache gesprochen.
 Ja, in gewissem Sinn hat man sich  anders verhalten,
 weil man sich selbst und die  eigene Rolle
 in jeder Umgebung anders  verstanden hat.
 Welches Selbstverständnis man von  sich hat
 wirkt stark auf die Gefühle, das  Tun und das Reden.
 Im für den heutigen Sonntag  vorgeschriebenen Bibeltextkonfrontiert uns Jesus als seine  Jünger mit einer harten Forderung:
 Versteht euch als Sklaven – und  zwar als unnütze!
 Nix Kamerad, nix Kollege, nix  Bruder.
 Auch nix Kind oder Geschöpf  Gottes.
 Nein, versteht euch als unnütze  Sklaven.
 Hören Sie selbst aus Lukas 17, 7-10:
 (Textlesung) Wie bitte, möchten wir ausrufen,  das ist merkwürdig?
 Deshalb schaue ich als gelehriger  Schüler von Klaus Berger nochmals hin
 Er hat mir beigebracht, dass  merkwürdige Worte Jesu merk-würdig sind.
 Jesu Gleichnis besteht zunächst aus drei rhetorischen Fragen:
 Wer unter euch hat einen Knecht,  der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt:  Komm gleich her und setz dich zu Tisch?
 Antwort der Hörer Jesu wie aus  einem Mund: Natürlich niemand!
 Wird er nicht vielmehr zu ihm  sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen  und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken?
 Antwort der Hörer Jesu wie aus einem  Mund: Aber natürlich!
 Die dritte:
 Dankt er etwa dem Knecht, dass er  getan hat, was befohlen war?
 Antwort der Hörer Jesu: Niemals!!
 Da sind sich alle einig, bei  allen drei Fragen Jesu:
 Genau so geht’s zu zwischen  Herren und Sklaven.
 So isses!
 Das alles ist für Jesu Hörer  selbstverständlich – nur für uns nicht!
 Wir regen uns schon über die drei  rhetorischen Fragen Jesu auf.
 Nur als Nebenbemerkung sei  gesagt:
 Ob wir wirklich Grund haben uns  aufzuregen weil unsere Zeit so viel aufgeklärter und demokratischer und  emanzipierter sei,
 ist nicht so sicher.
 Es könnte ja sein, dass die  Sklaven-Herren-Beziehungen heute
 nur verborgener, hinterhältiger  und besser verbrämt sind.
 Aber das ist eine andere  Baustelle.
 Jesus hat also seine Zuhörer  durch geschickte Fragendahin gebracht, wo er sie haben  wollte:
 Sie sollen ein bestimmtes  Verhalten zwischen Herren und Sklaven
 als völlig selbstverständlich  bejahen.
 Auch seine zwei Ausflüge ins  Reich der Fantasie
 - dient der Herr zu Tische oder  dankt er dem Sklaven -
 haben dieselbe Stoßrichtung:
 Es ist normal und völlig  selbstverständlich,
 dass der Sklave dem Herrn seine  völlige Arbeitskraft schuldet,
 für Dank oder sonstige Erwähnung  der Leistung besteht kein Grund.
 Das ist unerträglich für uns  Heutige,aber der eigentliche Hammer kommt  erst noch,
 und zwar für damalige und für heutige Hörer des Gleichnisses:
 So auch ihr! Wenn ihr alles getan  habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben  getan, was wir zu tun schuldig waren.
 So wie ich mich beim Roten Kreuz  als Kamerad,bei den Liebenzellern als Bruder  und in der Gewerkschaft als Kollege verstanden habe,
 so soll ich mich vor Gott als  Sklave verstehen.
 Im Vergleich zu Sklave sind  Kamerad, Bruder und Kollege
 ja recht angenehme Varianten von  möglichen Selbstverständnissen
 Da sträubt sich doch alles in uns  gegen dieses Wort Jesu.
 Das passt doch auch nicht zu  allem wie er sonst seine Nachfolger sieht
 als Kinder oder Geschöpfe Gottes.
 Oder, wenden Bibelfeste ein,  Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße,
 der Herr verhält sich wie ein  Sklave, seine Schüler werden Herren.
 Das passt doch nicht zusammen mit  dem heutigen Predigttext..
 Aber der nachdenkliche Teil in  mir beobachtet:
 Wie oft passen scheinbar  gegensätzliche Dinge zusammen,
 gehören manchmal sogar zusammen!
 Passen nicht Güte und Strenge  wunderbar und notwendig zusammen?
 Zunächst überwog bei mir  allerdings auch das kritische FragenAber im Verlauf der Jahre habe  ich gelernt,
 dass harte Worte Jesu mehr  Wahrheit und Schönheit in sich haben
 als die einschmeichelndsten  Weisheiten mancher Schönredner.
 Wie oft wollte ich bei der  Predigtvorbereitung
 auf einen andern Bibeltext als  den vorgeschriebenen ausweichen,
 weil der zu hart, zu unangenehm,  zu ärgerlich war.
 Und jedesmal hab ich nach  quälenden Stunden
 der Beschäftigung mit einem  sperrigen Wort Jesu gemerkt:
 Das Wort ist eine Kostbarkeit und  tut mir sooo gut.
 Und ich greife jetzt vor wenn ich  Ihnen verrate,dass es diesmal mit dem  anstößigen Wort vom Sklaven wieder so war. Sie werden denken: Der ist total  meschugge
 wenn ich Ihnen sage:
 Ich habe entdeckt, dass es in  diesem Wort vom Sklaven
 paradoxerweise um Freiheit geht,
 dass darin wunderbare, echte und  nachhaltige Freiheit zu finden ist.
 Wenn das nicht faszinierend ist:
 Verstehst du dich als Sklave vor  Gott findest du Freiheit.
 Aber wie soll das zugehen?
 Es geht eindeutig und allein um  unser Selbstverständnis vor Gott.Jesus will also nicht, dass wir  uns vor Menschen als Sklaven verstehen.
 Das Dumme ist nur:
 Wir brauchen immer Bilder und  Vergleiche
 vom Menschen und seinem Leben
 um Gott auch nur annähernd zu  verstehen.
 Jesus selbst braucht ja  Gleichnisse,
 Vergleiche aus dem Leben der  Menschen,
 um Gott und sein Reich  verständlich zu machen.
 Also wage auch ich, von Menschen  zu reden,will damit aber etwas verständlich  machen,
 was Gott betrifft, was vor Gott gilt:
 In der eingangs bereits erwähnten  Zeit bei Roten Kreuz
 erlebte ich so mit 17 oder 18  etwas sehr Eindrückliches:
 (nicht geehrt, obwohl seit 50  Jahren beim DRK)
 Noch viele Jahre erlebte ich  diese Frau als ein Häuflein Elend:
 Sie fühlte sich sooo verletzt,  übergangen, beleidigt.
 Und das änderte sich auch nicht,
 nachdem man die Ehrung nachgeholt  hatte.
 Und irgendwann kam für mich der  Riesen- Schock
 als es mir dämmerte, dass ich  auch so bin, wenigstens manchmal.
 Manchmal ein Sklave von  Anspruchs-Denken und Ehrenkäserei.
 Wie kann man doch leiden unter  nicht genügender Beachtung!
 Wie kann man sich doch  erniedrigen und zum Bettler werden,
 wenn man meint, zu kurz zu  kommen!
 Wie kann man doch beinahe kaputt  gehen,
 wenn man meint, es wird einem  verdiente Ehre vorenthalten!
 Das ist wahrhaft Sklaverei.
 Die Sklaverei des überzogenen  Anspruchs.
 Die Knechtschaft der ehrenkäsigen  Bettlerei.
 Die Abhängigkeit von Lob, von  Dank, von Würdigung.
 Wie ist das doch alles so  entwürdigend, so kleinlich, so beschämend.
 Und da hinein erklingt Jesu Ruf  in die Freiheit:Sprecht: Wir sind unnütze  Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.
 Es ist als wollte Jesus sagen:
 Ihr müsst umdenken,
 wenn ihr vom versklavenden  Anspruchsdenken frei werden wollt.
 Eine neue Sicht der Dinge braucht  ihr zu eurer Freiheit.
 Am besten ihr fangt in eurem  Glauben an,
 erneuert euer Selbstverständnis  vor Gott,
 das wird sich dann auswirken auf  euren Alltag.
 Wollt ihr frei werden von der  Sklaverei der Ansprüche von Menschen,
 dann gebt zuerst eure Ansprüche  vor Gott auf.
 Denn wenn ihr ehrlich und  unverkrampft seid
 werdet ihr selbst merken, dass  ihr vor IHM keine Ansprüche habt.
 ER ist der Heilige, der HERR, der  Schöpfer!
 Was wollt ihr denn vor IHM  geltend machen?
 Die 50 Euro für Brot für die  Welt?
 Eure Zeit im Engagement für die  Kirche?
 Oder dass ihr manche der 10  Gebote so leidlich gehalten habt?
 Wollt ihr von solchen peanuts  Ansprüche vor Gott ableiten?
 Allen Ernstes?
 Das sind doch  Selbstverständlichkeiten
 wenn man Gottes Größe und die  eigene Armseligkeit einmal nüchtern gegenüberstellt
 Das sind doch  Selbstverständlichkeiten
 wenn man sich vor Augen führt,  wie gut es uns geht.
 Das sind doch  Selbstverständlichkeiten
 wenn man nur anfängt zu bedenken
 was es Gott gekostet hat, uns zu  erlösen.
 So gehört es zu unserem  Selbstverständnis vor Gott,dass wir diese  Selbstverständlichkeiten
 in allen Sprachen kommentieren  mit:
 Kein  Thema!
 Don't  mention it!
 oder besonders schön im  Französischen:
 de rien
 frei ins Deutsch der Schüpfer-  und Umpfertäler übersetzt:
 Dess iss doch niggsch!
 Wenn ihr alles getan habt, was  euch befohlen ist, so sprecht:
 Wir sind unnütze Knechte;
 wir haben getan, was wir zu tun  schuldig waren.
 Amen
 
 
   Sexagesimä 1986 Hebr. 4, 12-13, (Einführung in  Bruchsal)  12 Denn  das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige  Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein,  und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. 13 Und kein  Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor  den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.  Liebe Gemeinde, beinahe hätte ich meinen Dienst in Bruchsal  mit einer Flucht begonnen.
 Als  ich nämlich vor einiger Zeit nachschaute,
 über welchen Bibeltext ich heute zu predigen  habe,
 traf dieser mich wie ein Hammer.
 Der für den heutigen Sonntag Sexagesimä  vorgeschriebene Text besteht zwar nur aus zwei Versen, aber die sind so hart,
 erscheinen nahezu brutal, dass ich mir  zunächst einen anderen aussuchen wollte. Aber hören Sie diese Verse selbst.
 12 Denn  das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige  Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein,  und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. 13 Und kein  Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor  den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen. Das geht durch Mark und Bein! So soll es nach diesen Worten auch sein!
 Aber da regt sich doch beinahe so etwas wie  Widerwillen,
 oder nicht!?
 Ein Gott, der mich seinem Wort einem  schneidend und gnadenlos durch die Rippen fährt.
 Unwillkürlich drängt sich das Bild von einem  Schlachter auf!
 Ein Gott, der uns die Kleider vom Leib reißt?!
 Gott als Voyeur?? Ist das nicht ein ekliges  Bild!
 Ja, aber warum predige ich nun doch über  diesen Text?
 So als Gehorsamsübung gegenüber meiner  Kirchenleitung?
 Zwei Dinge haben mich dazu veranlasst:
 
  Ein altes Märchen, über das ich gestolpert bin;Die Nachrichten der letzten Wochen. Lassen Sie mich mit dem zweiten Grund, mit  einigen von mir selbst formulierten Schlagzeilen beginnen:Ronald Reagan probt Kriegsspiele vor der  Haustür eines Irren in der Großen Syrte.
 Frohe Weihnachten in Afghanistan bedeutete  den Beginn des siebten Jahres sowjetischer Unterdrückung.
 Ein hoher Richter philosophiert über den Wert  menschlichen Lebens. Unsere Erde wird durch den rasant steigenden CO²-Gehalt in  wenigen Jahrzehnten zum Treibhaus.
 Bei Boxberg versuchen Holzfäller des Guten  Sterns das Tempo des Waldsterbens zu übertrumpfen.
 Die Aufnahmefähigkeit für Skandale ist beim  Durchschnittsmenschen erschöpft.
 Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.  Ich nehme an, dass jeder unter uns so seine eigene  Nachrichtenliste hat,
 die ihm die Frage stellt: Wie soll denn das  noch alles weitergehen? Kann das gut gehen? Ist da nicht etwas krank?
 Muss da nicht mal aufdeckend, klärend,  schneidend, richtend dazwischengefahren werden?
 Wo ist das befreiende Wort, das es Menschen  und Systemen ermöglicht, aus Teufelskreisen von Gewalt und Gegengewalt, aus Lug  und Trug auszubrechen?
 Von einem solchen Wort, unschuldig, aber  treffend, hart aber befreiend, handelt das bekannte Märchen von „Des Kaisers  neue Kleider“.
 Da gab´s in einem fernen oder nicht so fernen  Land einen Kaiser,
 der viel von schönen Kleidern hielt.
 Eigentlich waren Kleider sein Lebensinhalt.
 Zwei Gauner suchen diese Macke ihres  Regierenden zu ihren Gunsten auszunutzen.
 Sie gaben vor, die besten Weber von Kleiderstoffen  zu sein. Unvergleichliche Farben und ausgefallenste Muster seien ihre  Spezialität. Und noch eine Besonderheit sei ihren Stoffen eigen:
 Sie blieben unsichtbar an jedem, der zu  seinem Amt nicht tauge.
 (Wie  bin ich froh und wie können Sie erleichtert aufatmen,
 dass mein Talarstoff nicht aus deren  Werkstatt stammt!!!)
 Eben diese Eigenart der neuen Stoffe,  unsichtbar für Unfähige,
 war dem Kaiser besonders wichtig, denn er  gedachte,
 damit seine Räte und Beamten zu testen und zu  entlarven.
 Schließlich sind des Kaisers neue Kleider  fertig.
 Um sich keine Blöße zu geben, gibt natürlich  jeder vor,
 die  Kleider tatsächlich zu sehen und zu bewundern,
 der Kaiser und seine Beamten eingeschlossen.
 Und als nun der feierliche Zug durch die  Straße zieht (und nun zitiere ich das Märchen wörtlich) „lobte jeder, was nicht  zu loben war, da es überhaupt nicht bestand“.
 Mitten hinein in diese Situation von  Täuschung und Selbsttäuschung fällt aber nun ein Wort – nur ein Satz:
 „Der  hat ja gar nichts an!“ Es ist nur das Wort eines Kindes –
 aber dennoch richtet es gerade das aus, was  der heutige Predigttext gerade auch dem Wort Gottes zuspricht:
 Es deckt Lug und Trug auf und trifft den  Kaiser,
 die Räte, die Gauner und auch die gaffenden  Zuschauer bis ins Innerste. Aufgedeckt liegt der ganze Schwindel vor jedermanns  Augen!
 Es wäre nun für mich ein Leichtes,
 die Situation unserer Welt mit der des  Märchens zu vergleichen. Genügend Anschauungsmaterial ließe sich ja leicht  finden.
 Der Schluss könnte dann gezogen werden:
 Ja, und so wie im Märchen das Wort des Kindes  muss das Wort Gottes, das in der Kirche gepredigt wird, schneidend in die  Verhältnisse dreinfahren und Schwindel und Korruption in der Welt aufdecken.
 Da ist ja sicher auch etwas Richtiges dran –  ABER, wenn das alles wäre, brauchte man die, die mit dem Wort Gottes betraut  sind,
 ja nur  zum Training in die SPIEGEL-Redaktion
 oder zu G. Walraff schicken,
 denn dort könnte man im Aufdecken von  Skandalen geschult werden (und das soll an dieser Stelle gar nicht grundsätzlich  madig gemacht werden). Doch für die Kirche wäre das entschieden zu wenig,
 dies  allein wäre geradezu katastrophal!
 Denn wenn wir wirklich Kirche sind,
 dann sind wir zunächst und zuallererst Kirche  unter dem Wort!
 Um bei dem Bild des Textes und der Sprache  der „Schwarzwaldklinik“ zu bleiben:
 Die Kirche muss unter´s Messer – Sie und ich!
 Liebe  Gemeinde, ich weiß, das klingt nicht sehr angenehm,
 aber dabei bleibe ich ja nur beim Tenor  unseres Predigttextes!
 Ja, die Kirche, Sie und ich, wir müssen  unter´s Messer!
 Denn sehen Sie, wer mit offenen Augen und  ohne Täuschung und Selbsttäuschung erkennt, dass unsere Welt krank ist,
 der  muss in aller Fairness und Nüchternheit erkennen,
 dass die Kirche, die Gemeinschaft,
 die  sich unter Gottes Wort sammelt, eben an denselben Krankheiten teilhat.
 Wer die Welt oder einfach die andern als  krank,
 die Kirche oder sich selbst aber als gesund  sieht,
 der  krankt dann an der schlimmsten Krankheit,
 dem  Pharisäismus, der dem fleischgewordenen Wort Gottes,
 Jesus Christus  am allerwiderlichsten war,
 und der ihn schließlich ans Kreuz schlug.
 Der Unterschied zwischen Kirche und Weltliegt  nicht im Gegensatzpaar hier gesund, da krank,
 sondern lediglich darin, dass die Kirche  einen guten Hausarzt hat. Deshalb singt uns nachher der Chor auch die  Verheißung zu:
 „Ein Arzt ist uns gegeben“.
 Wenn also Kirchgänger von anderen hämisch  kommentiert werden mit: „Na ja, die werden´s nötig haben!, dann trifft das  exakt den Sachverhalt, denn auch vom Menschen, den wir eine Arztpraxis betreten  sehen, nehmen wir folgerichtig an, dass er nicht zu seinem Vergnügen hingeht!
 Wenn das verkündigte Wort Gottes zuweilen weh  tut,
 so  liegt das nicht am raffiniert zu Tage tretenden Sadismus des Pfarrers, sondern  eben am Hausarzt, dessen Handlanger der Prediger zu sein hat. Aber bitte beten  Sie für Ihren Pfarrer,
 dass er sich immer zuerst selbst unter´s  Messer des Wortes Gottes begibt,
 dass er sich wieder und wieder selbst in der  Praxis des Hausarztes einfindet,
 denn nur so kann er im Segen und in  Glaubhaftigkeit Arzthelfer sein!
 Nun wäre es aber geradezu tragisch, wenn  Gemeinde unter dem Wort sich nur um die eigenen Wehwehchen kümmerte. Dann würden Hypochondrie, fortwährende  Nabelschau und geistliches Pulsfühlen in ihr Urstände feiern.
 Wie verfehlt wäre es, wenn aus der Kirche  fortwährend wegen Besitz des eigenen Krankenscheins Hallelujas zum Himmel  stiegen,
 die  Welt aber vor die Hunde ginge.
 Nein,  der heutige Text erinnert uns:
 Wir müssen Rechenschaft ablegen vor Gott, und  Verantwortung ist nach gesamtbiblischen Zeugnis universal,
 sie gilt Gottes ganzer geliebter Welt!
 Wer sich nur um die eigene Gesundheit,  sprich Rettung oder Seligkeit müht, der vergräbt sein Pfund.
 Das Wort darf, ja, muss, sich durch die dicke  Haut der Kirche nach draußen schneiden,
 sie kann auch der Welt nicht ersparen,
 sich diesem scharfen Instrumenten  auszusetzen.
 Deshalb sind auch die anfangs in Schlagzeilen erwähnten Probleme unserer Welt nicht tabu.
 Wer meint, man müsse die Welt ihrer  Eigengesetzlichkeit überlassen, überlässt sie dem Untergang.
 Wichtig ist nur, dass dieses lebendige Wort  über eine Gemeinde nach draußen dringt, die sich zuvor selbst von ihm richten  ließ.
 Dann  wird nicht lieblos, distanziert und besserwisserisch angeprangert, sondern mitleidend  und mittragend
 in echter Solidarität der Sünder um Heilung  gerungen.
 Auf das fleischgewordene Wort Gottes, Jesus  Christus,
 beziehen wir die alttestamentlichen Worte:
 Fürwahr, er trug unsere Krankheit, und nahm  auf sich unsere Schmerzen.
 Als Christusnachfolger, die ihr Kreuz auf  sich nehmen,
 wird uns das anvertraute Wort Schmerzen  verursachen,
 aber dieses Wort ist für uns eine  Gotteskraft, die uns richtet, zurechtrichtet und aufrichtet,
 so dass diese Schmerzen uns zum Segen werden,
 uns und der ganzen von Gott so geliebten  Welt.
 (Nochmals Textverlesung Hebr. 4, 12-13)
 Amen
 
 
     Sexagesimä 1987Markus 4,26-2926 Und  er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land  wirft 27 und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf  und wächst – er weiß nicht wie. 28 Denn von selbst bringt die Erde Frucht,  zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.  29 Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel  hin; denn die Ernte ist da Heute sind Menschen angesprochen, denen nicht alles egal ist, Menschen,  die sich engagieren,Menschen, denen das Wohl und  Wehe ihrer Mitmenschen nahegeht, Menschen, sich aktiv für die Zukunft unserer  Erde interessieren.
 Sie werden heute durch Jesu Gleichnis von der selbstwachsenden Saat  oder vom geduldigen Landmann, wie es auch genannt wird,
 ganz besonders angesprochen.
 Sie lassen sich ansprechen,
 ansprechen von den Nöten ihrer Mitmenschen,
 ob sie nun fern oder nah sind. Sie lassen sich ansprechen,
 ansprechen sogar von der nur scheinbar sprachlosen Natur, sterbenden  Bäumen, verunreinigten Flüssen und gequälten Tieren.
 Sie lassen sich ansprechen,
 ansprechen von den Millionen von Geiseln der modernen  Abschreckungspolitik.
 Wer sich so ansprechen lässt,
 wird ganz ordentlich in Anspruch genommen.
 Das wissen wir, weil so viele  unter uns zu diesen Menschen gehören. Wir werden in Anspruch genommen,
 weil wir uns so leicht ansprechen lassen.
 Sind wir zuweilen nicht überbeansprucht?
 Kommen wir nicht manchmal hart an den Rand unserer Ansprechbarkeit?
 Wie kann man weiterhin offen bleiben, ansprechbar, interessierbar,  motivierbar, aktivierbar, wenn jede Nachrichtensendung
 und vielleicht auch manche Beobachtung im näheren Umkreis
 unserer Familien und Nachbarn
 den Erfolg unserer Ansprechbarkeit in Frage stellt?
 Durchaus möglich, dass unter uns Menschen sind, die einmal zu den Ansprechbaren gehörten,
 nun aber nur noch müde mit den Schultern zucken können
 und resigniert abwinken, wenn  sie angesprochen werden.
 Durchaus möglich, dass heute  Menschen diese Predigt hören,
 die in jedem Angesprochenwerden
 auch gleich die drohende Überbeanspruchung wittern,
 und aus diesem Grund Ohren und Herzen verschließen.
 Wie verständlich ist das, weil doch wie alles auch unsere  Ansprechbarkeit eine Grenze hat.
 Dann kommentieren wir Nachrichten vom Hunger in Äthiopien nur noch mit  einem Seufzer –
 aber die helfende Tat bleibt aus.
 Dann brüllen wir Kinder oder  Enkel nur noch an,
 wenn ihr Lebensstil nach unserer Erfahrung stracks ins Chaos führt,
 und die geduldige, helfende Begleitung hat ihr Ende.
 Ja, wie leicht kommt unsere Ansprechbarkeit an ihre Grenzen und weicht  einer lähmenden Müdigkeit.
 Aber der uns heute anspricht, spricht eine andere Sprache.Jesus geht es in diesem  Gleichnis nicht um ANspruch,
 sondern um ZUspruch.
 Er verfolgt mit diesem Bild aus der Landwirtschaft keine uns  aktivierende Absicht,
 sondern es geht ihm um unsere gelassene ZUversicht.
 Jesus spricht von der Gottesherrschaft.
 Ohne müde zu werden, aber auch  ohne sich zu wiederholen erzählt er ein Gleichnis nach dem andern,
 um dies eine anschaulich, verstehbar, glaubbar zu machen:
 Das Reich Gottes -die Gottesherrschaft-
 ist in seiner Person schon angebrochen
 und sie wird unaufhaltsam an ihr von Gott gesetztes Ziel kommen.
 Und mit dieser Gottesherrschaft wird all das,
 wonach sich die Ansprechbaren so  sehr sehnen,
 wofür sie sich einsetzen, ohne Zweifel verwirklicht werden.
 Mit der Gottesherrschaft ist es wie mit einem Sämann...er sät.
  Und dann kann Jesus nicht  deutlich genug seine Untätigkeit ausmalen.
 Sie haben richtig gehört:
 Jesus unterstreicht die  Untätigkeit des Bauern nach dem Säen
 mit einer Fülle von Wortbildern.
 Er schläft und steht auf, es  wechseln Tag und Nacht,
 der Same geht auf und wächst - er weiß nicht wie!!!
 Nachdem er gesät hat, ist der Bauer weder von seinen Aktivitäten her,  noch in seinen Gedanken mit der ausgestreuten Saat beschäftigt.
 Von selbst bringt die Erde die Frucht hervor.
 Von selbst - automate steht da  im griechischen Urtext.
 Automatisch - ohne weiteres Zutun entwickelt sich,
 entfaltet sich, reift heran, was später geerntet werden wird.
 Und so, betont Jesus, ist es mit der Gottesherrschaft.
 Aber.... aber, kommen da nicht
 allerhand kritische Gedanken in uns hoch!?
 Erstens, ist das wirklich zutreffend,
 dass der Bauer zwischen Aussaat und Ernte
 nichts mehr tut draußen auf dem Acker?
 Und zweitens, will Jesus in diesem Gleichnis irgendetwas sagen
 gegen das Engagement der Ansprechbaren?
 Will er uns ermutigen, die Hände in den Schoß zu legen?
 Und drittens ……….
 Und nun könnten wir den Rest der Predigt zubringen
 mit Einwänden und  Gegeneinwänden,
 mit Erklärungen und Gegenerklärungen usw.
 Aber nun gilt es,
 dass wir ehrlich gegenüber uns selbst bleiben.
 Wenn wir spüren, dass Jesu Gleichnis
 von der Gelassenheit des Landmanns
 uns einerseits ganz positiv berührt,
 uns andererseits aber auch zum  Widerspruch reizt,
 so sollten wir selbstkritisch fragen:
 Woran liegt denn das?
 Liegt das nur in irgendwelchen eventuellen Widersprüchlichkeiten in dem  von Jesus verwendeten Bild,
 oder liegen die Spannungen in mir selbst begründet?
 Wenn uns Jesus durch dies Gleichnis zuruft:
 Seid getrost! Gott bringt seine Sache zum Ziel!
 ... was regt sich dann bei uns?
 Ist unsere erste Reaktion: Ja sicher, er bringt sie zum Ziel,
 ABER wir müssen auch etwas dazu tun!?
 Sehen Sie, liebe Gemeinde, so richtig dies natürlich ist,
 so nachdenklich macht es mich dennoch,
 wenn sofort nach dem gelassen machen wollenden Gleichnis,
 so innerhalb weniger Sekunden  unser Augenmerk schon wieder auf unserem und nicht auf Gottes Tun liegt!
 Sind wir so narzisstisch, so selbstverliebt in unser Tun,
 dass der zuversichtliche Glaube an Gottes Tun so seltsam  unterentwickelt bleibt?
 Wir, die wir uns den Anspruch dieser Welt und ihren Nöten stellen,
 sind wir denn auch noch offen für Gottes Anspruch,
 der uns zuallererst in der froh und gelassen machenden Form des  Zuspruchs erreichen will?
 Oder haben wir so offensichtlich Ansprechbaren nur noch die  Ansprechbarkeit der Martha, aber nicht mehr die der Maria?
 Der dem Herrn zuhörenden, sich  seinem Zuspruch öffnenden Maria, ihr wird vergleichend mit Martha gesagt:
 Maria hat das beste Teil erwählt!
 Ja, ich weiß, einige unter uns haben nun Angst, dass der Glaube nun Ersatz werden könnte
 für das engagierte Handeln.
 Niemals! Aber besteht nicht andererseits auch die Gefahr,
 dass das Handeln zuweilen den  Glauben ersetzen soll?
 Ist die engagierte Einstellung:
 Auf unser Tun kommt alles an, nicht in der Gefahr,
 eher ein Ausdruck des Unglaubens als des Glaubens zu werden? Worum  geht's in dem Glauben den Jesus lebt und den er predigt? Geht's um die  anbrechende GOTTESherrschaft oder um eine Welt,
 wo wir alles beherrschen mit  unseren wohlmeinenden Zielen?
 Selbstverliebt ins eigene Engagement
 kommt zuweilen die paradoxe Situation,
 dass wir erst wenn unser Handeln nichts mehr bewirkt,
 seufzend und etwas resigniert meinen:
 Jetzt hilft nur noch beten!!! Jetzt kann nur noch Gott helfen!
 Aber darf Gott denn zum Lückenbüßer
 für unsere Enttäuschungen werden?
 Wie alle Enttäuschungen ist auch diese das Ende einer Täuschung.
 Die Täuschung lag von vorneherein darin, dass Gottes Handeln unsere  "Handelnslücken" füllen sollte, falls es je solche geben würde. Aber  ist es nicht eher umgekehrt,
 dass Gott uns in seiner Freiheit  und Großzügigkeit und in seinem erstaunlichen Vorschußvertrauen "Lücken  zum Handeln" überlässt,
 die er allerdings auch ohne weiteres
 und viel effektiver selbst ausfüllen könnte?
 Gott ist nicht der Lückenbüßer für unsere Enttäuschungen, sondern der Grund unserer Hoffnung und erst von daher,
 der Motor unseres Handelns.
 Wo alle Hoffnung in der Welt und für die Welt
 nur abhängt von denen,
 die ansprechbar sind durch die Nöte dieser Welt,
 da werden die Nöte zum antreibenden Gott,
 die einem durch ihren irren Anspruch aber Mangel an Zuspruch  schließlich in Resignation und Hoffnungslosigkeit stranden lassen.
 Wo alle Hoffnung in der Welt und  für die Welt
 allerdings in dem Gott liegen, der einst sprach:
 Und siehe es war gut! und dies wahr machen wird,
 da herrscht eine Gelassenheit,
 die zuweilen als Gleichgültigkeit missverstanden werden kann.
 Wie anfangs erwähnt gilt Jesu Gleichnis von der selbstwachsenden Saat  oder vom geduldigen Landmann denen, die sich ansprechen lassen von den Nöten dieser Welt.
 Manche Ausleger meinen,
 es sei in Jesu Tagen an Zeloten gerichtet gewesen,
 den Eiferern,
 die mit ihren Mitteln
 die Herrschaft Gottes quasi herbeizwingen wollten.
 Sie und ihre Sache sind
 im Chaos untergegangen.
 Von einem der aktivsten Christen der Kirchengeschichte, von Martin Luther, wird uns folgendes Wort überliefert:
 
 Aus Luthers 2. Invokavit-Predigt: „Das Wort hat Himmel und Erde  geschaffen und alle Dinge, das muss es tun und nicht wir armen Sünder. Summa  summarum: Predigen will ich's, sagen will ich's, schreiben will ich's. Aber  zwingen, dringen mit der Gewalt will ich niemand, denn der Glaube will willig,  ungenötigt angezogen werden. Nehmt ein Exempel von mir. Ich bin dem Ablaß und  allen Papisten entgegen gewesen, aber mit keiner Gewalt, ich habe allein Gottes  Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst habe ich nichts getan. Das  hat, wenn ich geschlafen habe, wenn ich wittenbergisch Bier mit meinem  Philippus und Amsdorf getrunken habe, so viel getan, dass das Papsttum so  schwach geworden ist, dass ihm noch nie kein Fürst noch Kaiser so viel  abgebrochen hat . . . Wenn ich hätte wollen mit Ungemach fahren, ich wollte  Deutschland in ein groß Blutvergießen gebracht haben, ja ich wollte wohl zu  Worms ein Spiel angerichtet haben, dass der Kaiser nicht sicher wäre gewesen.  Aber was wäre es? Ein Narrenspiel wäre es gewesen. Ich habe nichts gemacht, ich  habe das Wort lassen handeln"
 Man könnte zu dem ketzerischen Schluß kommen, dass ein vergnüglich und gelassen getrunkenes Bier
 zuweilen auch ein Zeichen von Gottvertrauen sein kann.
 Doch das sei nur den Eiferern,
 den Ansprechbaren ins Poesiealbum geschrieben.
 
 
   Estomihi 2003 Markus 8, 31-38 31 Und  er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen  werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet  werden und nach drei Tagen auferstehen. 32 Und er redete das Wort frei und  offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. 33 Er aber  wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von  mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.34 Und  er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir  nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und  folge mir nach. 35 Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's  verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums  willen, der wird's erhalten. 36 Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er  die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? 37 Denn was kann  der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
 38 Wer  sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen  Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird  in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.
 Liebe Gemeinde,am Mittwoch fängt die Passionszeit an, die  Leidenszeit.
 Wir aber bleiben ganz gelassen, denn es ist nicht  unsere Passionszeit,
 die anfängt.
 Ganz anders würden wir uns fühlen,
 wenn unser Land vom aggressiven Diktator  Adolfam Hitlussein regiert würde,
 wenn wir in Berlin lebten und wüssten, dass  ein Teil der freien Welt uns befreien möchte.
 Bombentod oder langsames Verrecken, Vertreibung  Hunger, Elend, Seuchen –
 das scheint programmiert –
 und die Menschen, die es treffen wird,
 sind kein bisschen schuldiger als Sie oder  ich.
 Und sind genauso hilflos?
 Passionszeit - als Schicksal?.
 Seit Wochen treibt mich das um, Tag und  Nacht.Hilflos. Was könnte man tun, um das  abzuwenden?
 Und plötzlich traf mich ein Gedanke,
 der mich seitdem nicht mehr loslässt:
 Was wäre wenn......
 wenn Chefinspekteur Hans Blix
 bei seinen Waffen-Inspekteuren im Irak
 für eine Idee werben würde, eine mutige:
 Männer, wenn die Nachricht der Amis kommt,
 wir sollen raus aus dem Irak, weil jetzt  gebombt wird,
 dann geh ich nicht,
 dann bleibe ich hier, die UNO will mich hier,
 und ich lade jeden von euch ein, auch hier zu  bleiben.
 Wir sind hier im Auftrag der Weltgemeinschaft,
 und wir bleiben hier, bis unsere Mission  erfüllt ist.
 Dann werden einige der Inspekteure einwenden:
 Die Amis bomben trotzdem.  Kann wohl sein.
 Es würde den Zynismus der Macht entlarven.
 Kann aber auch nicht sein–und millionenfaches  Elend wäre abgewendet.
 Ehefrauen würden –verständlicherweise- ihre  Männer anflehen:
 Mach da nicht mit, halt dich das raus, komm  nach Haus.
 Verständlicherweise – das ist menschlich, nur  allzumenschlich.
 So wie Petrus seinen Herrn und Meister Jesus  anfleht:Halt dich raus, ändere deinen Kurs, sei ein  wenig vorsichtiger,
 halt dich nicht zu den Gescheiterten,
 decke nicht die Menschenverachtung in frommen  Regeln auf,
 rede nicht ganz so deutlich, sei  diplomatischer,
 dann brauchst du nicht so jung zu sterben,
 dann kannst du noch der Messias,
 der Befreier unseres unterdrückten Volkes  werden.
 Dein Tod wäre sinnlos, Höheres wartet auf  dich.
 Ich mag dich, Jesus, ich möchte dir das  ersparen.
 Die Sprache der Liebe, oder nicht?
 „Du Satan“ fährt in Jesus an – Das ist  heftig, unfair, übertrieben?
 Offenbart diese Heftigkeit Jesu  Versuchbarkeit, seine Anfechtung?
 Zeigt sie, dass er nahe dran ist, seinen Kurs  aufzugeben?
 Versucht in allen Dingen, gleichwie wir, sagt  der Hebräerbrief.
 Wir verstehen   - wieder einmal -  Petrus, aber  nicht Jesus.
 Wie kann man einen, der es nun offensichtlich  gut mit einem meint,
 so anfahren, ihn als Widersacher Gottes  bezeichnen?
 „Du meinst nicht, was göttlich ist!“ urteilt  Gottes Sohn.
 Liebe Gemeinde, nun lauern 1000 Versuchungen  auf den Prediger,das zu glätten, zu harmonisieren, zu  erklären, bis es passt.
 Bis der sperrige Jesus zum pomadigen Weich-Ei  wird,
 bis alles wieder in unser Schema passt –
 dem biblischen Text alle Knochen gebrochen  sind,
 aber auch, bis die Wahrheit verraten und  verkauft ist.
 Die Wahrheit, um die es hier geht,und die uns im konkreten Fall so unheimlich  ist, heißt:
 Gerade im Erhalten-Wollen des Lebens wird es  verloren,
 und im rechten Riskieren wird es gewonnen.
 Es gibt einen „Schaden an der Seele“,
 der gar nicht wie ein Schaden aussieht.
 Petrus verkörpert ihn, und weil wir Petrus so  gut verstehen ,
 ist anzunehmen, dass auch wir an diesem  Schaden teilhaben.
 Aber dieser Schaden sieht aus wie Liebe,
 er ist also prima getarnt – wo doch Liebe so  was Wunderbares ist.
 Wer will schon etwas Wunderbares kritisch  durchleuchten?
 Jesus sagt: Ich habe einen Kurs für mein  Leben,und so wie die Welt ist, wird man mich wegen  dieses Kurses fertigmachen,
 ich werde mein Leben verlieren.
 Und Petrus sagt: Dann ändere deinen Kurs,
 dann passiert dir das nicht.
 Siehst du Petrus, sagt Jesus, das ist de  Schaden an deiner Seele:
 Der Lebenserhalt ist dein allerhöchstes Gut.
 Aber Chef, das ist doch das Normalste vom  Normalen,
 das Menschlichste vom Menschlichen,
 das Verständlichste vom Verständlichen.
 Frag Millionen – und sie werden mir und nicht  dir Recht geben,
 Sicher Petrus, aber deswegen sieht’s in der  Welt auch so aus,
 der eine braucht eine Schüssel Reis zum  Lebenserhalt,
 ein anderer Schnitzel und Sahnekuchen.
 Dasselbe Stückchen Land brauchen zwei,
 zum Lebenserhalt, sagen beide.
 Wer kriegts, Petrus?
 Der Stärkere, aber das kann man doch  friedlich lösen, oder nicht?
 Sicher Petrus, aber warum soll einer, der die  Macht hat,
 sich dieser komplizierten und irre mühsamen  Lösungs-Prozedur aussetzen.
 Aber Petrus, ich kann’s dir nicht ersparen:
 Dein Gott ist die Angst!
 Wie bitte?
 Lebenserhalt ist ja gar nicht dein höchstes  Gut,
 da steckt mehr dahinter oder da steht noch  was drüber.
 Wie bitte? Was steckt dahinter.
 Der Lebenserhalt wird deshalb dein höchstes  Gut,
 weil du panische Angst hast vor dem  Lebensverlust.
 Du wirst bald behaupten, dass du mich gar  nicht kennst,
 um dein Leben zu erhalten, weil du Angst  hast, es zu verlieren.
 Chef, bitte.....
 Nein, im Ernst, du Petrus im Jahre 2003, ich  will dich nicht quälen,
 aber überleg doch mal:
 Steht hinter vielen deiner Aktivitäten und  Engagements nicht wirklich die Angst.
 Die Angst unbedeutend zu werden,
 deswegen deine Kandidatur zum Vorsitzenden  des Vereins für so was.
 die Angst als Mauerblümchen zu gelten,
 deswegen dein wildes Disco-Treiben.
 Die Angst vor dem Altwerden,
 deswegen –zig Cremes und Wässerchen.
 usw. usw.
 Du, Petrus und Petrine, im 21. Jahrhundert,Bist du dir wirklich ganz sicher,
 das hinter deinem Streben nach Leben nicht  vielfach die Angst lauert
 Könnte es nicht sogar sein,
 dass es die Angst war,
 die den Lebenserhalt zum Gut Nummer 1 machte?
 Streng logisch weitergedacht
 wäre dann aber nicht der Lebenserhalt dein  Gut Nummer 1,
 sondern die Angst, die dahintersteckt und  darum  - drübersteht.
 Dann würde man auch verstehen,
 warum bei so vielen von uns, dieser Schaden  an der Seele
 als Schaden am Körper sichtbar wird.
 Jetzt wird klar, warum Jesus so heftig auf Petrus  reagiert:Der Lebenserhalt auf Teufel-komm-raus offenbart,
 dass die Angst regiert,
 dass sie Gottes Stelle eingenommen hat.
 Die Angst ist der übelste aller Götter.
 Du Satan, komm raus,
 du meinst nicht, was göttlich ist.
 Und Jesus bleibt auf seinem Kurs:Er kennt zwar die Angst, a
 ber sie übernimmt nicht Regie in seinem Leben.
 Regie führt bei ihm Gott, und Gott allein, und Gott ist  Liebe.
 Und so kann er ein Leben leben,
 bei dem nicht alles durch den mickrigen Filter
 ,,Was bringt‘s mir ODER Was schadet‘s mir läuft.
 Und deswegen ist er so frei,
 einen aus der Lähmung Erwachten
 seine Pritsche schwenken zu lassen,
 am Sabbat, gegen unmenschliche Regeln.
 Er ist so frei, eine in flagranti ertappte Ehebrecherin  in Schutz zu nehmen und ihre Richter
 mit dem trefflichen Satz zu konfrontieren:
 Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten  Stein.
 Nach unseren oberflächlichen Petrus-Maßstäben
 hat ihm das alles geschadet.
 Es brachte ihn ans Kreuz.
 Aber uns die Erlösung, glauben wir.
 Erlösung vom Schaden an unserer Seele?
 Er ruft uns auf seinen Weg,
 finden wir‘s raus!
 (34-36 nochmals lesen)
 Amen
 
 
   Invokavit 1985 - 
  Offb. 21,1 
  (nach Rückkehr aus Sri Lanka)1 Und  ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die  erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr Seit mir die Bibel etwas bedeutet,  faszinierten mich besonders ihre ersten drei und ihre letzten zwei Kapitel.Die Vision des Sehers Johannes im Buch der  Offenbarung
 von einer neuen Welt hörte nie auf, mich in  ihren Bann zu schlagen. Das ABC menschlichen Leidens, Auschwitz, Biafra und  Colombo, ließ sich für mich nur aushalten mit Gottes fester Zusage als  Gegengewicht.
 Seine Zusage in Offb. 21 ist: „… und  Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr  sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist  vergangen. „
 Nur mit dieser Gewissheit im Rücken lernen  wir,
 das ABC des Mitleidens nachzubuchstabieren,
 freiwillige Annäherung an die Armut,
 Bereitschaft zu handeln für die Befreiung  anderer und Christusnachfolge im Chaos.
 Dies ist das (doppelte) ABC des praktischen  und christlichen Mitleidens.
 Nun  steht in diesem verheißungsvollen Bild von Gottes neuer Welt ein Satz, der  zunächst wenig zu sagen scheint, aber die Grundlage für meine heutige Predigt  bilden soll.
 In Offb. 21,1 heißt es plötzlich: …und  das Meer wird nicht mehr sein!“  Es passt nicht mehr in Gottes neue Welt! Warum?
 Warum das Meer?
 Von den Bergen wird das nicht ausgesagt,
 auch von den Flüssen nicht!
 Aber: … „das Meer wird nicht mehr sein!“  Warum?
 Um diese biblische Aussage und ihre Bedeutung  für uns soll es in dieser Predigt gehen.
 Wohin man in Sri Lanka geht,
 nach Norden, Süden, Osten oder Westen-
 man erreicht immer wieder das Meer –
 so ist das eben mal auf einer Insel!
 Immer  wieder neu beeindruckt das Meer.
 Zuweilen lädt es ein zur Erholung,
 es ist ruhig und sein rhythmischen Bewegungen  verleihen dem Beobachter etwas von seiner Ruhe.
 Zu anderen Zeiten aber, wenn der Monsun tobt,
 erscheint es als bedrohliches Monster.
 Letztes Jahr am Tag nach Weihnachten brach  sich unsere Tochter Daniela den Arm,
 weil sie von einer großen Welle mit Macht  erwischt wurde.
 Es kann Dämme und Straßen, Fischerhütten und  auch relativ stabile Hotels wegwaschen.
 Das Meer ist zuweilen absolut unberechenbar –
 sozusagen aus dem Nichts kann plötzlich eine  Riesenwelle auftauchen und unmäßige Zerstörungen anrichten.
 Was wundert es, dass im alten Israel, wo die Wellen des Mittelmeers an seine  Strände schlugen,
 dieses  Zwiespältige und Unheimliche des Meeres
 auch in den Bildern der biblischen Gedichte  und Geschichten sich niederschlug.
 Vor allem in den Psalmen, aber auch in Hiob,  2. Mose und Jesaja gibt es viele Stellen, in denen das Meer als Symbol  erscheint,
 und zwar als Symbol für Chaos.
 Das  Meer ist nach den Psalmen und Hiob die Wohnung der Chaosmonster Leviatan und  Tannin.
 Das Meer als dem Trockenen gegenüberstehende  und es bedrohende Macht wird zu einem Symbol,
 das im Kontrast zu Kosmos, zu allem  Wohlgeordneten steht,
 ja, es  wird zum Bild für die Mächte,
 die sich Gott und den Menschen bedrohend und  zerstörerisch entgegenstellen.
 Ist also das Meer in der Bibel weithin ein  Symbol für Chaos, so bedeutet das, dass eine- wie vorhin  versprochene – Theologie des Meeres eigentlich eine Theologie des Chaos meint.
 Aber was ist der Sinn, von einer Theologie  des Chaos zu sprechen? Steht Gott nicht für Kosmos und ist absolut unvereinbar  mit Chaos?
 Man könnte dies sofort mit einem klaren Ja  beantworten
 und das Thema „Theologie des Chaos“ als  reißerisches Stilmittel abtun, wenn nicht unsere Bibel von einem eigenartigen  Zwiespalt gekennzeichnet wäre, wenn es um das Meer geht.
 Einerseits ist das eindeutig ein Symbol für  Chaos,
 andererseits aber wird recht unbefangen  gesagt, dass Gott das Meer geschaffen habe.
 Stehen diese beiden Aussagen sich total  ungewollt,
 zufällig und recht inkonsequent gegenüber,  oder ist der Kontrast gewollt?
 Könnte  hier ein Hinweis versteckt sein, dass wirklich alles, selbst das Chaotische auf  irgendeine Weise von Gott kommt
 Jes.  45,1
 Seelsorgerliche Bedeutung! Kein  ernstzunehmender Theologe meint hierzu eine logisch nachvollziehbare Lösung zu  haben!)
 Interessant ist, dass in vielen Geschichten  der Bibel,
 in denen das Meer eine zentrale Rolle spielt,
 immer drei theologische Themen wiederkehren:
 Gericht,  Rettung, und Schöpfung,  d.h.  Neuerschaffung.
 (Zeige dies an 1. Jona, 2. Schilfmeerwunder,  3. Jesus auf dem Meer (Stillung des Sturmes und Wandel auf dem Meer.), 4.  Taufe.)
 Was bedeutet das alles für uns, wenn wir dem  Chaos ausgesetzt sind, wenn unser Lebensschiff so gebeutelt wird,dass  scheinbar kaum Überlebenschancen bleiben,
 wenn  die Wellen zu hoch und zu zerstörerisch sind?
 Für Glaubende – die drei selben Elemente:
 Gericht
 Niemand ist nur armes Hascherl,  über den das Chaos total unschuldig  hereinbricht –
 nicht nur um uns ist Chaos, sondern auch in  uns.
 Vielleicht hat uns der Schöpfer an diese  Tatsache eine kleine Erinnerung eingepflanzt:
 Wir sind 80% Wasser und der Salzgehalt dieses  Wasser ist gleich mit dem des Meeres, dem Symbol für Chaos?!!???
 Leiden, Chaos, auch immer Gericht über das  Chaos in mir!
 Rettung
 In jeder Art von Chaos hat Gott eine  besondere Art von Rettung bereit – allerdings nicht immer die, die uns als die  erstrebenswerteste erscheint:
 Jonah- Petrus (der Sinkende, vom Meister  gerettet)
 Parallelen?!?!
 Schöpfung- neues Leben
 Chaotischer Gipfelpunkt des Chaos in dieser  Welt:
 Das Kreuz –
 der einzig Gerechte muss wie ein Krimineller  elendiglich verrecken- Finsternis- Vorhang zerreißt.
 Warum endet Christus so? Gottes Plan?
 Richtig ABER auch, weil er sich auf einen dem  Chaos entgegen gesetzten Kurs des Mitleidens begab, gegen Krankheit, Hunger und  religiöse Verklemmung.
 Hätte er sich nur auf sein eigenes Leiden und  Sterben konzentriert, wäre er evtl. trotz Gottes Plan mit 84 ruhig in seinem  Bett gestorben.
 Aber da war Leid und Chaos in Antiochia,  Bethlehem und Cäsarea! Deshalb setzte er diesem ABC des Leidens sein ABC des  Mitleidens gegenüber:
 Freiwillige Annäherung an die Armut (auch  geistig und geistlich) der Menschen, Bereitschaft zur Befreiung des andern,  Christussein (Rettersein) im Chaos.
 Und heute gibt es Leid nicht nur symbolisiert  in den Namen Auschwitz, Biafra und Colombo, sondern auch in Aglasterhausen,  Buchen und (gibt’s in der Nähe einen Ort dessen Namen mit C beginnt?)
 Vielleicht gibt’s dort Asylanten, Behinderte  oder chronisch Kranke – immer wieder dieses ABC.
 Der Teufel will uns immer wieder weismachen, das Chaos in unserem Leben, das wir durch  unser sich um uns selbst drehen verursachen,
 sei nur ein Vorgeschmack, auf das Chaos,
 das folgt, wenn man sich auf das ABC des  Mitleidens einlässt.
 Der  größte Betrug!
 Deshalb flüstert er uns ein, einen  Gesangbuchvers flach zu verstehen:
 Rühret eigner Schmerz irgend unser Herz,
 kümmert uns ein fremdes Leiden,
 oh so gib
 Geduld zu beiden!
 Wirklich zu beiden? Geduld auch zum fremden  Leiden?
 Geduld zu Hunger, Krankheit und Unterdrückung  anderer?
 Heilige Ungeduld gegenüber fremden Leid führt  in das ABC des Mitleidens – Chaos! Ja! ABC?!!!!!
 Es ist dies die einzige Art des Chaos,
 die absolut schöpferisch sich auswirkt – für  alle Beteiligten!
 Neues Leben!
 Wenn im Nachbuchstabieren des ABC des  Mitleidens es so richtig chaotisch wird, dann stirbt etwas total  zerstörerisches,
 nämlich das Selbstmitleid!
 Kräfte, ungeahnte Reserven für ein Neues  Leben!
 Das meint man auch mit der Auferstehung  Christi –
 Der Gipfel des Chaos im Mitleiden wurde zu  einem Übergang zu Gottes neuer Welt!
 Wer diesen Übergang existenziell mitmacht,
 wird in der Verheißung, dass in der neuen  Welt kein Meer,
 also kein Chaos mehr sein wird, nicht eine  opiumartige Vertröstung erkennen, sondern das Prinzip der Hoffnung, das ihn  hebt und trägt.
   
 
  Invokavit 1989 - Lk. 22, 31-34 31 Simon,  Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich  aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du  dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. 33 Er aber sprach zu ihm:  Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er  aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du  dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst. Als ich so alt war wie die Konfirmanden, gab  es einen Schlager, den ich gern hörte und begeistert mitsang:
 Geliebt zu werden ist alles Glück auf Erden.
 Denn ich hatte damals so einen „Schwarm“
 und manchmal glaubte ich Anzeichen zu  entdecken,
 dass ich von der Angebeteten auch geliebt  wurde.
 Und dann sang ich: Geliebt zu werden ist  alles Glück auf Erden.
 Aber  die andere Erfahrung machte ich in jener Zeit auch:
 Gesiebt zu werden ist alles andere als Glück.
 Da bewarb ich mich beim Vermessungsamt um  eine Lehrstelle
 und es waren fünf Bewerber,
 aber nur einer konnte die Stelle bekommen.
 Und da hat man uns gesiebt:
 Wir mussten zeichnen, rechnen, Berichte  schreiben usw.
 Wir wurden gesiebt und das erlebte keiner von  uns als Glück,
 obwohl ich nachher Glück hatte und die Stelle  bekam.
 Die Liebe erfährt man als Himmelsmacht und  man bringt sie mit Gott in Verbindung, aber das Sieben (Prüfungen, Tests usw.) im  Leben
 erlebt  man eher als etwas Teuflisches.
 So wundert es nicht, dass im heutigen  Predigttext das Sieben der Jünger dem Satan zugeschrieben wird,
 das Lieben aber dem Sohn Gottes,
 der für den gefährdeten Petrus betet, dass  sein Glaube nicht aufhöre. Denn solange die Glaubenden glauben, werden sie  gesiebt,
 manchmal so sehr, dass der Glaube aufzuhören  droht,
 so sehr, dass die bange Frage aufkommt:
 Werde ich denn noch geliebt? Passt sieben und  lieben zusammen? Das Gespräch zwischen Jesus und Petrus
 gibt dem Glaubenden tiefe Einsichten in  dieser Frage.
  Lassen  Sie uns den Bewegungen dieses Gesprächs nachempfinden und nachdenken:
 Jesus ist bereits von Judas verraten,
 hat  mit seinen Jüngern das Abendmahl gehalten
 und will sie nun auf das Kommende  vorbereiten.
 Er will nicht, dass das Sieben der kommenden  Krise sie unvorbereitet trifft. Sie sollen wissen, was auf sie zukommt und  worauf es dabei ankommt. Was auf sie zukommt, ist der große Test der Passion  Jesu: Jesus wird als Verbrecher behandelt werden.
 Das jubelnde Hosianna der Massen wird  verstummen
 und in ein wüstes Kreuzige umschlagen.
 Jesus wird  als Versager, als Volksverführer,
 als Gotteslästerer verdammt werden.
 Das wird kommen. Und wie werden sich seine  Jünger verhalten?
 Es ist  doch so schwer anders als die Masse zu handeln,
 gegen den Strom zu schwimmen.
 Wer wird noch zu Jesus halten,
 wenn man mit ihm nicht mehr umjubelt,
 sondern auch mit ihm verspottet und verachtet  wird?
 Dieser Sieb-Test wird kommen.
 Und worauf wird es dabei ankommen?
 Wenn wir jetzt aus dem Munde Jesu hören  würden,
 es käme auf Mut, auf Zivilcourage, auf Treue  an,
 wir würden alle zustimmend nicken.
 Aber von nichts dergleichen ist die Rede.
 Worauf wird´s aus der Sicht des Meisters  ankommen?
 Ihr werdet gesiebt ABER sagt Jesus „ich habe  für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre.“
 In anderen Worten: Das Durchschütteln in der  Krise durchstehst du, nicht durch etwas, was du tust,
 sondern wegen etwas, das ich für dich tue.
 Wenn dein Glaube nicht aufhört, dann liegt das an meinem Gebet und nicht an  deiner Anstrengung. Wenn es eine Zukunft für dich gibt,
 dann nur, weil dir nach dem Durchfallen die  Chance der Umkehr gegeben wird.
 Du  kannst umkehren, weil ich dir eine Tür aufhalte.
 Deine Brüder kannst du nur stärken,
 wenn dir deine eigene Schwäche bekannt ist  und du sie annimmst und dich offenhältst für Gottes Möglichkeiten.
 Ohne es zu merken, wird Petrus hier schon  gesiebt.
 Worauf wird er sich verlassen:
 Auf  seine Stärke oder auf Jesu Schwäche für ihn?
 Kann es sein Stolz zulassen,
 dass es mehr auf Jesu Fürbitte für ihn
 als auf seine Fürsprache für Jesus ankommt?
 Gleich werden wir merken,
 dass Petrus die Wichtigkeit der Fürbitte  Jesus überhaupt nicht hoch einschätzt und eben deshalb wird wenig später auch  des Petrus Fürsprache nicht gelingen.
 Er verleugnet Jesus.
 Jetzt tun wir einen erschütternden Blick
 in das Herz des Petrus und es ist ein Blick in das Herz des Menschen  schlechthin.
 Es ist absolut unannehmbar für ihn, dass  alles auf diesen Jesus,
 seine  Fürbitte und seine offene Tür ankomme.
 Im  Brustton der Überzeugung – und ist es nicht auch Überheblichkeit – spricht er  sein Glaubensbekenntnis:
 Herr, ich bin bereit mit dir ins Gefängnis  und in den Tod zu gehen.
 Es ist sein Bekenntnis zu seinen Fähigkeiten  –
 und die sind total verkehrt eingeschätzt, wie  die Zukunft zeigen wird. Und es ist ein NEIN zu Jesu liebevollem Angebot:
 Dein Gebet für mich ist schon recht, Herr,
 aber ich schaff das auch alleine.
 Dein  Angebot der Umkehr, lieb gemeint,
 aber ich bin doch schon jetzt ein Mordskerl.
 Auf  mich kommt´s an, Jesus, nicht auf dich!
 Damit hat er Jesus jetzt schon verleugnet,
 bevor er jene bekannten Worte zu einer Magd  sagte:
 Ich kenne diesen Menschen nicht.
 Er ist  hier schon durchgefallen,
 denn  er hat sich selbstverkrümmt auf sich
 und nicht selbstaufgebend auf Jesus  konzentriert.
 So ist  tragischerweise, aber auch logischerweise,
 die  zweite Verleugnung eine Folge dieser ersten:
 Bevor der Hahn kräht,
 also wenige Stunden nach den großen Tönen,
 die er hier gespuckt hat, wird er Jesus  gleich DREIMAL verleugnen – und wird es wieder nicht merken.
 Bis ihn der Blick Jesu trifft- da weint er  bitterlich und kehrt um.
 Dass  uns doch dieser Blick Jesu heute treffen könnte,
 uns, die wir wie Petrus durch beide Siebe  gefallen sind.
 Als  unser Land arm und am Boden war,
 konnten wir viele Millionen Flüchtlinge  aufnehmen.
 Heute, wo wir eines der reichsten Länder der  Erde sind,
 erscheint es uns unmöglich,
 auch nur einen Bruchteil der damaligen  Vertriebenen aufzunehmen. Heißt nicht, sich zu Jesus bekennen,
 auch seine Brüder und Schwestern zu stärken,
 ob sie nun braun sind oder aus dem Osten?
 Und heißt nicht, Jesus verleugnen, auch seine  Brüder zu verleugnen, ob sie nun braun sind oder aus dem Osten?
 Ein Sieb Gottes? Durchgefallen?
 Gewogen, gewogen und zu leicht befunden?
 Aber der Schaden liegt tiefer.
 Wie bei Petrus ging der offensichtlichen  Verleugnung Christi eine verborgene voraus.
 Aus einem Gefühl von Reichtum und STÄRKE  achtet er gering,
 was  Jesus für ihn tut.
 Nur was er tun will für Jesus, kommt in sein  Blickfeld.
 WAS Jesus für ihn tun will, blendet er aus.
 Petrus will für Christus sterben, ist aber  blind dafür,
 dass  dieser für ihn stirbt.
 Petrus will sich nicht die Füße von ihm  waschen lassen,
 das will er tun, für den Meister.
 Er  glaubt an sich, aber nicht an IHN.
 Jesus darf seine Lebensränder verbrämen,
 aber das Zentrum darf er nicht einnehmen.
 Petrus  konzentriert sich verbissen darauf, gesiebt zu werden,
 aber  achtet es gering, von Gott geliebt zu werden.
 So ist er für mich Vor- und Ebenbild des  sogenannten modernen Menschen.
 Ich  lese seine Biographie, und merke:
 Das bin ich.
 Ich  möchte Asylanten helfen, aber lasse mir nicht helfen.
 Ich möchte für Jesus da sein, aber lasse IHN  nicht für mich sein.
 O Jesus, schau mich an, wie du einst den  Petrus angesehen hast.
 Ich  bin ihm so ähnlich. Gilt dein Wort auch mir?
 Betest du auch für mich, dass mein Glaube  nicht aufhört?
 Darf  ich mich auch wieder bekehren,
 obwohl  ich so oft durchgefallen bin?
 Ich  glaube, Herr, hilf meinem Unglauben!
 Und dann, Jesus, schau mich an durch die Augen
 deiner Brüder und Schwestern,
 die durch Krieg, Folter und Ungerechtigkeit  so sehr gesiebt werden…
 Ich weiß, ich muss bitterlich weinen,
 wenn ich ihren traurigen Augen nicht  ausweiche,
 denn sie wollen auch geliebt werden.
 Nimm  mir die Angst vor diesen Tränen.
 Herr, du hast Wasser in Wein verwandelt.
 So  wandle auch diese Tränen in den Wein der Freude,
 Freude über deine Geduld,
 Freude über deine Fürbitte,
 Freude über die offene Tür zur Umkehr und
 Freude über dein Zutrauen,
 dass Schwache deine Brüder und Schwestern  stärken können.
 Lass dies Wunder unter uns geschehen. Amen.
 Lied 365
 
 
   Lätare 2001Johannes 6,47-5148 Ich bin das Brot des Lebens.  49 Eure Väter haben in der Wüste das Manna  gegessen und sind gestorben. 50 Dies ist das  Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe. 51 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen  ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist  mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.   Liebe Gemeinde,noch immer sehe ich den  verständnislosen Blick meines Gegenübers. Das darf doch nicht wahr sein, stand  in seinem Gesicht geschrieben.
 Vielleicht konnte man auch darin  lesen: Der ist ja nicht ganz dicht.
 Auf jeden Fall hatte ich ihm eine  Antwort gegeben,
 die ihn sichtlich verunsicherte.
 Dabei hatte meine  Antwort aus nur einem Wort bestanden:
 Lebenshunger, hatte ich  geantwortet,
 auf seine Frage „Was war denn  das?“
 Er hatte mich angesprochen auf  mein Verhalten, das ihm Spanisch vorkam, das nicht in seine Welt passte, das  ihm fremd war.
 Richtig entgeistert fragte er:  „Was war denn das?“
 Lebenshunger, antwortete ich ganz  cool.
 Cool, war ich das wirklich? Kann man denn ganz gelassen über  seinen Lebenshunger reden? Bekennen, dass man manchmal so leer, so tot ist,
 dass man eher gelebt wird als zu  leben?
 Ja, es kann ganz schick sein,
 über Depressionen, Ängste,  Probleme zu reden,
 so wie es uns in den Talkshows am  laufenden Band vorgemacht wird.
 Aber über Lebenshunger?
 Würden gute Freunde oder Partner  das überhaupt verstehen?
 Lebenshunger! Da würde man ja  zugeben, dass man Mangel hat,
 Und das in unserer  Spaß-Gesellschaft,
 wo wir doch trainiert sind,
 auf jedes „Wie geht’s?“ mit GUT  zu antworten,
 wo  Keep smiling und Don’t worry, be happy Programm sind.
 Noch weiter: Dürfen Glaubende Mangel haben und es zugeben?
 Wo wir doch im Psalm vom Guten  Hirten bekennen:
 Mir wird nichts mangeln.
 Christus spricht: Ich bin das Brot  des Lebens.Moment mal, das heißt doch,
 dass er von meinem Lebenshunger  ausgeht, ja, dass er ihn voraussetzt, oder nicht?
 Wenn Christus sich als Brot des  Lebens anbietet,
 dann ist das doch eine Sache von  Angebot und Nachfrage, oder nicht?
 Dann wäre ja Lebenshunger  geradezu die Voraussetzung,
 um Christus zu entdecken, um an  ihn zu glauben.
 Dann würde er mich  nicht so entgeistert anschauen,
 wenn ich ganz offen und ehrlich  vor ihm zugäbe,
 dass ich einen  Riesen-Lebenshunger verspüre,
 dass ich nicht satt und zufrieden  bin.
 Christus, das Brot des Lebens, Christus, der deinen Lebenshunger  kennt.
 Wie wohltuend, einmal nicht den  großen Macker, den tollen Hecht,
 den satten Erfolgsmenschen  spielen zu müssen.
 Wie entspannend, vor einem, der  es versteht,
 alles mal ungefiltert  rauszulassen:
 Jesus, Sohn Gottes, ich bin so  durcheinander,
 es läuft nichts so wie ich’s mir  erträume,
 ich strenge mich an, ich versuche  alles Mögliche,
 aber Glück und Zufriedenheit
 scheinen in immer weitere Ferne  zu rücken.
 Oft erreiche ich genau das  Gegenteil.
 Manches Mal jage ich einer  Täuschung nach:
 Ich suche Anerkennung, dabei sehne  ich mich eigentlich nach Liebe.
 Ich suche Abwechslung, dabei will  ich Leben.
 Ich verlange nach Sicherheiten,  doch brauch ich eigentlich Gewissheit.
 Da vor Christus ist dein und mein  Platz.Da können wir gelassen alle  Facetten unseres Lebenshungers und unserer manchmal fragwürdigen Versuche der  Sättigung aussprechen.
 Der guckt dann nicht auf uns  runter,
 denn der Gekreuzigte ist der Gott  in der Tiefe,
 der Gott in uns und mit uns - in  der Tiefe.
 Ja, das ist schon fast die halbe  Miete,
 seinen Lebenshunger aussprechen  zu können,
 vor einem, der davon ausgeht,  dass wir hungrig sind.
 Aber jetzt, liebe Gemeinde,  kommt’s deftig:Christus stellt sich nicht nur  als Brot des Lebens vor,
 sondern er spricht ganz konkret  von seinem Fleisch und Blut,
 und verspricht den daran  Teilhabenden, dass sie nicht sterben.
 Und dann erklärt er noch das  Manna in der Wüste,
 das Brot vom Himmel als  untauglich,
 denn die es aßen auf dem Weg ins  Gelobte Land,
 seien trotzdem gestorben. Harte  Brocken.
 Das war mir zuerst alles zu  absolut, zu markig, zu überzogen;
 ich wollte mir daher einen andern  Bibeltext als den hier vorgeschriebenen aus Johannes 6 für meine Predigt  suchen.
 Aber wie so oft, entdeckte ich  auch diesmal,dass in der härtesten Schale oft die schmackhaftesten Kerne  versteckt sind.
 Stundenlang klopfte ich den  Bibeltext ab nach der Frage:
 Worin besteht denn das Brotsein  Christi,
 oder anders gefragt: Was genau  macht ihn denn zur Sättigung
 für  meinen Lebenshunger???
 Wenn da von Christi Fleisch und  Blut die Rede ist,
 wird doch die bessere Sättigung  nicht im häufigeren Besuch des Abendmahls liegen? Befremdlicher Gedanke.
 „Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für  das Leben der Welt.“ (v.51)Da, genau da, muss die Antwort  auf meine Frage liegen.
 Womit stillt Christus den  Lebenshunger?
 Mit seinem Fleisch,
 darf man sagen, mit seiner Person  mit seiner Existenz,
 die er gibt für das Leben der  Welt,
 mit seinem Leben, das er hingibt???
 Geht’s um Hingabe? Ist es  Hingabe, die den Lebenshunger stillt?
 Da könnte was dran sein, dachte  ich.
 Dann entdeckte ich ein paar Verse  vorher, im selben Kapitel,
 die Geschichte von der  wunderbaren Speisung von Tausenden.
 Da geht’s ja auch um Hunger und  um Stillung desselben.
 Warum werden ALLE satt?
 Weil alle, die etwas haben, es  hingeben,
 es teilen, sich mitteilen,
 die Sicherung der eigenen  Existenz auf- und hingeben.
 Der gleiche Gedanke: Wo Hingabe  geschieht, wird Hunger gestillt.
 Jesus, Brot des Lebens, durch  seine Hingabe?Und nun werden viele gleich ans  Kreuz Christi denken:
 Da hat er sich hingegeben,
 geopfert für unsere Sünden, nach  Gottes Willen.
 Halt, halt und noch mal Halt,
 jetzt passiert eine schreckliche  Verkürzung
 Jetzt passiert, was Tilman Moser  vor Jahren Gottesvergiftung nannte:
 Gott wird zum Sühne fordernden  Monster
 und Jesus zum dumpfen Opferlamm, das alles auf  sich nimmt.
 Aber zunächst einmal ist Jesu LEBEN Hingabe,
 nicht sein davon isolierter Tod.
 Da rennt einer jubelnd durch die  Straßen,
 schwingt über sich seine  Pritsche,
 auf der er jahrelang gelähmt  gelegen hatte.
 Das darf er nicht, murren die  frommen Paragraphenreiter.
 Aber der Jesus habe ihn geheilt  und gesagt:
 Nimm dein Bett und wandle!
 Das darf der auch nicht.  Schon jetzt blitzt ferne das KREUZIGE auf.
 Aber Jesus bleibt auf diesem  Kurs, riskiert sein Leben,
 lebt seine Hingabe an  Menschen,  an ihre Freude und an ihr  Leid.
 Und wehrt damit der  Gottesvergiftung:
 So ist Gott, heilend, aus  Festlegungen befreiend,
 nicht säuerlich missgünstig die  Regeleinhaltung überwachend.
 Oder Jesus beruft als erster  Rabbi Frauen als seine Schüler,Sie heißen Maria, Johanna und  Susanna.
 Nur Lukas erwähnt sie, warum die  andern nicht???
 Die waren vielleicht wütend, weil  ein Männerprivileg am Bröseln war.
 Einige fangen jetzt schon an,
 die Nägel für Jesu Kreuzigung zu  schmieden
 Er weiß das, aber es bringt ihn  nicht von seinem Kurs ab.
 Es ist ein Kurs liebevoller  Parteinahme, aktiver Hingabe.
 Und auch damit wehrt er der  Gottesvergiftung:
 Es ist nicht Gott, der die Hälfte  der Menschheit
 vom Studium seines Wortes  ausschließt.
 Oder er erzählt von einem, der im  Tempel nicht richtig beten kann,sondern nur stöhnt: Gott, sei mir  Sünder gnädig.
 Der sei von Gott angenommen,  nicht der wortgewandte fromme Profi.
 Das tat manchen sooo gut, aber  andern soooo weh!
 Oder von einem Vater, der eine  wilde Party organisiert,
 weil sein missratener Sohn wieder  heimgekrochen kam.
 Der ist doch nicht dicht, der  Alte. So sei Gott.
 Und wieder blitzt bei einigen  Hoffnung auf, bei andern der kalte Hass.
 Nicht dumpf und passiv ist Jesu  Hingabe,
 sondern aktiv teilnehmend an dem  was Menschen umtreibt,
 immer Partei ergreifend für das  Bedrohte und an den Rand Gedrängte,
 immer das Risiko einer  gewalttätigen Reaktion vor Augen.
 Auf Teufel komm raus steuert er  diesen Kurs,
 ja, damit der Teufel rauskommt  aus den vergifteten Mustern der Religion
 So versteht er Hingabe.
 Und schließlich wird uns noch  erzählt von einer,
 die auf seine Hingabe mit ihrer  Hingabe antwortet,
 so wie sie diese eben versteht,  eindeutig zweideutig.
 Eine stadtbekannte Sünderin  benetzt Jesu Füße mit ihren Tränen,
 und trocknet sie mit ihren  Haaren.
 Und das in der Öffentlichkeit, im  Hause eines Pharisäers.
 Und Jesus distanziert sich nicht,  sondern macht sie zum Vorbild:
 „Ihre vielen Sünden sind  vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt;
 wem aber wenig vergeben wird, der  liebt wenig.“ Lk 7,47
 Und spätestens jetzt ist seine  Ermordung beschlossene Sache.
 Begeisternd, dieser Jesus, ein  neuer Geist der Hingabe.Nahrung gebend für Hoffnungen und  Träume
 Mitreißend, dass solche aktive  und Partei ergreifende Hingabe
 ab und zu auch in unserem Leben  aufblitzt.
 Könnte es sein, dass so dein und  mein Lebenshunger gestillt wird?
 Wer sein Leben  gewinnen will, der wird’s verlieren,
 wer aber das Leben um  meinetwillen hingibt,
 der wird’s gewinnen.
 (Mt.10,39)
 Amen
 
 
     Die Unvollendete Judika 2004Hebräer 5,7-107 Und  er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem  Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und  er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. 8 So hat er, obwohl  er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. 9 Und als  er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des  ewigen Heils geworden, 10 genannt von Gott ein Hoherpriester nach der  Ordnung Melchisedeks.   Liebe Gemeinde,wenn ein Soldat ALLE Befehle  seiner Vorgesetzten erfolgreich befolgt,
 ist er dann ein guter Soldat?
 Sicher – aus der Sicht seiner  Führer.
 Und aus Gottes Sicht?
 Wenn ein Mensch alle 10 Gebote  befolgt,
 den Sonntag hält, nur an einen  Gott glaubt, nicht lügt, stiehlt usw.,
 kommt er dann in den Himmel?
 Sicher – aus unserer Sicht. Aber  wie sieht Gott das?
 Das ist doch eine wichtige Frage,  denn da wollen wir ja alle hin,
 in den Himmel, oder nicht?
 Und wenn Jesus brav alle 10  Gebote gehalten hätten,
 hätten dann Juden und Römer ihn  nichtgekreuzigt?
 Und wenn Jesus die 10 Gebote  gehalten hätte,
 sich auch hätte foltern und  ermorden lassen,
 könnte er dann unser Erlöser  sein?
 Sicher – aus unserer Sicht. Aber  wie sieht Gott das?
 Interessiert Sie das?
 Oder ist Ihnen das  sch..nitzpiepe, weil Sie sich eh Ihren Glauben selber basteln?
 Nein, es reicht nicht in den  Himmel,nein, es qualifiziert nicht zum  Erlöser,
 wenn wir nur an die machbaren  (und doch so schweren)Gebote denken,
 die uns so in den Sinn kommen.
 Nur weil einer ein paar miese  Dinge NICHT tut,
 kommt keiner in den Himmel,  erlöst auch keiner diese Welt,
 garantiert nicht, da bin ich mir  ganz sicher, da ist die Bibel eindeutig.
 Aber da ist dieser Donnerschlag,  gleich am Anfang der 10 Gebote:
 Anoki Jahwä Eloheika!
 Das steht über den Geboten und  zwischen jeder Zeile:
 Anoki Jahwä Eloheika!
 Das ist Voraussetzung, Inhalt  und  Gewalt jedes einzelnen Gebotes:
 Anoki Jahwä Eloheika!
 Jetzt dreht er durch, befürchten  Sie,jetzt sollen wir Hebräisch  lernen,
 jetzt wird’s ein wenig einseitig.
 Ja, einseitig, Anoki Jahwä  Eloheika!
 Ich bin der Herr, dein Gott,
 damit ist jedes Gebot  überschrieben, durchdrungen und gezeichnet.
 Anoki Jahwä Eloheika! Ich bin der  Herr dein Gott.
 Wer das vergisst, weiß nicht was  Gottes Gebote sind.
 Wer ohne das Missetaten  vermeidet,
 nicht lügt, stiehlt, die Ehe  nicht bricht,
 kann auch nur ein Feigling sein.
 Wer ohne das Anoki Jahwä  Eloheika! Lebensrichtlinien einhält,
 mag klug und weise sein,
 hat aber keine Ahnung, was  Gehorsam gegenüber Gott ist.
 Denn WER ist dieser Gott?
 Es ist der Gott der Liebe, der  Gott, der Liebe ist!
 Der Gott der Liebe, der dich aus  der Sklaverei geführt hat.
 Du stiehlst nicht? Prima,  wirklich gut für dich.
 Tust du’s nicht, weil du deine  Mitmenschen liebst – prima!
 oder weil du Angst vor Strafe  hast – Feigling!
 oder weil du in den Himmel willst  – Egoist.
 Du brichst die Ehe nicht? Prima,  wirklich gut für dich.
 Tust du’s nicht, weil du deine  Frau liebst – prima!
 oder weil du Angst vor Chaos hast  – Feigling!
 oder weil du in den Himmel willst  – Egoist.
 Nur wer Gebote hält, weil er  liebt, tut’s in Gottes Sinn,
 alles andere ist im besten Fall  Klugheit,
 im schlimmsten  Selbstbeweihräucherung, Feigheit oder Egoismus.
 Nur wer Gottes Gebote hält, weil  er liebt,
 tut’s im Sinne des Gottes der  Liebe, der ist ihm gehorsam.
 (1. Korinther 13, 1- 3 vorlesen)
 Liebe Gemeinde, wenn Sie bis  jetzt mit mir nach-gedacht haben,dann haben Sie eine Ahnung,  welcher Art der Gehorsam Jesu war,
 den wir besonders in der  Passionszeit bedenken und von dem der Hebräerbrief spricht.
 Kein Kadavergehorsam, sondern
   
 
  Judika 1989 - Johannes 11, 47-53
47 Da versammelten die Hohenpriester und  die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele  Zeichen. 48 Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und  dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute. 49 Einer aber von  ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst  nichts; 50 ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch  sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.
 51 Das sagte er aber nicht von sich aus,  sondern weil er in dem Jahr Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte  sterben für das Volk 52 und nicht für das Volk allein, sondern auch, um  die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen. 53 Von dem Tage an war es  für sie beschlossen, dass sie ihn töteten. 54 Jesus aber ging nicht mehr  frei umher unter den Juden, sondern ging von dort weg in eine Gegend nahe der  Wüste, in eine Stadt mit Namen Ephraim, und blieb dort mit den Jüngern.
 Liebe Gemeinde, der Gott der Menschen  heißt NUTZEN,damals wie heute.
 Was  einen Menschen umtreibt,
 sein  Denken, Planen und Handeln bestimmt, das ist sein Gott.
 Wenn  es nutzt, wird gelogen, und es wird dabei nicht nach Gott gefragt, denn der Nutzen,  wohlgemerkt der eigene Nutzen, bestimmt das Handeln, ist also Gott.
 Wenn  es nutzt, wird betrogen, Versicherungen, Ehepartner, Kollegen, da wird nicht  nach Gott gefragt,
 denn  der Nutzen hat ja seine Stelle eingenommen.
 Wenn  es der Karriere nutzt, wird nicht gefragt, was Gott dazu meint oder ob es den  Kindern schadet, denn der eigene Nutzen sitzt auf dem Thron.
 Wenn  es nutzt, wird das Grundrecht geändert,
 und  Asylsuchende in das Land des Mörders Chomeni oder in Länder folternder  Offiziere abgeschoben.
 Wenn es nutzt, so sagte sich vor fast 2000  Jahren der Hohepriester Kaiphas, dann ist es besser EINEN umzubringen, als  VIELE in Gefahr geraten zu lassen.
 Was  Gott dazu meint, diese Frage stellt er sich schon gar nicht mehr, obwohl er  Priester ist.
 Denn er war zu einem Hohepriester des Nutzens  geworden, politisches Kalkül stand ihm näher als Gottes Gebot.
 Und Kaiphas liegt ja nicht falsch in seiner  Einschätzung der Lage: Schwerbewaffnete römische Besatzer waren im Land,
 bereit auch nur den kleinsten Unruheherd im  Keim zu ersticken. Misstrauisch verfolgten sie die Bewegung um den  Wanderprediger Jesus.
 Das Volk lief ihm nach, man sagte ihm Wunder  nach.
 Von  ihm ging für viele eine eigenartige Faszination aus.
 Viele  vermuteten in ihm den Messias.
 Klar,  die Römer erkundigten sich, was denn das sei, ein Messias.
 Sie  fanden heraus, dass viele darunter einen Befreier verstanden.
 Sie wurden hellhörig. Befreier von wem?
 Von  den Römern?
 Sollte Jesus ein Anführer von Terroristen sein  oder werden?
 Wenn  das Volk Jesus mehr und mehr nachlaufen würde,
 würden  die Römer eingreifen,
 brutal,  willkürlich und ein Exempel statuierend.
 Sie  konnten es sich nicht leisten,
 den  Widerstand im besetzten Land hochkommen zu lassen.
 Auch  sie fragten nach dem Nutzen und nicht nach Recht.
 Vielleicht  konnte sich Kaiphas so gut in das Denken und wahrscheinliche Verhalten der  Römer hineindenken,
 weil  er selbst aus dem gleichen Holz geschnitzt war,
 weil er selbst den gleichen Gott anbetete: das  eigene Interesse,
 den  eigenen Nutzen, die Zweckmäßigkeit.
 Kaiphas  verstand sich zwar als Angehöriger des Volkes Gottes,
 ja als Priester Gottes, aber wenn es darauf  ankam,
 hatte  er dieselben Maßstäbe und Werte wie die Römer.
 Einen  Unschuldigen opfern, wenn es zweckmäßig ist,
 ein  Zweckmäßigkeitsopfer, warum nicht?
 Wenn  ich mir es recht überlege,
 sind  die Römer eigentlich konsequenter und ehrlicher:
 Sie  bekennen sich offen zur Vergottung von Menschen,
 sie  lassen ihre Cäsaren als Götter verehren, ganz offiziell.
 Das  ist bei Kaiphas schon ganz anders:
 Er  und seine Leute haben Gott dauernd auf den Lippen,
 aber  im Denken und Handeln
 haben  sie sich längst selbst an Gottes Stelle gesetzt.
 Wenn  da etwas als nützlich erscheint,
 fragt  keiner mehr nach Recht, Wahrheit und Liebe –
 und  eben dafür steht Gott –
 sondern  dann ist sich jeder selbst sein eigener Gott.
 Und  diese Linie wurde bis heute konsequent fortgesetzt.
 Auf  allen Ebenen leitender Gremien in der Kirche ist folgendes zu beobachten:
 Am  Anfang und am Schluss einer Sitzung stehen Gottes Wort und Gebet, dazwischen  aber, da wo die Entscheidungen fallen,
 kommt  weder Wort Gottes noch Gebet vor.
 Da  regiert die Zweckmäßigkeit, der Nutzen.
 So  handeln Synoden, Kirchengemeinderäte und Ältestenkreise.
 Und  kann man dies nicht auch ein Stück weit verstehen?
 Denn ließe man sich bei Entscheidungen auf die  biblisch-theologische Ebene ein,
 dann  hätten doch immer die Theologen das Sagen
 und  die sogenannten Laien würden untergebuttert, oder nicht?
 Dann könnten Theologen ihre Macht missbrauchen,
 und  ihren eigenen, genauso selbstsüchtigen Willen durchsetzen,
 mit  geschickten Beweisfetzchen aus der Bibel.
 Und  genauso ist es, denn Theologen sind genauso anfällig von der Selbstvergottung,  sind genauso umworben vom Gott Nutzen,
 das  sieht man an Kaiphas, denn er war schließlich Theologe.
 Aber selbst wenn das so ist, ist es nicht  tragisch,
 wenn  man als Gemeinde Jesu Christi Jesus Christus nicht mehr fragt, wenn es um  konkrete Entscheidungen geht????
 Die  Konfirmanden spielen jedes Jahr eine Ältestenkreissitzung.Sie spielen Älteste einer Neubausiedlung,
 die noch keine Kirche hat.
 Nun  bekommt die Gemeinde, die bis jetzt in der kath. Kirche zusammenkam, 1 Million  DM von EOK, um sich eigenverantwortlich ein Zentrum für die Gemeinde zu schaffen.  Im Ältestenkreis gibt es verschiedene Meinungen, wie denn dies Geld zu  verwenden sei: Frau Neuwind will damit ein Jugendzentrum bauen, Herr Bleibtreu  eine Kirche, Frau Treffdich ein Gemeindezentrum und Herr Hilfreich will in der  kath. Kirche bleiben und die ganze Million den Hungernden geben. Und die  Konfirmanden spielen dann eine Sitzung und eine Gemeindeversammlung. Immer wird  mit Mehrheit entweder für das Jugend- oder für das Gemeindezentrum gestimmt.  Wenn ich dann anschließend frage: Und wofür wäre wohl Jesus gewesen, dann tritt  jedes Mal die nachdenklich machende Situation ein, dass nach Meinung der  Konfirmanden Jesus immer anders entscheidet als die Gemeinde. Die Konfirmanden  meinen immer, Jesus würde den Hungernden helfen und weiterhin das brüderliche  Miteinander mit der kath. Kirche pflegen.
  Im Spiel und in der Wirklichkeit stimmen die  Christen nicht sowie der, nachdem sie sich nennen.
 Daran  leidet die Kirche, daran leidet die Welt, daran leidet Gott.
 Unter dem Gott Nutzen leiden alle, auch die,
 die unter und mit ihm momentane Triumphe  feiern.
 Doch  so wie theologisch nicht trainierte Konfirmanden
 könnte sich doch jeder Christ, jeder Älteste,  jeder Kirchengemeinderat, jeder Synodale, vor Entscheidungen die Frage stellen:  Was würde Jesus dazu sagen?
 Die  hat sich Martin Niemöller in aller Konsequenz immer gestellt,
 und  sich ihrer Schlichtheit nicht geschämt-
 Sie  brachten ihn allerdings ins KZ.
 Was  würde Jesus dazu sagen? Dazu brauchts kein theologisches Buchstabenwissen, denn  das ist keine knifflige Buchstabenfrage, sondern eine Geistesfrage. Da  wird es zwar immer noch verschiedene Einschätzungen geben, aber wer die Frage  ehrlich stellt,
 gerät  in das Umfeld Jesu Christi
 und  gerät dadurch aus dem Bann des Götzen Nutzen.
 Dann kommt Gott wieder zu seinem Recht
 und dadurch auch der Mensch in seiner  Sehnsucht nach Recht, Wahrheit und Liebe.
 Aber  Kaiphas wollte nicht Recht, sondern Nutzen,
 nicht  Wahrheit, sondern Zweckmäßigkeit,
 nicht  Liebe, sondern Gewalt.
 Denn  Wahrheit und Liebe bergen auch immer ein Risiko in sich,
 das  Risiko des Leidens.
 Und  dieses Risiko wollte er nicht eingehen.
 Deshalb muss ein Unschuldiger sterben,
 anstelle anderer,
 wie  schrecklich, wie menschenverachtend, wie zynisch.
 Doch  Johannes lässt uns nun einen Blick tun in eine Dimension, die  uns meist verborgen bleibt:
 Furchtbares  wandelt Gott in Fruchtbares,
 was  menschenverachtend gedacht war,
 lässt Gott zu etwas Menschen suchendem werden,
 das  geplante Zweckmäßigkeitsopfer wird zum Opfer des Lammes Gottes,
 das  der Welt Sünde trägt.
 Dadurch  sind Kaiphas und die Anbeter des Gottes Nutzen nicht gerechtfertigt, aber jeder  soll wissen,
 dass  Gott zu seinem Recht kommt.
 Und  das ist nicht schrecklich, sondern tröstlich,
 denn  bei Gott heißt es nie: Eigennutzen vor Recht,
 sondern  Gnade vor Recht.
 Und  darin ist Hoffnung für uns verlorene Kinder Gottes.
 Dietrich  Bonhoeffer fasste diese Hoffnung so zusammen: Ich  glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann  und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen  lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft  geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nie im Voraus, damit wir uns  nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben  müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere  Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind und dass es Gott nicht schwerer ist,  mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube,  dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und  verantwortliche Taten wartet. Amen.
 
 
   Palmsonntag 1987Lukas 7, 36-5036 Es bat ihn aber einer der Pharisäer,  bei ihm zu essen. Und er ging hinein in das Haus des Pharisäers und setzte sich  zu Tisch. 37 Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin.  Als die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers, brachte sie ein  Glas mit Salböl 38 und trat von hinten zu seinen Füßen, weinte und fing  an, seine Füße mit Tränen zu benetzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu  trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit Salböl.39 Als aber das der Pharisäer sah, der ihn  eingeladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet  wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn  sie ist eine Sünderin. 40 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich  habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sag es! 41 Ein Gläubiger  hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere  fünfzig. 42 Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er's beiden. Wer  von ihnen wird ihn am meisten lieben? 43 Simon antwortete und sprach: Ich  denke, der, dem er am meisten geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast  recht geurteilt.
 44 Und er wandte sich zu der Frau und  sprach zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast  mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen  benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45 Du hast mir keinen Kuss  gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine  Füße zu küssen. 46 Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat  meine Füße mit Salböl gesalbt. 47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden  sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird,  der liebt wenig.
 48 Und er sprach zu ihr: Dir sind deine  Sünden vergeben. 49 Da fingen die an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen  bei sich selbst: Wer ist dieser, der auch die Sünden vergibt? 50 Er aber  sprach zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!
   Liebe  Gemeinde, das Folgende sind die Gedanken eines Menschen, der ungenannt in dieser  Geschichte von der Salbung in Bethanien vorkommt. Er  kennt seinen Platz in dem Geschehen im Hause des Aussätzigen mit Namen Simon,  obgleich er dieses Haus nie betreten hat.
 Er weiß zu welcher Seite er gehört.
 Zwischen Jesus und der unbekannten Frau auf  der einen,
 und  ihm selbst und den Vielen auf der anderen Seite
 klafft  ein tiefer Riss.
 Aber  dieser Mann weiß nicht nur wo er ist,
 er weiß auch, wo er lieber wäre.
 Lassen  Sie mich diese Gedanken in der Ich-Form vortragen.
 (Das  ist einfacher, vielleicht auch ehrlicher!):
 
 Hier  seine Gedanken und Gefühle:
 Eins  kann ich vorweg sagen,
 Dieser Jesus ist immer für eine Überraschung  gut!
 Kaum glaubt man, ihn verstanden zu haben,
 kaum  hat man sich von der letzten Überraschung erholt,
 da  ist er wieder so ganz anders.
 Nichts  gegen Überraschungen,
 die  sind doch das Salz in der langweiligen Suppe des Lebens.
 Sie  dürfen aber nicht ans Grundsätzliche rühren,
 gewisse  Prinzipien müssen doch gewahrt werden.
 Kennen  Sie auch das Gefühl, in  einer Sache wenigstens diesmal bombenrichtig zu liegen?
 So überhaupt keine Zweifel, das ist ein tolles  Gefühl!
 Und sehen Sie, das hatte ich dies eine Mal im  Hause Simons.
 Sonst  bin ich ein extrem selbstkritischer Mensch,
 aber  wenn jemand den Jahreslohn eines Arbeiters
 in geradezu schamloser Weise verschwendet,
 so  ohne Sinn und Zweck, dann sehe ich rot.
 In Ordnung,
 natürlich  hat diese eigenartige Unbekannte es nicht an irgendeinen, sondern an Jesus  verschwendet.
 Aber  dennoch, wir mussten unsere Bedenken vorbringen,
 wir  meinten sie auch vorbringen zu können,
 wo  Jesus doch als Freund der Armen bekannt ist.
 Sie  werden glauben, dass meine Phantasie mit mir durchgegangen ist, wenn ich Ihnen  verrate,
 dass  ich Jesu Reaktion auf unsere kritischen Bedenken gegenüber dieser maßlosen  Verschwenderin buchstäblich hörte.
 Da  gab es gar keinen Zweifel,
 was  er zu uns Verschwendungskritikern sagen würde.
 Uneigennützig  wie er nun einmal ist,
 hörte ich ihn uns bestätigen: Recht habt ihr!
 Wahrlich,  wahrlich, ich sage euch, was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt  ihr mir getan und was ihr einem dieser geringsten Brüder nicht getan habt, das  habt ihr mir auch nicht getan.
  Todsicher war ich - das musste an der Stelle  so kommen.Aber  wie schon gesagt,
 auch  hier war Jesus mal wieder eine Überraschung wert,
 eine  recht unangenehme allerdings,
 unangenehm  jedenfalls für uns auf der anderen Seite.
 Da hat Jesus doch glatt die Seiten gewechselt.
 Wir  glaubten ihn ohne jeden Zweifel auf der unseren zu haben und sahen diese  unbekannte Spinnerin allein auf der andern.
 Nein, er gesellt sich zu ihr,
 lobt sie ob ihrer wunderschönen Tat und rügt  uns wegen unseres REDENS über gute Werke.
 War das wohl der Grund für seine Parteinahme  für die Frau,
 dass sie wirklich etwas tat, wir aber nur  übers Tun laberten?
 Oder hat ihn geärgert, dass wir über den  rechten Verwendungszweck IHRES Geldes diskutierten,
 jedoch  auf unseren eigenen Geldbeuteln sitzen blieben?
 Aber  Menschenskinder, wo bleiben wir denn,
 wenn  man nicht mehr über Verhältnismäßigkeit,
 über Zweckmäßigkeit und über Mäßigkeit im  Allgemeinen debattieren soll.
 Es  muss doch alles sein Maß, seine Ordnung haben.
 Was  gestern richtig war, wird auch heute und morgen richtig sein, oder nicht?
 Wissen  Sie, Frauen sind da manchmal allgemein etwas eigenartig, überschwänglich,  unberechenbar,
 manchmal  kennen die weder Maß noch Ziel in ihrem Verhalten, benehmen sich zuweilen wie  KInder.
 Stichwort  Kinder:Nun erinnere ich mich deutlich, dass da doch  schon einmal eine ganz ähnliche Situation war wie im Hause Simons,
 wo  wir uns auch auf der Seite des Meisters glaubten
 und  er uns dann im Regen stehen ließ.
 Nach  einem harten Tag wollten einige, es waren natürlich Mütter,
 ihre Kinder zu Jesus bringen.
 Wir  versuchten, unseres Chefs  wohlverdiente  Ruhe zu schützen.  Aber da fällt er uns  in den Rücken,
 lädt diese kleinen Schreihälse extra ein und
 konfrontiert  uns danach noch mit dem Denkspruch:
 Wenn  ihr nicht werdet wie die Kinder,
 könnt  ihr nicht in das Reich Gottes kommen.
 So  peinlich es auch für mich ist, aber ich muss ihnen jetzt nach beinahe 2000  Jahren ein Geständnis ablegen:
 Auch im Hause Simons, gab der Meister einen  Satz zum Denken, aber verstehen Sie, der war so unglaublich realitätsfremd
 und  vor allem innerhalb unserer Tradition so missverständlich,
 dass  wir Männer, und jetzt kommt mein Bekenntnis,
 ihn  einfach unterschlugen.
 Da  hatte Jesus nämlich mit dem absolut skandalösen Wort geschlossen: Wenn  Ihr nicht werdet wie die Frauen,
 so  könnt ihr nicht in das Reich Gottes kommen.
 Oft  haben wir, natürlich unter Ausschluss der Frauen,
 darüber  diskutiert,
 ob  wir diesen Satz doch irgendwo an wenig prominenter Stelle
 in  einem Evangelium unterbringen sollten,
 aber  wir waren einhellig der Meinung,
 dass  dieser EINE Satz dann das ganze Thomas-Evangelium,
 wie  wir es einmal nennen wollen, unannehmbar gemacht hätte.
 Da  ließen wir's ,
 denn  man muss ja immer das Ganze im Auge behalten, oder nicht?
 Die  Frau als Typus für den Menschen in und unter der Gottesherrschaft? Unmöglich,  denn schließlich gibt's die blutrünstige Herodias
 und  auch die Eiserne Lady Maggie.
 Undenkbar  auch, was der Denkspruch
 "Wenn  ihr nicht werdet wie die Frauen,
 so  könnt ihr nicht in das Reich Gottes kommen"
 in  den Traditionen angerichtet hätte,
 der  jüdischen wie der christlichen.
 Was  wäre aus dem Gebet des frommen Juden geworden,
 der  jeden Morgen als Teil seines Pflichtgebets spricht
 "Ich  lobe dich, Herr, dass du mich nicht als Frau geschaffen hast."?
 Was  aus der Tradition,
 das  Studium der heiligen Schriften der Frau zu versagen,
 mit  der Begründung, dass sie sonst unmäßig würde?
 Und  wo wäre die Meinung des Apostels Paulus geblieben
 "Das  Weib schweige in der Gemeinde"
 All  das und viel mehr wäre buchstäblich zerstoben,
 hätte  sich ins Nichts aufgelöst.
 Wie  bitte? Sie meinen, das wäre ganz gut so gewesen. Vielleicht  haben Sie Recht,
 mein  Verständnis von Fairness sagt mir das auch.
 Aber  es ist so schwer, über seinen Schatten zu springen.
 Diese  elenden Rollenzwänge!
 In den Ältestenkreis gehören vorwiegend  Männer,
 in den Besuchsdienstkreis jedoch überwiegend  Frauen.
 Das  sind zwei ungeschriebene Gesetze in Kirchengmeinden
 landauf,  landab.
 Können die einen eher Macht ausüben
 und  die andern eher Ohnmacht aushalten?
 Oder  warum ist das so?
 Haben  Sie keine Angst,
 ich  will nicht in emanzipations-theologische Gedanken ausufern. Verzeihen Sie mir  bitte auch mein Hin- und Hergespringe
 zwischen  dem Haus des Simon damals
 und  der Bruchsaler Südstadt heute.
 Aber  ich habe meinen Platz in der Geschichte, er ist bei den Vielen,
 aber  ich möchte bei Jesus und der Frau sein,
 bei  denen fasziniert mich einiges unheimlich.
 Vielleicht  bin ich Jedermann?
 Ich  kann es Ihnen auch recht genau sagen,was mich an der maßlos verschwenderischen Frau  so anspricht
 nach  all der anfänglichen Opposition:
 Sie  hatte irgendwie das Einfühlungsvermögen,
 dass  im Hause des Simon ein einsamer Todeskandidat
 eine  seiner letzten Mahlzeiten zu sich nahm,
 während  wir andern
 in  ihm noch immer den möglichen politischen Befreier sahen,
 hofften,  dass er bald mit Gewalt das Joch der Römer
 von  uns streifen könnte.
 Sie  aber wusste, dass ihm bald Gewalt angetan werden würde.
 Daher hatte sie den Balsam der letzten Ölung  bereit,
 wir aber hatten, bildlich gesprochen
 immer  das Öl für die Salbung des Messias in der Tasche,
 mit  dem wir ihn endlich aus der Reserve locken wollten.
 Jesus  muss so furchtbar einsam gewesen sein. Wir  waren an seiner Rolle,
 an seinem Amt, an dem was er bringt,  interessiert.
 Aber da durchbricht diese Frau unsere ihn  vereinsamende Wand,
 und wendet sich seiner Person zu,
 behandelt  ihn mit wohltuenden Balsam,
 während  wir von fernen und anonymen Armen reden,
 ohne  zu merken, dass hier zwei wirklich Arme unter uns waren,
 die  hier und jetzt unsere Zuwendung brauchten.
 Aber  stattdessen bombardierten wir beide
 mit  ausgesprochenen und angedeuteten kritischen Vorwürfen,
 die  nichts als Richtigkeiten bedeuteten,
 von  der befreienden Wahrheit allerdings Lichtjahre entfernt waren. Ach, könnte man  diese verfluchten Programme,
 diese  Richtigkeiten, diese Prinzipien doch einfach löschen,
 wie  in einem Computer!
 Aber  was dann? Ein neues Programm?
 Seit  wann lässt sich Liebe programmieren?
 Hat  die Frau sich in die Einsamkeitdieses von der Gewalt bedrohten Menschen  hineinfühlen können, weil sie selbst ihr ganzes Leben lang
 struktureller  Gewalt ausgesetzt war - als Frau?
 Sie  gehörte als solche zu denen für die Religion oft Ungerechtigkeit, und das was  wir landläufig Liebe nennen, zuweilen Gewalt bedeutet. Aber sie gehörte dadurch  auch zu denen,
 die Jesus liebten und schätzten,
 eben  weil er diese Spielchen
 von  offener und versteckter Gewalt nicht mitmachte.
 Endlich  einer,
 der  diesen religiös verbrämtem Chauvinismus nicht mitmachte
 -  wie unendlich wohltuend!
  Warum also ihm nicht ganz spontan wohl tun, ihn  statt Prinzipien Balsam, anstelle von Erwartungen Zuwendung fühlen lassen?!
 Und  noch etwas beeindruckt mich an dieser Frau,
 und  ich hoffe, dass ich nicht zu viel in sie hineininterpretiere:
 Ich  ahne, dass sie in Jesus
 etwas vom Geheimnis des leidenden Gottes  erkannt hat.
 Sehen  Sie, ich träume Gott so oft
 als  den, der die Welt erlöst,
 indem  er dem Leiden und der Ungerechtigkeit ein Ende macht
 durch  einen gewaltigen Schlag.
 Die Frau im Hause Simons aber ist angezogen von dem,
 der  weder mit schlagenden Argumenten
 noch mit gewaltigen Waffen das Heil der Welt  sucht,
 sondern  im Mitleiden.
  Sollte die Frau in Jesus der Paradoxie des  leidenden Gottes auf  die Spur gekommen sein?
 Wenn  das so ist, dann befreit IHR Gott sie zu spontaner Liebe, während ich dem  meinen Respekt zolle
 (oder  auch nicht, wenn er mich enttäuscht)!
 JA,  ich weiß, wo ich zu finden bin im Geschehenim Hause des Simon zu Bethanien.
 Das  tut weh.
 Aber  ich möchte auch meinen Gott dort finden in diesem Haus.
 Ich bin fasziniert von dem Gott,
 der  durch seine Gewalt die Leiden der Welt
 nicht  einfach umverteilt in einem gewaltigen Gericht,
 sondern  sich selbst mittragend in sie hineinbegibt.
 Ich versteh diesen Gott, der sich da in Jesus  zeigt nicht immer,
 oft  verleugne ich ihn auch wie Petrus durch mein Handeln-
 aber  verraten wie Judas KANN ich ihn einfach nicht,
 denn  ich brauche weder Respekt noch Prinzipien - aber Liebe.
 Wie  gesagt, ich weiß wo ich bin in dieser Geschichte, aber  ich weiß auch wo es mich hinzieht.
 Ich  habe im Ich-Stil erzählt, weil's einfacher war, aber auch weil's mir ehrlich  ehrlicher erschien.
 Wenn  auch Sie in dieser Sache in der Ich-Form
 reden  können und wollen, lade ich Sie ein zum stillen Mitbeten ein:
 Herr,  mein Gott, befreie mich von meinen Götzenbildern die sich in Machtphantasien  zeigen.  Herr Jesus Christus, präge mir  dein Bild ein als der Mitleidende. Heiliger Geist, lass mich seufzen mit allem  Leben, das unter der Gewalt leidet und lass befreit mich verschenken an alle,  denen du dich geschenkt hast. Amen.   
 
   Karfreitag 1989Matthäus 27,31-50
An diesem Karfreitag des Jahres 1989 wird uns als zum Gottesdienst  versammelte Gemeinde viel zugemutet: Wir sollen den Kreuzigungsbericht nach Matthäus hören.
 In düsteren Farben  schildert der das Treiben
 von gottverlassenen Menschen und das von ihnen verursachte
 und gewollte Leiden des von  Menschen und von Gott verlassenen Gottessohnes.
 Im Matthäus-Evangelium wird nur von Spott und Grausamkeit der  offensichtlich von Gott verlassenen Menschen und der totalen Verlassenheit Jesu  berichtet.
 In diesem Evangelium fehlen alle “Lichtblicke” des Kreuzigungs-geschehens  an die wir viel lieber denken,
 ja, an die wir uns geradezu  klammern:
 Weder der große Wort Christi “Herr, vergib ihnen, denn sie wissen  nicht was sie tun noch der sich ihm zuwendende Verbrecher, auch Schächer  genannt, sind bei Matthäus erwähnt.
 Auch Jesu letztes Wort, das im Johannes-Evangelium einem  Siegesschrei gleichkommt “Es ist vollbracht” kommt im Matthäus-Evangelium nicht  vor; dort heißt es nur “Und Jesus schrie noch einmal laut und verschied.”
 Unserer Sehnsucht nach einem Lichtstrahl des Ostermorgens in dem  Geschehen auf Golgata kommt das Matthäus-Evangelium nicht entgegen.
 Ist das denn noch Evangelium, Gute Nachricht?
 Hören wir Matthäus, dessen Bericht von der Kreuzigung für viele  Christen damals die einzige Grundlage zum Verstehen dieses Geschehens waren;
 sie kannten die von uns  geliebten und ersehnten Lichtblicke der anderen Evangelien nicht.31 Und als sie ihn verspottet hatten, zogen  sie ihm den Mantel aus und zogen ihm seine Kleider an und führten ihn ab, um  ihn zu kreuzigen. 32 Und als sie hinausgingen, fanden sie  einen Menschen aus Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein  Kreuz trug.
 33 Und als sie an die Stätte kamen mit  Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte, 34 gaben sie ihm  Wein zu trinken mit Galle vermischt; und als er's schmeckte, wollte er nicht  trinken. 35 Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten  sie seine Kleider und warfen das Los darum. 36 Und sie  saßen da und bewachten ihn. 37 Und oben über sein Haupt  setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der  Juden König.
 38 Und da wurden zwei Räuber mit ihm  gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.
 39 Die aber vorübergingen, lästerten ihn  und schüttelten ihre Köpfe 40 und sprachen: Der du den  Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du  Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! 41 Desgleichen spotteten auch  die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen:  42 Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der  König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn  glauben. 43 Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn  er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. 44 Desgleichen  schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren.
 45 Und von der sechsten Stunde an kam eine  Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. 46 Und  um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt:  Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
 47 Einige aber, die da standen, als sie das  hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia. 48 Und sogleich  lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte  ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. 49 Die andern  aber sprachen: Halt, lass sehen, ob Elia komme und ihm helfe! 50 Aber  Jesus schrie abermals laut und verschied.Weder das Wissen um den Ostermorgen
 noch volkskirchliche Gewöhnung schützen vor tiefer Betroffenheit beim  Hören dieser Worte.
 Keiner seiner im Leben scheinbar so Getreuen
 begleitet Jesus auf dem Weg ins Sterben.
 Der von den Folterungen  Geschwächte muss zunächst sein Kreuz selbst tragen.
 Als er das nicht mehr vermag, zwingt man einen Wildfremden dazu. Des  psychologisch so wichtigen Schutzes seiner Kleider beraubt, nagelt man ihn an  den Schandpfahl.
 Auch die von den Soldaten gereichten Getränke
 sind nach Matthäus nur zum Ärgernis und zum Spott
 oder zur Verlängerung von Leben und Leiden gegeben.
 Das Volk, wie auch die religiösen Würdenträger,
 überschütten ihn mit beißendem Spott.
 Sie schütteln den Kopf, nicht aus Mitleid,
 nicht als Kritik an einer grausamen Hirnrichtungsart,
 sondern um anzuzeigen:
 Das hast du nun von deinen großen Sprüchen.
 Du hast so vielen geholfen,  ha, hilf dir doch selbst.
 Du hast dich auf Gott verlassen, und nun bist du verlassen.
 Wenn einer so offensichtlich von Gott verlassen ist,
 tut man gut daran, sich ebenfalls von ihm zu distanzieren.  Erschütternd, wie einer der sein Leben als Beistand und als Helfer verbracht  hat nun ohne Beistand und Hilfe endet.
 Um Gottes willen- steht ihm denn keiner bei!?
 Nein, um Gottes  Willen steht ihm keiner bei.
 In dieser Szene auf Golgata offenbart sich des Menschen Herz.
 Um Gottes willen steht ihm jetzt keiner bei.
 Jetzt, wo Jesus am Kreuz  hängt, nackt und geschunden,
 offensichtlich verlassen, am Ende, unfähig, sich selbst zu helfen,
 jetzt war bei ihm nichts mehr zu holen,
 jetzt war endgültig klar, dass er einem nicht nutzen konnte.Unter dem Kreuz wird offenbar:
 Sie alle hatten in Christus nicht Gott, sondern sich selbst  gesucht.
 In seinem Sterben erfährt Jesus,
 was zu seinen Lebzeiten nicht anders gewesen war:
 Alle -ausnahmslos alle‑ hatten nur sich selbst gesucht.
 Um Gottes Willen steht im keiner bei, weder jetzt noch zuvor.Bei den Frommen seiner Zeit war das sehr schnell zum Vorschein  gekommen. Sie warteten auf einen von Gott gesandten Messias,
 der sie für ihre Frömmigkeit belohnen würde.
 Als Jesus sich aber den am Lebensstil ersichtlich von Gott  Verlassenen zuwandte, den Sündern und Zöllnern,
 da fühlten sich die Frommen im Stich gelassen.
 Für sie selbst  sollte der Messias da sein,
 nicht für die Sünder.
 Auch das Volk fühlte sich im Stich gelassen:
 Jesus brachte ihnen nicht die erhoffte Befreiung vom Joch der  römischen Besatzungsmacht. Vom Volk war daher jetzt auch kein Beistand zu  erwarten.
 Und die Jünger – um Gottes willen –
 steht denn auch von ihnen keiner dem Sterbenden bei?
 Auch sie offenbaren sich durch ihre Abwesenheit auf Golgata:
 Auch sie hatten sich nur selbst gesucht,
 hatten von Jesus Ämter und  Ehren erwartet.
 Nun schämten sie sich, dass sie drei Jahre
 ihres Lebens geopfert  hatten - für nichts.
 Um Gott allein war es auch ihnen nicht gegangen.
 Und die vielen Geheilten, die von ihm Ermutigten,
 die neuen Lebenssinn, neuen  Glauben gefunden hatten, wo sind sie? Nun, sie hatten bekommen, was zu bekommen war,
 heraus geholt, was zu holen  war!
 Auf Golgata gab’s nicht mehr.
 Das Kreuz offenbart:
 Alle miteinander haben sie Gott verlassen und nur sich selbst  gesucht. Alle, auch wenn es bei manchen zunächst nicht so schien.
 Heiden und Juden, Sünder  und Fromme, Jünger und Geheilte,
 sie hatten den  Gottgesandten schon zu Lebzeiten verlassen,
 nichts war um Gottes willen, nichts war um Jesu willen geschehen.  Am Kreuz wird’s offenbar.Durch das Kreuz Christi werden sie alle,
 die Anwesenden wie die Abwesenden,
 zu einer Gemeinde von selbstsüchtigen Sündern,
 die Gott verlassen haben und deren Gottverlassenheit hier ihre grausamen  Früchte zeitigt.
 Sie verließen ihn, weil sie sich nicht von dem Erlöser aus den  dunklen Verließen ihrer Selbstsucht und Herzenskälte befreien ließen.
 Sie alle erhofften Ehre und Liebe für sich selbst,
 hatten aber für Gott weder Ehre noch Liebe übrig.Das Kreuz offenbart:
 Auf den Selbstsüchtigen ist nie Verlass.
 Wenn es für ihn kritisch wird, verlässt er Mensch - und Gott.
 Um Gottes willen!
 Was in dieser Welt  geschieht um Gottes willen?
 Nur darauf kann ja letztlich Verlass sein.
 Was um Gottes willen  geschieht,
 kann allein dem Menschen  Rettung sein.
 Der Sohn allein sucht Gottes willen, ist befreit von der  Selbstliebe, meint in allem Gottes Ehre.
 Er allein ist bereit, sich um Gottes willen selbst zu verlieren.
 Er allein ist bereit, sich ausschließlich auf Gott zu verlassen.
 Er allein ist bereit, dem  Sünder so beizustehen,
 dass er selbst den Beistand von Menschen verliert.
 Er allein ist um Gottes willen dem Sünder so nahe,
 dass die beiden kaum mehr auseinander-zuhalten sind.
 Er allein ist um Gottes willen dem Sünder so nahe gekommen,
 dass dieser darin Gottes JA zum Sünder erfahren kann.
 Und er allein ist dem Sünder so nahe geblieben,
 dass ihn nun selbst Gottes NEIN zur Sünde in aller Schärfe trifft.
 Er, der sich auf Gott verlassen hat, ist nun deshalb von ihm  verlassen. Mein Gott, mein Gott, warum??? Er allein war bereit, diesen Preis zu  zahlen.Wie ernst muss doch Gott die Sünde nehmen.
 Ja, wie ernst muss er sie nehmen, wenn er den Sünder ernst nimmt.  Der Gott Jesu Christi ist nicht der unbewegte Beweger
 der Philosophen sondern der sehr bewegte Vater.
 Das Leiden seines Sohnes ist sein Leiden.
 Die Gottverlasseneheit seines Sohnes grenzt an Selbstaufgabe.
 Doch jetzt gilt es über die eigentliche Zumutung dieses Textes  nachzudenken:
 Matthäus nimmt uns bewusst  alles Positive an Worten, Personen und Geschehen, er lässt uns niemanden, in  dem wir uns positiviv wiederfinden könnten (Beispiele)
 Warum macht es uns Matthäus  so schwer, uns im Geschehen auf Golgata wiederzufinden?
 Wir ahnen, nur wenn wir uns am Kreuz irgendwie persönlich  wiederfinden, nur dann hat es für uns heilvolle Bedeutung.
 Were you there, when they crucified my  Lord?
 Aber wo und in wem sollen wir uns wiederfinden?
 Um Gottes willen – welch erschütternde Einsicht wird uns  zugemutet: Ob ich fromm bin oder nicht, ob ich von Jesus schon Heil erfahren  habe oder nicht,
 ob ich in seiner Nachfolge stehe oder nicht,
 ich kann mich nur dort finden, wenn ich mich einreihe in die  Gemeinschaft der selbstsüchtigen und gottverlassenen Sünder,
 in die Reihe derer, die dem Helfer ihre Hilfe verweigerten.
 Welche Zumutung!
 Es zerbricht die hohe Selbsteinschätzung von der Art des Petrus:
 Herr, wäre ich bei dir gewesen.
 Das heute am Karfreitag durchzubuchstabieren ist schmerzhaft,  grenzt an Sterben und Selbstaufgabe.
 Denn Christi Tod ersetzt  nicht einfach unsern Tod,
 wie auch seine Liebe nicht unsere Liebe
 und sein Glaube nicht  unseren Glauben ersetzt.
 Es gilt, um Gottes willen, mit ihm auf Golgata zu sterben.
 Nur wer mit ihm so zerbricht  und stirbt
 wird mit ihm auferstehen  und leben.
 Nur wer sich in die Gemeinschaft der Sünder einreiht,
 gehört in Christus zur Gemeinschaft der Heiligen, anders bleibt er bei den Scheinheiligen. Amen
   
 
   Ostern 1995Mt. 28,  1-10
  1 Als aber der Sabbat vorüber war und der  erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um  nach dem Grab zu sehen. 2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn  der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg  und setzte sich darauf. 3 Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand  weiß wie der Schnee. 4 Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und  wurden, als wären sie tot.5 Aber der Engel sprach zu den Frauen:  Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.  6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und  seht die Stätte, wo er gelegen hat; 7 und geht eilends hin und sagt seinen  Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch  hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch  gesagt. 8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude  und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und  sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen  vor ihm nieder. 10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin  und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie  mich sehen. Liebe  Gemeinde,      vorgestern, am Karfreitag-Nachmittag, der Fernseher  läuft,
 ich komme kurz ins Wohnzimmer und kriege eine Szene  aus einem
 typischen  Hollywood-Schinken mit:
 Mose steht mit einem riesigen Stab in der Hand vor dem  Pharao
 und will erreichen, dass der  sein Volk aus der Sklaverei entlässt.
 Ohne Erfolg!
 Da  vollbringen Mose und Aaron ein Wunder,
 natürlich mit dem Ziel, die Macht ihres Gottes zu  demonstrieren
 und dadurch den Pharao weichzukriegen.
 Aaron  wirft den Stab vor den ägyptischen König
 und prompt verwandelt sich der Stock in eine Schlange.
 Aber der von Yul Brynner  gespielte Pharao bleibt absolut cool
 und bemerkt gelassen, dem Sinn nach:
 Damit  kann dein Gott mich nicht beeindrucken, das ist zweideutig.
 Daran wurde ich gestern Morgen in der Predigtvorbereitung  erinnert,als ich die Ostergeschichte  nach Matthäus las:
 Von Wundern über Wundern  erzählt uns Matthäus,
 keiner der andern Evangelisten  ist so plastisch und so drastisch
 in der Schilderung des  Ostergeschehens.
 Aber wie Pharao lassen manche mich seltsam unbeeindruckt
 andere aber machen mich  österlich-wunderbar froh.
 0 ja, Ostern ist das Fest der  Wunder, ich liebe Wunder,
 ich  brauche Wunder in meinem zementierten Alltag,
 aber welche Art von Wundern machen Christus  in mir lebendig
 und welche sind bloß die  Nervenkitzel für einen gelangweilten
 Konsumenten?
 Darf ich Sie bitten, den Worten des Matthäus gespannt zu  folgen,
 und sich zu überlegen:
 Wo in seiner Wundererzählung geschehen die wirk-lichen Wunder,
 d.h. die Wunder, die  zu Christus hinwirken, damals wie heute!?       (Textverlesung)
 Welche Bilder, welche Sätze hängen jetzt noch in Ihrer  Erinnerung,
 was hat Ihre Phantasie so  richtig gefangengenommen?
 Nun ja, wir sind alle verschieden,
 aber ich vermute, Erbeben, steinwälzender und auf
 dem Stein thronender Engel,  Blitzerscheinung
 und wie tot umfallende Wächter -
 das  bleibt hängen.
 Und so wird Ostern auch in vielen Kirchen künstlerisch  dargestellt
 und die Zeitungen mit Ihren Ostergrüßen übernehmen das.
 Komisch nur, dass weder Markus,  noch Lukas, noch Johannes
 irgendetwas davon erzählen -  nichts dergleichen - lesen Sie's nach!
 Sie erwähnen weder Erdbeben, noch den graböffnenden Engel,
 noch Blitz und geblendete Wächter?
 Warum  verzichten sie
 auf solche Hollywood-tauglichen Show-Elemente?
 Nehmen wir mal an, es sei alles  so geschehen damals,
 Erdbeben, steinrollender Engel  und umfallende Wächter.
 Warum lassen drei Evangelisten  all dies Bombastische weg,
 der Matthäus aber räumt dem zentralen  Platz ein?
 Als ich darüber  nachdachte,
 fand ich mich  plötzlich in einer lebhaften Unterhaltung mit Mt:
 „Matthäus, was  soll Deine Konzentration auf das Mirakulöse,
 wozu  all das betonen, was wir heute nicht mehr so erleben,
 willst  Du damit Glauben wecken,
 Glauben  an den so zurückhaltenden Jesus,
 der mit seinen Wundern nicht beeindrucken, sondern  helfen wollte?
 Holt Dein Jesus, lieber  Matthäus, jetzt alles nach,
 was  ihm in seinem Erdenleben verwehrt geblieben war,
 Ruhm,  Macht und beeindruckende Stärke?
 Ist Dein Auferstandener eigentlich noch der Gekreuzigte
 der Geschundene, der  Mitleidende,
 oder wird  er zum schein-österlichen Arnold Schwarzenegger,
 der die  ärmlich-schwächlichen Massen zum Staunen bringt?
 Brauchte  man vorher die Augen des Glaubens
 um in dem Gekreuzigten Gott zu entdecken,
 so genügt jetzt eine gute Video-Kamera.
 um klarzumachen, was (Gottes)  Sache ist.
 Und weißt Du,  Matthäus, was Du (ungewollt) angestellt hastmit Deiner show-zentrierten Ostergeschichte?
 Du bist  mitverantwortlich für die vielen,
 die heute  sehnsüchtig auf solche Engel warten,
 die ihnen  die steinschweren Lasten abnehmen,
 aber kein  Engel kommt.
 Und für  die vielen, die Demonstrationen von Gottes Macht erwarten
 und nichts  geschieht.
 Solche  Menschen seufzen resigniert und frustriert,
 wie das  meine eigene Mutter immer wieder getan hat:
 Warum hat  damals Gott so deutlich geredet und gehandelt,
 damals -  und nicht heute!?
 Warum  konntest Du nicht wie Deine drei Evangelisten-Kollegen
 meine  Blicke auf das lenken, was wirklich wunderbar ist,
 damals wie heute???
 Und nach dieser  kritischen Unterhaltung mit Matthäuswar mir  wohler und ich nahm mir seine Ostergeschichte erneut vor.
 Und da  entdeckte ich das Wunderbare im Unscheinbaren.
 Da  entdeckte ich das, was ich den Schneeglöckchen-Glauben nenne:
 Die blühen  gegen Kälte, Schnee und Eis an
 quer gegen das was eigentlich noch Macht hat
 sind ihrer  Jahres-Zeit eigentlich weit voraus,
 wecken so  Hoffnung auf den kommenden Frühling
 und tun  das alles still,
 verzichten  auf Bombast und Glanz und Gloria.
 
 Das beeindruckt mich jedes Jahr neu:
 das Wunderbare im Unscheinbaren.
 Gott sei Dank hat  Matthäus die schneeglöckchenartigen Wunder
 nicht unterdrückt, nicht  weggelassen,
 sie drohen nur unter  einer Bombast-Last des Mirakulösen
 erdrückt zu werden.
 Da sind die beiden  Marias, schon am Kreuz und bei der Bestattung Jesu,
 und auch jetzt am Grab,
 gegen Trostlosigkeit und Feigheit anblühend.
 Die Großwetterlage  sagt: Jetzt sich von dem Jesus distanzieren! ‑
 und das  haben die „Glaubensgiganten", die Männer, auch getan.
 Aber die Frauen bleiben in Jesu  Nähe, auch nach seinem Tod,
 nicht spektakulär, aber eben  schneeglöckchenhaft
 der augenscheinlichen Situation trotzend,
 das vor Augen stehende  nicht als allerletzte Wirklichkeit anerkennen,
 Ostern vermutend, ahnend.
 Ja, die eine Maria, die aus Magdala,
 die wurde von Jesus  von sieben bösen Geistern befreit,
 vom -ich sag's mal heutig-  Konsumzwang,
 vom bösen Geist der  Anpassung, von Missgunst und Gier,
 von  Menschenverachtung und Menschenvergottung
 und von  Nummer sieben, der Gleichgültigkeit,
 davon hatte Jesus sie befreit.
 Und so von Gott befreite  wittern überall Osternhinter jedem Karfreitag,
 das wird zu ihrer zweiten Natur.
 Natürlich geht auch sie  zum Grab und geht davon aus,
 einen  Toten zu finden, aber……
 Dies zaghaft-trotzige  ABER, das ist Schneeglöckchen-Glaube, ein Wunder!
 Und  auch das ist vom Auferstandenen geweckter Glaube,
 der ist  nicht genetisch bedingt, so bei gutgläubigen Frauen eben,
 sondern  der gedeiht in der Nähe Jesu, auch wenn der tot scheint.
 Und das zweite Wunder,  ja das sehe ich darin,dass Matthäus nicht  verschweigt, dass es Frauen waren,
 denen der  Auferstandene zuerst begegnet.
 Nachdem  ich vorhin mich so kritisch mit Matthäus
 auseinandergesetzt habe
 muss  ich jetzt sagen:
 Das  imponiert mir, Matthäus,
 dass Du die  Frauen nicht einfach weglässt
 aus  der Ostergeschichte,
 wäre  ja möglich gewesen in Deiner Zeit.
 Frauen  konnten ja damals keine rechtsmäßigen Zeugen sein.
 Und  trotzdem führst Du sie als die ersten Osterzeugen auf.
 Respekt,  Matthäus, offenbar hast Du doch etwas von Deinem Meister
 angenommen.
 
 Der  Auferstandene und sein guter Geist,
 der  das Unscheinbare nicht verwirft,
 den  glimmenden Docht nicht auslöscht
 und  die Ausgegrenzten in die Mitte stellt ‑
 die  haben auch den Matthäus be-geistert.
 Das ist für mich das  zweite Osterwunder in dieser Geschichte.
 Und das dritte?Der Auferstandene nennt die Jünger,
 die ängstlich-verkrochenen,  die ungläubig-verhockten,
 diese  Jünger nennt er Brüder, nicht Versager und nicht Feiglinge
 auch nicht staubige  Brüder,
 Nein, BRÜDER !!!
 Das finde ich  eindrucksvoller als alle steinrollenden Engel aller Zeiten. Brüder, da ist der Neuanfang  ermöglicht,
 ohne die hochmoralische  Strafpredigt.
 Brüder, darin  liegt Hoffnung auf erneutes Gebraucht-Werden.
 Brüder und Schwestern,  so ist der Auferstandene
 damals wie heute.
 Darum: Frohe und gesegnete Ostern.
 Amen.
 
 
     Quasimodogeniti  1990Jes. 40,26-3126 Hebt eure Augen in die Höhe und seht!  Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle  mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen  fehlt. 27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg  ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber«?  28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die  Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist  unausforschlich. 29 Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem  Unvermögenden. 30 Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln  und fallen; 31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie  auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass  sie wandeln und nicht müde werden. Es ist schon beinahe ermüdend wie  oft das Wort "müde"im heutigen Predigttext vorkommt:
 Viermal in diesen wenigen Versen,
 und jedes Mal steht daneben noch zur  Verstärkung
 ein gleichbedeutendes  "matt" oder "kraftlos".
 Da hätten wir also eindeutig unser  Thema für heute
 und garantiert jeder könnte etwas  beitragen.
 Und schon wären wir wieder  reingetapptin das Fettnäpfchen, das so  verschiedene Namen hat,
 wie Problembewusstsein oder  Nabelschau.
 Denn was bringt's,
 wenn sich Müde über Müdigkeit Gedanken  machen?
 Blei in den Gliedern und ein  gelangweiltes Gähnen
 im Gesicht!
 Denn nicht um Blei geht' dem Jesaja,sondern um Adlerfügel,
 und der Sonntag heute heißt  Quasimodogeniti
 " Wie die neugeborenen  Kindlein"
 und nicht
 "Wie die ausgelaugten  Wracks"
 So fühlen wir uns zwar manchmal,
 aber wir haben auch schon oft  erfahren,
 wie unglaublich leicht das Blei  einer solchen Müdigkeit abfallen kann.
 Wie weggeblasen, sagen wir dann -  und staunen!
 Ein Lied aus dem Radio, eins, das  wir lange nicht gehört haben,eins, mit dem wir gute Erinnerungen  verknüpfen:
 Erinnerungen an einen Kuss,
 Erinnerungen an einen irre schönen  Urlaub,
 Erinnerungen an das GEFÜHL von  Geborgensein
 bei VATER und Mutter.
 Drei Minuten einer Abfolge von Tönen  aus dem Radio,
 und schon sind wir beschwingt,
 d.h., mit Schwingen ausgestattet wie  Adler
 und Müdigkeit ist für eine Weile ein  Fremdwort
 Und das, obwohl sich ja gar nichts  geändert hat.
 Was vorher müde machte ist noch da.
 Und trotzdem ist die Müdigkeit weg.
 Die Ursachen sind noch da
 aber die Auswirkungen sind weg.
 Wahnsinn!
 Wie ist das möglich?
 Ich meine, das sei alles eine Frage  der Deutung.Es sind letztlich nicht die Dinge  oder die Umstände selbst,
 sondern ihre Deutung, die uns  entweder lähmen oder beflügeln.
 Ein und dieselbe Sache kann entweder  müde oder munter machen,
 je nachdem wie wir sie deuten,
 je nachdem wie wir uns zu ihr  stellen.
 Das wurde mir schlagartig neu  deutlich,
 als ich gestern Abend einen Brief  meiner Mutter
 in die Hände bekam,
 den sie im Herbst 1947 an ihre  Schwester Edna in den USA schrieb.
 Daraus möchte ich Ihnen ein paar  Sätze vorlesen.
 Zum Verständnis aber vorher noch  eine Information:
 Am Karsamstag 1945 wurde mein  Elternhaus in Boxberg
 von den Amerikanern in Brand  geschossen
 und brannte mit Stall und Scheuer  total ab.
 Das abgerannte Wohnhaus war zur  damaligen Zeit
 das schönste in Boxberg.
 Zwei Jahre später zogen meine Eltern  in den Neubau ein,
 dessen Baupläne vom Architekten so  überschrieben sind:
 "NOTwohnung des Herrn Ulshöfer  in Boxberg"
 Meine Mutter aber schreibt:
 "Du hast recht, liebe Edna,  dass wir glücklich sind im neuen Haus.
 Ich bin wie neu geboren!
 (Anmerkung des Verfassers:  Quasimodogeniti)
 Wir sind eingezogen in den Rohbau,
 noch nichts tapeziert oder  gestrichen
 Den Küchenschrank mussten wir 40 cm  von der Wand wegstellen, weil er schon schimmelig wurde.
 Im Sommer wollen dann tüchtig  lüften."
 Aber: "Ich bin wie neu  geboren"
 in der Notwohnung,
 nach dem Verlust des schönsten  Hauses am Ort!
 Ach ja, Mutter war eine Superfrau-
 und sie war's auch nicht.
 Machmal konnte sie die Umstände  wunderbar deuten,
 weil sie um den wusste, der auch in  der Notwohnung
 ein wunderbarer Gott ist,
 denn zur Erde kam ER ja selbst in  der Notwohnung,
 im Stall zu Betlehem.
 Doch zuweilen deutete sie auch die  schönsten Sachen
 so furchtbar deprimierend
 und dann wurde sie müde - und wir  auch.
 Aber das ist ja bei uns nicht  anders:Manchmal sind wir super,
 vor allem wenn wir unser Leben unter  dem Einfluss
 von Musik oder Poesie,
 (Der Film "Der Club der toten  Dichter")
 deuten können.
 Und machmal sind wir müde,
 wenn da keine Vision, keine Deutung  ist,
 dann stöhnen wir wie die Leute im  Exil in Babylon
 "Mein WEG ist dem Herrn  verborgen
 und mein Recht geht vor meinem Gott  vorüber" v.27
 Sprich: Ich sehe keine Sinn,
 ich habe keine Perspektive!
 Das macht müde
 Auf die Perspektive, die Sicht, die  Deutung kommt es an,sagt der Prophet den müden Menschen  an den „Rivers of Babylon“
 "Hebet eure Augen in die Höhe  und seht!
 Wer hat dies geschaffen?" v.26
 Gemeint sind die Sterne, wie der  Zusammenhang zeigt.
 Von den Babyloniern hörten die Leute  aus Israel,
 aus den Sternen könne man sein Leben  deuten
 Für die Babylonier waren die Sterne  Götter.
 Aber der Prophet argumentiert für  eine andere Perspektivenicht um recht zu haben,
 eine Religion gegen die andere  auszuspielen,
 sondern um eine beschwingende  Deutung der Sterne
 anzubieten:
 Versteht die Sterne nicht als  Götter,
 sondern als Wegweiser zu dem einen  Gott!
 Deutet eure Situation nicht  angesichts von Geschaffenem,
 sondern im Horizont des Schöpfers!
 Die Sterne sollten nach der Deutung  der Babylonierdie Möglichkeit bieten,
 den geheimen Plan für das Leben  eines Einzelnen zu enträtseln.
 Dahinter steckte die Überzeugung,
 dass vom Moment der Geburt an
 das Leben festgelegt ist - unabänderlich.
 Man könne nur noch enträtseln
 anhand der Sternkonstellation zur  Zeit der Geburt ,
 wie dieser PLAN aussieht -
 und sich darauf einstellen.
 Davon gingen die alten Babylonier  aus.
 Der Mensch als Schienenfahrzeug,  ohne Weichen
 und ohne die Möglichkeit abzubiegen  oder zu wenden.
 Dann gälte es nur noch REGELN zu  beachten.
 Mein Gott, wenn das alles wirklich  alles wäre!
 Traurig ist, dass aufgeklärte  Menschen
 dreitausend Jahre später in dieser  Deutungsart
 den alten Babyloniern folgen.
 Das ist traurig, denn diese Deutung  macht letztlich müde
 Es liegt ja alles fest.
 Noch trauriger ist, wenn Glaubendeihr Leben so verstehen.
 Das sind dann die Leute,
 die immer vom glauben müssen reden,
 den Glauben als Pflicht darstellen,
 Vogel, friß' oder stirb.
 Schrecklich!
 Letztlich sind wir immer dann arm  dran,wenn wir das Licht, die Deutung für  unser Leben,
 in Angestrahltem suchen,
 seien es Sterne, Umstände oder  Stimmungen
 und selbst in guten Regeln und  Buchstaben allein!
 Sterne wärmen nicht, sie sind ja nur  angestrahlt.
 Aber ihr Licht weist auf die Sonne.
 Und die wärmt auch dann noch,
 wenn in ihrem Licht die Wahrheit in  unser Leben bricht.
 So ist die Sonne das schönste  natürliche Symbol für Gott:
 In seinem Licht sind selbst  sogenannte harte Wahrheiten
 noch belebend.
 Und Müdigkeit fällt ab wie ein  lumpiges Gewand
 In den Bildern der folgenden  Geschichte ausgedrückt:Vor dem lebendigen Gott erfahren  wir,
 dass wir uns wie Hühner aufführen,
 Das ist hart!
 Aber in seinem Licht trifft uns der  Strahl aus der EwigkeitDer Adler(von Herman Gilhaus  )und wir verstehen unser Leben neu -
 wir sind Adler -
 und fliegen!
 (jetzt vorlesen!)
 Ein Mann ging in einen Wald, um nach einem Vogel  zu suchen, den er mit nach Hause nehmen könnte.
 Er fing einen jungen Adler,
 brachte  ihn heim und steckte ihn in den Hühnerhof zu den
 Hennen, Enten und Truthühnern.
 Und er gab ihm Hühnerfutter zu fressen, obwohl er  ein Adler war,
 der König der Vögel.
 Nach fünf Jahren erhielt der Mann den Besuch eines naturkundlichen Mannes.
 Und als sie miteinander durch den Garten gingen,  sagte der:
 „Der Vogel dort ist kein Huhn, er ist ein  Adler!"
 "Ja", sagte der Mann, „das stimmt,
 aber ich habe ihn zu einem Huhn erzogen.
 Er ist jetzt kein
 Adler mehr, sondern ein Huhn,
 auch wenn seine Flügel drei Meter breit sind".
 „Nein“,  sagte der andere,
 „er ist noch immer ein Adler, denn er hat das  Herz eines Adlers.
 Und das wird ihn hoch hinauffliegen lassen in die  Lüfte".
 „Nein, nein“, sagte der Mann, „er ist jetzt ein  richtiges Huhn
 und wird niemals wie ein Adler fliegen“.
 Darauf beschlossen sie, eine Probe zu machen. Der naturkundliche Mann nahm den Adler,
 hob ihn in die Höhe und sagte beschwörend:
 „Der du ein Adler bist, der du dem Himmel gehörst
 und
 nicht dieser Erde: breite deine Schwingen aus und  fliege!" –
 Der Adler  saß auf der hochgereckten Faust und blickte um sich.
 Hinter sich sah er die Hühner nach ihren Körnern  picken,
 und er sprang zu ihnen hinunter.
 Der Mann sagte: "Ich habe dir gesagt, er ist  ein Huhn“.
 „Nein, sagte der andere, "er ist ein Adler,
 versuche  es morgen noch einmal“.
 Am anderen Tag stieg er mit dem Adler auf das  Dach des Hauses,hob ihn  empor und sagte:
 „Adler, der du ein Adler bist, breite deine  Schwingen aus und fliege!“ Aber als der Adler wieder
 die scharrenden Hühner im Hofe erblickte,
 sprang er abermals zu ihnen hinunter und scharrte  mit ihnen.
 Da sagte  der Mann wieder: „Ich habe es dir gesagt, er ist ein Huhn“.- „Nein, sagte der andere,  „er ist ein Adler.
 Lass es uns noch ein einziges Mal versuchen;
 morgen werde ich ihnfliegen lassen“.
 Am nächsten Morgen erhob er sich früh, nahm den Adler und brachte ihn hinaus aus der  Stadt,
 weit weg von den Häusern an den Fuss eines hohen  Berges,
 jede Zinne erstrahlte in der Ferneeines  wundervollen Morgens.
 Er hob den Adler hoch und sagte zu ihm: „Adler,  du bist ein Adler,,
 Du gehörst dem Himmel und nicht dieser Erde.
 Breite deine Schwingen aus und fliege!"
 Der Adler blickte umher, zitterte, als erfüllte  ihn neues Leben –
 aber er flog nicht.
 Da ließ ihn der naturkundliche Mann direkt in die  Sonne schauen.
 Und  plötzlich breitete er seine gewaltigen Flügel aus,
 erhob sich mit den Schrei eines Adlers,
 flog höher  und höher und kehrte nie wiederzurück."
 "Die  auf den Herrn harren,kriegen neue Kraft,dass  sie auffahren mit Flügeln wie Adler,
 dass  sie laufen und nicht matt werden,
 dass  sie wandeln und nicht müde werden."
 Amen
 
 
   Quasimodogeniti  2005Johannes 21,1-14
  1 Danach offenbarte sich Jesus abermals  den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so:2 Es waren beieinander Simon Petrus und  Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die  Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. 3 Spricht Simon Petrus  zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir  gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen  sie nichts.4 Als es aber schon Morgen war, stand  Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. 5 Spricht  Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.  6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so  werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen  der Menge der Fische.7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb  hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr  war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins  Wasser. 8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht  fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie  ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen:  Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! 11 Simon Petrus stieg  hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und  obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und  haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist  du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. 13 Da kommt Jesus und nimmt  das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische.14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus  den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.   „Christ ist erstanden, von der Marter alle, des soll’n  wir…“das ist seit meiner Kindheit für mich das Stärkste,
 das Bewegendste,
 das Emotionalste was unser Gesangbuch zu bieten hat.
 Das singe ich oft und als Pfarrer habe ich es oft singen  lassen,
 auch wenn die Leute meinten, Ostern sei vorbei.
 Ich wollte es mal am Buß- und Bettag singen lassen,
 als es den noch gab, aber dann hatte ich nicht genug Mut,
 weil eh schon manche meinten, ihr Pfarrer sei nicht ganz  dicht.
 Dabei müsste man doch nur klären, wie lange Ostern dauert.Ja, wie lange dauert denn nun Ostern?
 Wenn man im Johannes-Evangelium das Ende von Kapitel 20  liest,
 dann meint man, jetzt ist Ostern vorbei,
 jetzt ist sogar das  Johannes-Evangelium  zu Ende.
 (Joh. 20, 28-31 lesen!)
 Wenn mit dem JohEv an dieser Stelle Schluss wäre,
 würde keiner was vermissen,
 so wie nach einem „Mit freundlichen Grüßen, HU“
 auch jeder davon ausgeht, dass der Schreiber alles gesagt  hat.
 Aber mancher Brief geht mit einem PS, einem postscriptum  weiter,wie auch das 21. Kapitel des JohEv uns wie ein PS vorkommt,
 das hatte 1641 schon der gelehrte Hugo Grotius beobachtet.
 Es gab also offenbar jemanden, der meinte,
 dass nach dem formvollendeten Schluss von Kapitel 20
 noch etwas zu sagen wäre, etwas Wichtiges, etwas  Unverzichtbares.
 Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenklich werden,
 ob auch wir das so sehen oder es so sehen lernen wollen.
 Denn 14 Verse aus diesem PS des 21. Kapitels sind der für  heute
 aufgegebene Bibeltext, eine Geschichte, die ich fast so  sehr liebe
 wie das vorhin gesungene und eingangs der Predigt erwähnte
 „Christ ist erstanden, von der Marter alle“
 So, liebe Gemeinde, bevor ich jetzt dieses PS häppchenweise  vorlese,möchte ich Sie an einer Beobachtung teilhaben lassen,
 die viele fleißige und ehrfürchtige Ausleger gemacht haben:
 Unsere Geschichte enthält so viele Ungereimtheiten
 und offene Fragen,
 dass man den Eindruck hat, der Autor wolle sagen:
 Vorsicht, bleibt nicht am Buchstaben kleben;
 Vieles hat übertragene Bedeutung.  Ich sehe das genau so.
 (Joh. 21,1-3 lesen)Was machen Sie, liebe Gemeinde,
 wenn das Leben Sie so richtig gebeutelt hat?
 Wohin gehen Sie, wenn so Vieles nicht verlässlich scheint?
 Die vom schmählichen Tod ihres Lehrers
 zutiefst verunsicherten Schüler Petrus, Johannes und  Kollegen,
 sie suchen vertraute Wege,
 sie suchen die Heimat und den Fischfang, da kennen sie sich  aus.
 Wieder am See Genezareth, 120km Rückmarsch von Jerusalem
 und der Katastrophe dort, sagt Simon zu seinen Kollegen:
 Ich will fischen gehen!
 Das scheinbar lösende Wort. Das ist es, sagen alle - und  machen mit.
 Moment! Moment!ruft der bibelkundige und mitdenkende Predigthörer.
 Ein paar Zwischenfragen, lieber Herr Pfarrer!
 1. Haben die einen Rückmarsch hinter sich, oder einen  Vormarsch?
 Sind die Jünger wie geprügelte Hunde in ihre Heimat  zurückgekehrt
 oder sind sie dort, wo der Auferstandene sie wollte, im  Alltag?
 Und 2.: Sind die immer noch so arg vor-österlich  verunsichert?
 Die haben doch schon vom Auferstandenen gehört, von den  Frauen,
 und sie sind ihm sogar selbst begegnet,
 haben ja gar den zweifelnden Thomas gehört mit seinem  wunderbaren Bekenntnis: Mein Herr und mein Gott!
 Und diese Oster-Jünger sollen gebeutelt und durcheinander  eine
 oberflächliche Sicherheit in Heimat und Fischfang suchen?
 Ja, wie lange dauert Ostern – damit hat’s zu tun.Haben sie Ostern hinter sich – oder stecken sie noch mitten  drin?
 Hat Jesus sie nicht als MENSCHEN-Fischer berufen?
 Eine Berufung – nur auf Zeit?
 Im nächsten Häppchen der PS-Geschichte
 werden Sie, liebe G, erfahren,
 dass der Auferstandene am Strand steht – und sie kennen ihn  nicht.
 Ist das schlimm? Ein erneutes Versagen?
 Die Osterprüfung nicht bestanden?
 „Und sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, doch in  dieser Nacht fingen sie nichts“O gesegneter Misserfolg! Wunderbar-vergebliche Mühe! Süßer  Frust!
 Ein Loblied auf Zeiten, in denen es nicht so läuft, wie  erwartet.
 Jetzt hebt der Pfarrer ab – befürchten nun die ersten.
 Man male sich aus, wie alles anders gelaufen wäre
 bei Erfolg im Vertrauten, bei der Bestätigung im Bekannten.
 In einem wahren Wellness-Bad der geschundenen Seelen
 hätten sie gevespert und gefeiert bis zum Morgengrauen…..
 und wären dem eigenartigen Unbekannten nicht begegnet.
 So geht’s unserer Kirche heute:
 Sie sucht und sie bietet das Wohlgefühl,
 und sie wird immer ärmer, immer träger
 aber dem markanten und verstörenden Fremden begegnet sie  nicht.
 (Joh. 21,4-6 lesen)
 Kinder, habt ihr nichts zu essen?
 Welchen Unterton hatte dieses KINDER des Auferstandenen?
 Herablassend? Distanziert? Liebevoll?  Belustigt? Was denken Sie?
 „Kinder, habt ihr nix zu essen?“
 Das klingt doch, wie wenn ER Hunger hätte,
 wie wenn er sie braucht, wie wenn SIE für ihn sorgen sollen.
 Dabei ist aber überdeutlich, dass sie IHN brauchen,
 in ihrer Verzweiflung seinen Trost, in ihrer Verwirrung  seine Weisung:
 „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden!“
 O nein, er will die Experten, die Fischer, nicht beschämen,
 nein, er kleidet alles in sein entgegenkommendes „Ich habe  Hunger“,
 aber eins ist ihm wichtig: „Leute, achtet auf mein Wort!“
 Hört genau hin! Meint auch nicht, das ist jetzt alles genau wie das letzte  Mal
 als wir Fischen waren.
 Damals war sein anzweifelbares Wort,
 mitten am Tag die  Netze auszuwerfen.
 Heute ertönt dieses paradox anmutende Wort so:
 „Werft das Netz aus zur Rechten“ Also wieder anders,  wieder neu!
 Aber nie vergessen, liebe Gemeinde,
 es geht ums MENSCHEN-Fischen,
 Jesu Wort gilt denen, die er zu Menschenfischern berufen  hat,
 er hat keine Geheimtipps für Berufsfischer oder  Hobbyangler.
 Aber wenn Menschenfischer nicht auf sein Wort hören,
 richtig hinhören,
 dann läuft alles grottenfalsch und es ist tragisch: Keiner  merkt’s“
 Mitten in der Brot-für-die-Welt-Sammlung im Advent,
 mitten in der Zeit, wo die Kirche an die allerärmsten der  Armen denkt,
 ruft eine Gemeinde zu Spenden für Einzelkelche auf.
 Hat man da vorher auf den Herrn und sein Wort gehört?
 (Joh. 21, 7-8)Wie mich das an Maria und Martha erinnert!
 Eins ist Not!  Den  Herrn erkennen, wieder erkennen, anerkennen.
 Es ist der Herr! ist der Ruf des Johannes,
 des Jüngers den Jesus lieb hatte
 Darauf kommt’s an!
 Aber Petrus, der Jünger, den wir lieb haben, weil er  uns so ähnlich ist,
 der wirft sich ins Wasser, als ob man watend schneller am  Ufer ist.
 Was tun ist wichtig, gelt?
 Nachdenklichkeit hat’s wahrhaft schwer heute.
 Natürlich will keiner Handeln und Nachdenken
 gegeneinander ausspielen,
 keiner das ora et labora, das Bete und arbeite auseinander  reißen!
 Aber hat nicht jede Zeit ihre Schlagseite!
 Aktiv sein – immer ein Zeichen von Leben????
 Sardes: „Du hast den Namen, dass du lebst und bist tot“  Offb. 3,1
 (Joh. 21, 9-10)
 Was jetzt? ruft der aufmerksame Hörer,
 Sind Fische bereits da, oder werden welche gebraucht?
 (Lesung v. 9-10 wiederholen)
 Ist auch diese Ungereimtheit Absicht des Erzählers?
 Ist auch darin ein Schatz für Nach-denkliche zu finden?
 Die Szene erinnert an andere im Neuen Testament:
 Jesus ist Gastgeber, er gibt, er teilt, er teilt aus –  Abendmahl!
 Aber Brot UND Fische –
 da kommen doch noch andere Erinnerungen hoch, oder nicht?
 Brot UND Fische, liebe Gemeinde,
 ein wenig Konfirmandenunterricht gefällig?
 Brot und Fische, woher kennen wir das?
 Genau! Von der Speisung der 5000,
 die wunderbare Brot (+Fisch)-Vermehrung.
 Will unser Predigtext uns daran erinnern?
 Und war die Speisung nicht auch am See Genezareth,
 auch See Tiberias genannt?
 Und war es da nicht ähnlich
 wie in unserer heutigen postscriptum-Erzählung:
 Da war ein Grundstock vorhanden, aber es kam viel dazu.
 Wenn ich die folgenden Verse höre, kommen mir Bildervon der Speisung der 5000 vor mein geistiges Auge,
 mehr von der Speisung als vom Abendmahl.
 Und wie geht’s ihnen dabei?
 (Joh. 21, 11-14)
 Ha, wass soll en die ganz Frööcherei, obs an des oder jenes  erinnert?
 Der Johannes hodd halt uffgschriewe, wie’s woor.
 So könnte man denken,
 aber dann würde man eine Tatsache vergessen:
 Die Jesus-Geschichten wurden erst erzählt und wieder  erzählt
 und erst nach vielen Jahren des Erzählens aufgeschrieben.
 Und im Erzählen und Wiedererzählen da wurden sie  angereichert
 mit den Glaubenserfahrungen
 die man mit dem Auferstandenen machte.
 Glaubensbekenntnisse, nicht TonbandprotokolleNach-Denkliches, nicht Papageien-Wiederholung
 das sind die wunderbaren Geschichten von Jesus.
 Dann hoschd em Meischde vun denne Gschichte,
 wenn fröchschd: Was moant denn der, wu des gschwiewe hodd?  Genau!
 Beispiel: Warum sind denn die 153 Fische erwähnt?
 Der alte Kirchenvater Hieronymus lässt uns wissen,
 das Zoologen in jener Zeit 153 Fischarten kannten,
 153=alle, die Fülle.
 Menschenfischer denken und handeln universal;
 wenn sie sich nach dem Wort des Meisters richten,
 gibt es keine Bevorzugten, und auch keine, die man  vergessen kann.
 „Darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker!“
 Zu Jüngern Jesu, zu Lernenden dieses echt guten Meisters,
 wohlgemerkt, nicht zu Sklaven,
 auch nicht als Füllsel für imponierende Statistiken.
 Nicht alle gehen ins Netz, aber von allen.
 Und das Netz reißt nicht, wird extra erwähnt,
 wenn es nach Jesu Art ausgeworfen wird, hält es die  Vielfalt aus.
 Die farbige Vielfalt von Nationen und Konfessionen –  wunderbar.Aus aktuellen Anlass lassen sie mich zum Schluss etwas sagen,
 was ich so nicht geplant und vorbereitet hatte:
 Also, wer mich kennt, weiß, dass ich gerne Protestant bin.
 Ich bin evangelisch, dankbar dafür
 und kenne keine konfessionellen Minderwertigkeitskomplexe.
 Aber wie dankbar war ich in den letzten Jahren,
 und vor allen den letzten Monate für Johannes Paul II:
 Wo unsere evangelischen Bischöfe sich wahrhaft verrenkt  haben
 im Bemühen um Schönheitsoperationen an evang. Kirchen,
 wo sie im Image-Wahn suchten
 unsere Kirche dynamischer erscheinen zu lassen
 da hat Johannes Paul II Altwerden, Leiden und Sterben
 als natürlichen Teil des menschlichen Lebens
 gelebt und bewusst vorgelebt
 und hat Älterwerdende, Leidende und Sterbende wahrhaft  getröstet
 und vielleicht auch manchem
 in unserer Kirche neu die Augen geöffnet
 für das unbedingte JA des Auferstandenen
 über uns irrenden, oft so schwachen und hungrigen Menschen.
 Kinder, habt  ihr  nicht zu essen?
 Nein, Herr, nichts was wahrhaft sättigt!
 Dann speise du uns und was wir haben, wollen wir beitragen.
 Und lass uns dich nicht unter den Toten, den Götzen suchen!
 „Er reißet durch den Tod…“singen wir anschließend.
 SO dauern Ostern an – lebenslang – und danach! Amen.
 
 
  Predigt an Miserikordias Domini 2008Joh. 10, 11-1611 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte  lässt sein Leben für die Schafe. 12 Der Mietling aber, der nicht Hirte  ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die  Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie  –, 13 denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe.  14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich,  15 wie mich mein Vater kennt und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein  Leben für die Schafe.16 Und ich habe noch andere Schafe, die  sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine  Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.
 Liebe Gemeinde,der gute Hirte – ein wohltuendes Bild – noch heute.
 Kinderlieder wie   „Weil ich Jesu Schäflein bin“
 Kindergeschichten „Vom Geißenpeter auf der Alm“
 süßliche Kolossalgemälde in Schlafzimmern.
 Der Psalm von der „rechten Straße“ und vom „finstern Tal“
 Idylle pur – unausrottbar – wohltuende wellness!!!!
 Aber da sind ja auch ganz andere Töne!Musikliebhaber kennen das,
 ob von Ludwig van Beethoven oder Neil Young:
 In eine liebliche, getragene Passage in Klassik oder Rock
 brechen wie Donner, wie aggressive Wirklichkeit
 Töne, Akkorde, die die Harmonie zu zerfetzen scheinen,
 die erschrecken, mit harscher Realität konfrontieren,
 gegen die wir gerne protestieren wollten:
 Mach mir meine Idylle bitte nicht kaputt.
 So geht’s mir mit dem heutigen Predigttext aus Johannes 10.Gerade in dem Moment, wo ich mich den wohltuenden Bildern
 vom Hirten und den Schäflein,
 von Stille und Geborgenheit hingeben möchte,
 da brechen herein die Bilder von Tod, Gewalt und Betrug:
 der Hirte wird umkommen, zweimal wird das gesagt,
 die Schafe können an einen Betrüger, den sog.  Mietling,  geraten,
 blutrünstige Wölfe warten nur auf die unschuldigen Schafe.
 Jesu Worte vom Guten Hirten sind nicht eindeutig und  einhellig Idylle,aber wir überhören gerne alles was Idylle stört, was  beunruhigt.
 Wir sind uns ähnlich in unserer Sehnsucht nach dem  Aufbauenden, dem Schönen, dem Tröstenden, dem Vergewissernden.
 Wir haben schon viele Predigten über den guten Hirten  gehört
 und ich selbst habe schon einige über ihn gepredigt.
 Und die meisten dieser Predigten beschäftigten sich mit
 Vertrauen, mit Hören und Folgen, mit der Miserikordias  Domini.
 Doch von 12 Zeilen des Predigttexts in meiner Bibelsind 6 dem Mietling gewidmet,
 den Predigten meist nur am Rande streifen
 (vv12-13 zitieren)
 Der Mietling! Der Angeheuerte! Der Söldner!
 Ganz nüchtern wird er eingeschätzt: Ihm geht’s ums Geld,
 nicht um die Schafe.
 Wenn’s hart auf hart geht, versagt er.
 Gerade dann, wenn er dringend gebraucht wird,
 erfüllt er nicht die in ihn gesetzten Erwartungen.
 „Er kümmert sich nicht um die Schafe“
 Was können die Wölfe froh sein, dass es solche falschen  Hirten gibt!
 Oder gibt’s den Mietling vielleicht gar nicht?Hat Jesus den bloß erfunden, als miesen Kontrast,
 als dunklen Hintergrund, damit seine Person als Guter Hirte
 um so heller und positiver hervorsticht?
 Wie real ist dieser Verführer? Heute noch?
 Oder sind Jesu Schäflein sooo sicher im Stall,
 dass selbst wenn es den Mietling noch gäbe,
 sie niemals auf ihn hereinfielen?
 Ja, das wünschten wir uns so sehr!Deshalb klammern wir uns oft an unsere Heilsgewissheit.
 Auch auf Kosten der Nachdenklichkeit????
 Gibt’s das, Heilsgewissheit ohne Nachdenklichkeit???
 Mich haben die 6   Zeilen über den Mietling nachdenklich gemacht.Der Mietling ist ja kein primitiver Brutalo.
 Er wirbt doch nicht:
 Kommt her zu mir, dann endet ihr bei den Wölfen.
 Nein! Er verspricht was auch der gute Hirte verspricht:
 Führung, also Richtung;
 Futter, also Zufriedenheit,
 eine Herde, also Zusammengehörigkeit.
 Wie soll ein Schäflein   schon merken,dass es einem Mietling und nicht dem Guten Hirten folgt?
 Der Mietling will ja nichts Böses für seine Schäflein.
 Er führt sie doch nicht bewusst in die Irre.
 Aber in der Krise wird offenbar, warum er im Geschäft ist,
 eben deswegen, wegen des Geschäfts.
 Erst die radikale Krise offenbart ihn als Mietling.
 Dann erst sieht man: Das von ihm versprochene Glück ist  hohl.
 Er sucht nicht mein, sondern sein Wohl.
 Jetzt erst merkt das Schäflein, wem es sein Vertrauen  geschenkt hat.
 Da ist aber noch etwas, das den Mietling so gefährlich  macht:Er wirbt nicht um einzelne Schafe,
 will nicht Einzelne dem Guten Hirten abspenstig machen,
 nein,  er sucht ganze Herden,
 dann kann ein Schäflein dem anderen bestätigen:
 Wir liegen richtig, uns geht es gut.
 Dann gibt’s keine, die in eine andere Richtung gehen,
 das könnte ja nachdenklich machen.
 Mich treibt seit vielen Jahren eine Befürchtung um,die ich sooo gerne los wäre.
 Kann sie mir jemand von Ihnen ausreden, zerstreuen.
 Kann mir jemand mit guten Argumenten und Beobachtungen  sagen:
 Da liegst du falsch, deine Befürchtung hat keine Grundlage.
 Wie wünsche ich mir das!
 Ich fürchte, die Kirchen der westlichen Welt
 folgen geschlossen einem Mietling –
 und merken es nicht.
 Sie werden sagen: Wie bitte? Der hat sie doch nimmer alle!
 Zumindest übertreibt er maßlos – will er provozieren?
 Der Albtraum ist deswegen so grausam für mich,
 weil auch ich mitten drin bin, weil auch ich dem Mietling  folge –
 und ich komme nicht los, ich MUSS ihm folgen, bin ihm  verfallen,
 aber ich falle nicht auf, weil ALLE auf diesem Kurs sind.
 Der Albtraum fing bei mir an, als ich eines Tages las:Auf der Erde sind genug Nahrungsmittel für ALLE,
 sie sind nur nicht richtig, nicht gerecht verteilt.
 Inzwischen weiß ich, dass das stimmt: Es ist genug da –  weltweit.
 Der Schöpfer hat für alle gesorgt, ihm liegen alle am  Herzen.
 ALLE sind seine Geschöpfe, deswegen gab er genug für ALLE.
 Aber Moment, das hieße ja,
 dass der Hungertod von Millionen vermeidbar wäre.
 Das wären ja Millionen Fälle von unterlassener  Hilfeleistung.
 Das wäre ja Verrat am Glauben,
 weil Glaubende die große Güte des Schöpfers
 nicht weiterfließen lassen.
 Wer oder was hindert uns?
 Sie sagen: Ich hab doch selbst nicht viel.So wie Jesu Jünger die fünf Gerstenbrote und die zwei  Fische ansahen
 und scheinbar realistisch feststellten:
 Was ist das für so viele?
 Und Jesus teilte die fünf Gerstenbrote und die zwei Fische
 und erstaunlich viele wurden satt.
 Das könnt ihr auch – wenn ihr teilt,
 Wenn ihr teilt, weichen Hunger, Kälte, Krankheit und Tod.
 wenn ihr teilt, werden viele heil.
 Jesus sagt damit:
 Ihr habt die gleiche Macht wie ich; ihr könnt wahre Wunder  wirken.
 Euch ist viel anvertraut – seid so großzügig wie euer Vater  im Himmel.
 Was ihr für euch hortet, auf Vorrat,
 aus Angst vor der Zukunft, das wird schlecht,
 wie das Manna in der Wüste.
 Alles, was wir aus Angst tun ist kontraproduktiv,
 erreicht genau das Gegenteil von dem eigentlich Gewollten.
 Deswegen:
 Entdeckt Sorglosigkeit und Selbstvergessenheit als Freuden  des Lebens.
 Sammelt euch Schätze im Himmel,
 denn wo euer Schatz ist, da ist euer Herz.
 Das ist die Stimme unseres Herrn, dem guten Hirten.
 Und was hören wir vom Mietling? Was flüstert er uns ein?Du, dein Brillengestell sieht ja ätzend prollig aus!
 Dein Computer ist ja soo was von lahm.
 Wie wär’s mit einem Shopping-Trip, mal sehn was es so gibt.
 Ich hab ja überhaupt nix zum Anziehen.
 Unser Schlafzimmer ist jetzt auch schon 10 Jahre alt, also…
 Du, die Mayers waren letzten Sommer in der Karibik.
 Unsre Hochzeit die wird riesig – 10.000 Euro sind da weg  wie nix.
 Sicher dich ab – die Versicherung solltest du auch  noch abschließen.
 Also mein Rucksack sollte schon von einer Welt-Marke sein.
 Wer will uns das madig machen?
 Der soll sich besser warm anziehen!
 Aber der Gute Hirte muss uns das gar nicht madig machen.Warum? Weil er Besseres zu bieten hat.
 Zweimal sagt er: Ich gebe mein Leben.
 Wozu: Damit die Schafe leben
 Und der Hirte. Er bekommt neues Leben, Osterleben,  Auferstehungsleben!
 Übersetzt heißt das:
 Wer von seinem Leben abgibt, es teilt,
 der ermöglicht Anderen Leben und sein eigenes wird NEU
 Ich habe jetzt mal daran herumgedacht, was das konkret  heißen könnte:
 Jeder/jede sucht sich EINE Einflüsterung des Mietlings
 und sagt NEIN – dies nicht, diesmal nicht, diesmal  Verzicht.
 Zu Einflüsterungen des Mietlings rufen: „ABGELEHNT“Du, dein Brillengestell sieht ja ätzend prollig aus!  Abgelehnt!
 Dein Computer ist ja soo was von lahm. Abgelehnt!
 Wie wär’s mit einem Shopping-Trip, mal sehn was es so gibt.
 Abgelehnt!
 Ich hab ja überhaupt nix zum Anziehen. Abgelehnt!
 Unser Schlafzimmer ist jetzt auch schon 10 Jahre alt, also…  Abgelehnt!
 Du, die Mayers waren letzten Sommer in der Karibik. Abgelehnt!  Abgelehnt!
 Unsre Hochzeit die wird riesig – 10.000 Euro sind da weg  wie nix.
 Abgelehnt!
 Sicher dich ab – die Versicherung solltest du auch  noch abschließen.
 Abgelehnt!
 Der Mietling Konsum sucht nicht DEINE wellness, sondern  seine.
 Dann überschlägst du, was das ABGELEHNT bringt, in harten  Euro.Jetzt studiert man Informationen von Brot für die Welt,
 Ärzte ohne Grenzen o.Ä. – im Internet
 oder über die Kirchengemeinde.
 Und jetzt lassen Sie Ihr Herz sprechen, in aller Freiheit:DA und nirgendwo anders möchte ich teilen,
 DA schlägt mein Herz,
 DA gehen die Euros hin.
 Und jetzt halten Sie sich auf dem Laufenden,
 wie das denn so weitergeht, was besser wird durch Ihr  Teilen.
 Da hat ein Dorf in Uganda oder Somalia endlich Wasser,
 auch in der trockenen Zeit,
 es wurde in der Regenzeit in Zisternen gesammelt.
 Da bekommt in Kolumbien ein zu Unrecht Inhaftierter
 einen Rechtsbeistand.
 Und jetzt das Wichtigste:
 Suchen Sie Gleichgesinnte,
 tauschen Sie sich aus mit solchen,
 die vom Guten Hirten fasziniert sind.
 Auch wenn wir dann noch nicht völlig frei sind
 von den Verführungen des Mietlings,
 so ist doch ein Anfang gemacht:
 Jetzt wird Leben geteilt.
 Yes, we can!
 Amen
 
 
   Kantate 2006Apg. 16, 23-34
23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte,  warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen.  24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste  Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.
 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und  Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber  geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten.  Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab.  27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des  Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten;  denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut:  Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!
 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und  stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er  führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet  werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein  Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in  seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der  Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen  sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch  und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen  war.
 Warum Apg 16 als Text zu Kantate?? (Predigt in 3 kurzen Abschnitten, eingeteilt durch Strophen  aus 279„Jauchzt alle Lande, Gott zu Ehren“
 Nicht über Singen reden, sondern es tun.)
 Gesamtsituationin der Tiefe der Nacht
 Wunderbares Erdbeben
 Philippi, (heute Kavalla), erste christl. Gemeinde auf  europäischem BodenWie kams zu dem Wechsel von der heutigen Türkei nach  Griechenland?
 Paulus der kluge Stratege – gerufen durch einen Traum
 „komm herüber und hilf uns!“
 Träumt, was ihn umtreibt.
 Getrieben, weil Christus für ihn nicht nur nützlich war
 zur Verschönerung der Lebensränder, Taufe, Konfirmation  Beerdigung.
 Für Paulus ist Christus RETTER
 Im Umfeld: Paulus, der Konflikte nicht scheut (Barnabas,Geschäfteverderber, Recht einklagen bei röm. Stadtrichtern)
 Paulus, der keine Mühe scheut, der sich schindet, quält,  fordert
 auf seinen Missionsreisen unter primitivsten Bedingungen.
 2200km auf der 1. Missionsreise, 4400 auf dieser,
 2 weitere Reisen, die letzte endet in Rom – Hinrichtung.
 Warum erzähle ich Ihnen das alles?Damit Sie Paulus nicht als wirklichkeitsfernen Spinner  abtun,
 wenn Sie nachher hören,
 dass er im Gefängnis, in Ketten, in der tiefsten Nacht
 Gott gelobt, gesungen, Kantate gefeiert hat.
 Paulus ist keiner, der wegschaut, keiner, der sich  raushält.
 Keiner, mit dem Kopf in den Wolken.
 Wenn so einer im doppelten Sinn in tiefster Nacht,
 nicht verzeifelt, nicht trübsinnig wird, nicht aufgibt,
 dann könnte das doch auch für uns möglich sein
 in unseren Nächten von Schmerzen und Enttäuschungen.
 (Wir singen jetzt die Strophen 4 und 5 von EKG 279)
 In der Tiefe der Nacht(Textverlesung)
 Geschlagen mit Peitschen, bestückt mit Knochensplittern und  Metallteilen,
 rasende Schmerzen, gedemütigt, in Ketten,
 im innersten Gefängnis,
 in tiefster Nacht.
 Aber Paulus und Silas loben Gott.
 „Wir haben die Gewebeproben überprüft. Leider müssen wir  Ihnen mitteilen, dass der Tumor bösartig ist“In tiefster Nacht!
 „Wir haben Ihren Sohn aufgegriffen mit 5 Gramm Heroin. Wir  vermuten, dass er auch gedealt hat.“
 In tiefster Nacht!
 „Ich hab alles, was ich brauche,  ein Dach überm Kopf, zu essen, Arbeit. Aber  wozu bin ich da?“
 In tiefster Nacht!
 „Mein Mann ist mir so fremd geworden. Keine Ahnung, was ich  je an ihm geliebt habe. Dieses eiskalte Nebeneinanderherleben.“
 In tiefster Nacht!
 „Ohne Arbeit komme ich mir so nutzlos vor. Ich bin über 50;  da habe ich doch keine Chance mehr“
 In tiefster Nacht!
 „Schon zwei Jahre ist mein Mann jetzt tot. Er fehlt mir  so.  Wir hatten uns die Zeit im Ruhestand  so schön vorgestellt.“
 In tiefster Nacht!
 Indische Christen sagen:„Der Glaube ist der Vogel, welcher singt,
 wenn die Nacht noch dunkel ist.
 (Wir singen jetzt vom Lied 279 die Strophen 6-8)
 . Das wunderbare Erdbeben„Der Glaube ist der Vogel, welcher singt,
 wenn die Nacht noch dunkel ist.“
 (Amsel heute um ¾ 5Uhr)
 Paulus und Silas loben Gott – mitten in der Nacht,
 mitten in der Bedrohung, im innersten Gefängnis
 singen, wenn es noch dunkel ist.
 Und da bricht eine ganze Flut von wunderbaren,
 bewegenden und froh machenden Geschehnissen los:
 Gefangene kommen frei und Verzweifelte fangen neu an.
 Der Aufseher ahnt, dass auch er frei kommen kann,
 paradoxerweise durch die Gefangenen und ihren „Vogel“.
 Gerade noch wollte er seinem Leben ein Ende setzen –
 und jetzt fängt er neu an, er und seine Familie: Bekehrung  .
 Ein Erdbeben, aber ein wunderbares-
 wunderbar für alle Beteiligten: Befreiung und Bekehrung,
 Jetzt habe ich noch zwei Fragen, auf die ich gerne eine  Antwort hätte:Können Sie sich vorstellen, dass sich in dieser Nacht
 außer dem Aufseher und seiner Familie
 noch andere bekehrt haben?
 Und:
 Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem
 Lied in der Nacht
 und dem folgenden wunderbaren Erdbeben von Befreiung und  Bekehrung?
 (Verse 25 und 26 nochmals lesen)
 Zu 1: Kann mir vorstellen, dass Paulus und Silas sich ihrem  Herrn Jesus Christus ganz neu zugewandt haben, vor lauter Freude und  Dankbarkeit,vor lauter Mitfreude mit dem Aufseher und seiner Familie.
 Bekehrung, eine wunderbare Sache, jeden Tag!?
 Zu 2: Lukas scheint es so zu sehenWahrscheinlich war er sogar dabei
 (Wechsel von „sie“ zu „wir“ kurz zuvor v.9)
 Lieder in der Nacht - Wunderbare Erschütterungen
 Dietrich Bonhoeffer, dieses Jahr 100. Geb.-Jubiläum,wie kaum ein anderer dem Paulus seelenverwandt
 hat seine Erfahrung mit Liedern in der Nacht und
 wunderbaren Erschütterungen in seinem Credo  zusammengefasst:
 Ich  glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
 Gutes entstehen lassen kann und will.
 Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
 Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage
 Soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.
 Aber ergibt sie nicht im Voraus,
 damit wir uns nicht auf uns selbst,
 sondern allein auf ihn verlassen.
 In solchem Glauben müsste alle Angst
 Vor der Zukunft überwunden sein.
 Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
 sondern dass er auf aufrichtige Gebete
 und verantwortliche Taten wartet und antwortet. AMEN
 
 
   Predigt an Kantate 2009Matthäus 11, (25)28-30
28 Kommt her zu mir, alle, die ihr  mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. 29 Nehmt auf euch mein  Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so  werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. 30 Denn mein Joch ist sanft, und  meine Last ist leicht.
 Liebe Gemeinde,Hören Sie Christi einladende und wohltuende Worte:
 (Mt.11,28-30 verlesen –
 Betonungen auf „mein“ und „so“)
 Wenn immer ich diesen „Heilandsruf Jesu“ höre oder lese,
 fühle ich mich angesprochen, ich öffne mich
 und es durchströmt mich Ruhe und Geborgenheit.
 Ich fühle mich aufgenommen, angenommen, verstanden.
 Und das ist bei einem Typ wie mir schon seltsam.
 Normalerweise wittere ich zunächst bei allen werbenden  Einladungen
 Vereinnahmung, Übervorteilung, Manipulation.
 Und wenn ich sonst von jemanden höre:
 „Kommet her zu mir zu mir alle“
 stört mich zuerst das „alle“,
 wo wir doch alle sooo verschieden sind
 und warum soll ich grad zu dem kommen.
 Weil er ein übergroßes Ego hat oder mich ausnutzen will?
 Aber spricht Christus solche großen Worte ist  alles anders.Ich kann sie nicht genug hören.
 Allerdings muss ich jetzt aufpassen, sonst wird’s verlogen.
 Denn es gibt Zeiten wo ich zwar auch „mühselig und beladen“  bin,
 fertig, müde, ausgelaugt, belastet
 aber ich suche nicht Christi Worte, lese nicht im Evangelium,
 sondern höre auf Rattenfänger und deren esoterisches  Gelabere.
 Oder ich versuche Lasten abzuschütteln um beinahe jeden  Preis
 oder suche neue Kraft
 in allen Arten von Ablenkungen und nutzlosem  Schnick-Schnack.
 Aber regelmäßig werde ich enttäuscht und bin dann müder als  zuvor.
 Ich suche Entlastungen, die sich als sinnlose Belastungen  entpuppen.
 Und manchmal suche ich auch Verständnis für meine Lasten.
 Aber das geht oft schief,
 weil den Andern seine Lasten eben doch stärker  drücken.
 Doch solche Enttäuschungen haben tatsächlich ihr  Gutes:
 Sie markieren das Ende einer Täuschung
 und ich höre wieder auf den, der keinen enttäuscht:
 (vv.28-30 verlesen)
 Lasst uns nun in der Stille vor Christus bringen,was und belastet und was uns müde macht:
 (Stilles Gebet)
 Herr Jesus Christus, DANKE, dass du uns hörst und erhörst.  Amen
 Sie hören das Amen und denken: Das war mal eine kurze  Predigt!Kantate („Meine Hoffnung und meine Freude“ aus Taize  singen)
 Wenn Christus die Beladenen einlädt, müsste man doch  erwarten,dass er anbietet, Lasten abzunehmen,
 Aber nein!
 Nirgendwo in seinem Heilandsruf spricht er von Entlastung.
 Paradoxerweise entlastet er durch eine neue, aber leichte  Last.
 Die, die vorher eingespannt waren unter einem harten Joch,
 spannt er wieder ein, unter sein sanftes Joch.
 Sanftes Joch! Leichte Last!Das Eigenschaftswort steht jedes Mal
 in paradoxer Spannung zum Hauptwort.
 Sanftes Joch! Leichte Last! Das klingt doch wie „Weißer  Neger“
 Und genauso paradox ist, dass er entlastet durch neue Last.
 Und worin besteht seine neue, leichte Last?
 Was ist sein neues, sanftes Joch?
 Es ist die Nachfolge, der Weg ihm nach,
 von ihm lernen, entdecken, dass sein Weg der Hingabe
 auch der unsere werden kann.
 „Wer  das Leben gewinnen will, der wird es verlieren.
 Wer  aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ Mt.10,39
 („Meine Hoffnung und meine Freude“ aus Taize singen)Was bietet er denen, die zu ihm kommen,
 außer dass er sie in die Lehre nimmt und einspannt?
 Zweimal wird verheißen,
 dass alle die Christi Ruf folgen, zur Ruhe kommen
 (Schon das „erquicken“ in v. 28 heißt buchstäblich „Ruhe  verschaffen“)
 „So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“
 Aber Jesus wäre nicht Jesus, wenn nicht auch seine „Ruhe“wie seine Last und wie sein Joch, eine Spannung zeigte.
 Er kann damit wohl keinen idyllischen Ruhezustand meinen;
 sein eigenes Schicksal weist in eine andere Richtung,
 auch das vieler seiner Nachfolger.
 Unterwegs durch die Wüste wird Israel die Ruhe im Gelobten Land verheißen.
 Noch unterwegs, noch müde werdend, noch irrend
 wirft doch schon die versprochene Ruhe
 ihre wohltuenden Schatten voraus.
 Vorwegnahme, Vorwegfeier dieser Ruhe ist der Sabbat.
 So ist auch die von Jesus versprochene Ruhe kein  Psychotrick,sondern mitten in der Wüste das gelassene Vertrauen:
 Auf dem Weg der Hingabe,
 eingespannt vom auferstandenen Christus,
 befreit vom Um-sich-selber-drehen
 werden wir Ruhe finden für unsere Seelen – schon jetzt.
 ER wird’s tun!
 Meine Übertragung, nicht Übersetzung von Mt. 11,28-30:„Christus spricht:
 Ihr müde gewordenen und ihr schwer Tragenden!
 Kommt alle zu mir – bei mir kommt ihr zur Ruhe!
 Lernt von mir und zieht mit mir an einem Strang,
 dann werdet ihr für eure Seele Ruhe finden.
 Denn ich bin gütig, ich protze nicht
 und mein Dienst ist wohltuend und meine Last ist leicht.“
 Amen
 
 
   Rogate 2003Lukas 11,5-135 Und  er sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um  Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6 denn  mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm  vorsetzen kann, 7 und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir  keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen  schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8 Ich sage  euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund  ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm  geben, so viel er bedarf.9 Und  ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden;  klopfet an, so wird euch aufgetan. 10 Denn wer da bittet, der empfängt;  und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
 11 Wo  ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet,  eine Schlange für den Fisch biete? 12 Oder der ihm, wenn er um ein Ei  bittet, einen Skorpion dafür biete? 13 Wenn nun ihr, die ihr böse seid,  euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel  den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!
   Liebe  Gemeinde,da bricht heute Morgen in unsere so fest  gefügte Welt
 das  Wort vom beweglichen und bewegenden Gott.
 Unserem  apathischen Schweigen wird ein Bittet gegenübergestellt -
 Das  resignierte Akzeptieren des status quo
 stößt  auf ein ermutigendes Suchet -
 und  der Blick auf scheinbare Mauern wird so erneuert,
 darin  Türen zu sehen, an denen das Klopfet einen Sinn hat.
 Und  nun fragt sich‘s, ob  sich auf dieses Wort unseres Herrn hin
 bei  uns noch etwas regt,
 etwas  von der Sehnsucht,
 dass  an dem zuversichtlichen Bitten, Suchen und Klopfen
 etwas  dran sein möge,
 ODER  ob wir den Löffel schon weggeschmissen haben,
 ob  uns das Schweigen, das Hockenbleiben
 und  das auf Mauern starren
 bereits  zu hingenomnenen Wesensmerkmalen
 unserer  selbst geworden sind.
 Ohne  Ausnahme kennen wir Mauern in unserem Leben,die  unsere Beweglichkeit hindern,
 die  Sicht hindern, Zugänge verbauen.
 Aber  wollen wir das auf immer und ewig hinnehmen?
 Vielleicht  kann uns Christi Wort gerade noch rechtzeitig ermutigen,
 damit  der Löffel nicht weggeschmissen wird,
 damit  die Mauer wenigstens zur verschlossenen Tür wird,
 verschlossen  —ja-, aber eben Tür, eine Öffnung also,
 die  momentan NOCH geschlossen ist.
 Vielleicht  kann das Wort Christi es heute hier bei uns
 und  in uns schaffen,
 dass  das recht deprimierende Wort von Hans-Herrmann Kesten
 über  das typische Menschenleben Lügen gestraft wird:
 „Schreiend  werden wir geboren. Schreiend, vielleicht, sterben wir. In der Zwischenzeit:  Ruhe bitte!“
 Christus  ruft uns zu: Nur das nicht! Schreit! Klopft! Rumort!
 Treibt  was um! Seid beweglich vor Gott und er wird etwas bewegen!
 Werft  den Löffel, werft das Vertrauen nicht weg!
 Ruhe  mag die erste Bürgerpflicht sein,
 die  erste Christenpflicht ist sie nie und nimmer.
 Mache  mir keine Unruhe!So  beschreibt Jesus die erste Reaktion dessen,
 der  um Mitternacht von seinem Freund aus den Federn gerissen wird. Unverhofft ist  ein Gast gekommen - und es ist  nichts mehr im Hause, womit man die orientalische Gastfreundschaft
 zu  einem schmackhaften Erlebnis machen könnte.
 Not-wendig  wäre die Hilfe eines Freundes in der Nachbarschaft.
 Wozu  sind Freunde da?
 Voller  Hoffnung bricht der Besuchte
 zu  einem nächtlichen, not—wendigen Freundesbesuch auf,
 bewegt  sich weg von der schnuggeligen Atmosphäre
 des  eigenen Heims,
 rumort,  poltert, klopft, erklärt, argumentiert, bittet.
 Und?  Und er macht DIE Erfahrung,
 die  millionenfach und zentnerschwer über vielen Menschen lastet:
 Mache  mir keine Unruhe!
 Mache  mir keine Unruhe! Das  Baby hat Hunger oder die Windeln voll.
 Es  schreit. Nicht immer zur gelegenen Zeit.
 Manchmal  bekommt es das zu spüren,
 zuweilen  nur durch einen Blick, der sagt: mach mir keine Unruhe!
 Später,  das Kind, das den todmüden Vater
 zum  Spielen bewegen möchte.
 Der  Jugendliche,
 ausgefallene  Frisur und Kleidung, noch ausgefallenere Meinungen,
 sie  alle wollen sagen: Das bin ich, unverwechselbar ich,
 setzt  euch mit mir auseinander.
 Aber  immer: Mache mir keine Unruhe!
 Ein  kleineres Wunder ist es, wenn  ein Erwachsener schließlich noch immer den Mumm hat,
 zu  suchen , zu bitten und zu  klopfen,
 nach  so vielen Mahnungen zur Ruhe,
 nach  all den Erfahrungen,
 dass  dem Klopfenden auf die Finger geklopft wird,
 dass  dem Suchenden der Weg versperrt wird,
 dass  der Bittende um Ruhe gebeten wird.
 Liegt  es daran, dass viele Kinder noch beten,
 während  die meisten so genannten Großen es gesteckt haben??
 Das  Kind betet, der Mann will!So  hat ein Großer der Geistesgeschichte
 seine  religiöse Philosophie erklärt.
 Das  klingt so markig, so stark und so maskulin, so ungebrochen.
 Aber  ist es das auch?
 Könnte  es auch ein wunderschön verbrämtes Eingeständnis einer unendlich tief liegenden  und tief greifenden Entmutigung sein?
 Bitten  und Beten,
 den  Menschen oder Gott in den Ohren liegen,
 das  bringt doch nichts, das bewegt doch nichts.
 Also  verlass‘ ich mich nur auf mich.
 Also  beschäftige ich mich nur mit mir, oder mit solchen,
 die  ich manipulieren kann zu meinem Vorteil
 oder  solchen, denen ich befehlen kann,
 also  solchen, die schwächer sind als ich oder dümmer.
 Und  heraus kommt der autistische Pascha,
 der  in sich selbst verkrümmte,
 auf  sich selbst gestellte einsame Mensch,
 der  keine Autoritäten anerkennen kann,
 dem  selbst Partner unheimlich sind,
 weil  ja gerade auch in der Partnerschaft
 Bitten  und Suchen unbedingt dazugehören.
 Das  Kind betet, der Mann will.
 Wie  fragwürdig!
 Aber  was WILL er denn, der durch das vieltausenfache,,Mache  mir keine Unruhe“ entmutigte Mensch?
 Er  will was im Bereich seiner eigenen Möglichkeiten liegt,
 was  ihm machbar erscheint.
 Er  nennt das eingeschränkte Blickfeld SEINER Möglichkeiten Realität.  Darüber hinaus gibt es für ihn nichts.
 Zwei  seiner Ängste sind besonders ausgeprägt:
 Er  will unter keinen Umständen einen Fehler machen
 UND  er will nie und nimmer abhängig sein.
 Beide  Erfahrungen bleiben ihm weitgehend erspart,
 wenn  er nichts mehr wagt und wenn er sich auf das beschränkt,
 was  in seinen Augen ohne fremde Hilfe
 -  denn die bildet ja immer einen Unsicherheitsfaktor –
 beinahe  narrensicher zu erreichen ist.
 Und  so ist alles fest gefügt in seinem Weltbild.
 Er  weiß: Das geht und jenes nicht –
 Und  daher geht so wenig.
 Er  weiß: Das bringt etwas und das nichts.
 Und  er hat immer Recht, denn er wagt nie mehr das Neue,
 das  sein Blickfeld erweitern,
 seine  entmutigenden Erfahrungen aufbrechen könnte.
 Er  ist wie der Frosch, der in einem Milchkübel fällt.Absolut  realistisch schätzt er die eigenen Kräfte ein,
 sie  sind unzureichend, um lange genug weiter zu strampeln.
 So  hört er damit auf - und ersäuft.
 Der  berühmte Löffel ist weggeschmissen.
 Ein  zweiter Frosch aber, den das gleiche Schicksal ereilt hat,
 verengt  sein Blickfeld nicht auf die ihm sattsam bekannte Realität.
 Nein,  er bleibt offen
 für  eine ihm nur in der Ahnung bekannte Wirklichkeit.
 und  diese geahnte Wirklichkeit wirkt wirklich!
 Nach  Stunden des Strampelns sitzt er auf einem Butterberg.
 Verzeihen  Sie mir bitte, liebe Gemeinde, wenn  Ihnen dieser Vergleich am Sonntag Rogate zu platt,
 zu primitiv erscheinen sollte.
 Vergessen  Sie, wenn Sie können und wollen,
 den  abgesoffenen Realo-Frosch und den immer noch grünen Fundi!
 Aber  denken Sie an die tödliche Konsequenz
 einer  gewissen, so genannten realistischen Einstellung –
 oder  sollte ich sagen Einengung –
 und  an die geahnte Wirklichkeit mit ihren ungeahnten Wirkungen.
 Jesus  nennt diese geahnte, geheimnisvolle Wirklichkeit mit ihren ungeahnten  Wirkungen  -- Gott.Gott macht den Unterschied,
 ob  einer realitätsbenebelt ohne Ihn absäuft,
 oder  ob er mit Ihm
 wahrhaft bewusstseinserweiternde Erfahrungen  macht,
 und  das ohne Drogen.
 Sich  Seiner Wirklichkeit öffnen,
 das  ist etwas vom aktivsten und aktivierendsten überhaupt.
 Und  dasselbe gilt für das Gebet,
 wie  es uns Jesus in diesen Versen im Lukasevangelium schildert:
 Es  ist aktiv, klopfen, suchen, bitten.
 Es  ist Bewegung, die etwas bewegt.
 Von  wegen, mache mir keine Unruhe!
 Von  wegen, das ist nur was für die Stillen im Lande .
 Von  wegen, Beten sei ein mittelmäßiger Ersatz für das Handeln.
 Das  Beten ist selbst freies
 und  befreites, mutiges Handeln und Strampeln,
 und  es befreit zum Handeln und Strampeln -  für sich und andere!
 Der  dänische Denker Kierkegaard schreibt in einer Tagebuchnotiz:Damit  das Recht der Erkenntnis seine Gültigkeit habe,
 muss  man sich ins Leben hinauswagen,
 hinaus  aufs Meer, und muss seinen Schrei erheben,
 ob  Gott ihn nicht hören wolle.
 Nicht  am Strand stehen bleiben
 und  die andern kämpfen und streiten sehen –
 erst  dann bekommt die Erkenntnis ihre wahre Beglaubigung,
 und  es ist in Wahrheit etwas ganz anderes,
 auf  einem Bein zu stehen und Gottes Dasein zu beweisen,
 oder  ihm auf seinen Knien zu danken.
 DA  wächst plötzlich die Erkenntnis,dass  meine Realität und Gottes Wirklichkeit
 eben  nicht deckungsgleich sind.
 Meine  Realität ist, dass es mir manchmal schwer fällt,
 auf  fremde Menschen zuzugehen.
 Doch  in und unter Gottes Wirklichkeit kann ich mich zuweilen hinauswagen in ein  fremdes Haus,
 das  so unsicher und feindlich scheinen mag
 wie  ein aufgewühltes Meer.
 Und  erst im Zusammenspiel des Bittens im Kämmerlein
 und  des Klopfens an zunächst fremden Türen,
 im  Konzert von ora et labora, von bete und arbeite,
 wächst  die Gotteserkenntnis,
 Da  fördert das Wagen das Beten,
 und  das Beten stärkt und erweitert das Wagen.
 Meine  Realität ist eingeengt durch ein tausendfaches,,Mach  mir keine Unruhe! –
 Gottes  Wirklichkeit aber öffnet sich mir durch Christi einzigartiges „Macht Gott ruhig  Unruhe!‘
 Der  wartet buchstäblich darauf gestört zu werden.
 Und  wenn ihr nicht in Worten bitten könnt,
 weil  es euch die Sprache verschlagen hat, dann klopft.
 Und  wenn ihr nicht wohlgeformte, liturgisch wertvolle Gebete formulieren könnt,  dann seufzt, jammert, fragt und klagt.
 Und  wer unter uns hätte keinen Grund zu fragen und zu klagen?Da  sind die Puzzleteilchen der Weltgeschichte
 und  unseres persönlichen Lebens,
 die  einfach nirgends in das Bild vorn wohlwollenden Vater  im Himmel hineinpassen wollen!
 Da  ist das schreckliche ABC der Geschichte und der Schicksale,
 von  Auschwitz und Arbeitslosigkeit bis Zentralamerika und Zerwürfnisse in der Ehe.
 Scheint’s  nicht manchmal wirklich so,
 als  ob Gott Schlangen und Skorpione statt Fische und Eier austeilen würde?
 Aufgeben?  Das Puzzle des Glaubens zusammenwerfen?Das  ABC der Schrecken verdrängen?
 Oder  klagend und fragend vor Gott weiterstrampeln
 und  endlich vielleicht die Erfahrung
 einer  Querschnittsgelähmten zu machen,
 die  nach vielen Jahren des Fragens und Klagens dankbar ausrief:
 Ich  bat um Füße und er gab mir Flügel!!?
 Wie  Gottes konkrete Gaben und Antworten auch immer aussehen,eins  ist uns verlässlich versprochen,
 und  das ist kein bloßer Trostpreis, sondern der eigentlich Hauptpreis:
 Nicht  nur GABEN werden uns zuteil, sondern der GEBER selbst.
 Allen,  die bitten, klopfen, suchen, rumoren, klagen, wettern,
 gibt  er seinen Geist, den langen Atem, den frischen Wind, sich selbst, damit wir an  SEINER geahntenWirklichkeit
 mit  ihren ungeahnten Wirkungen festhalten.
 Und  da verändert sich unser Ausblick,
 und  so verändern wir uns selbst
 und  veränderte Beter verändern unsere so fest gefügt scheinende Welt - auf Gottes Welt hin. Dein Reich  komme!
 Amen!
 
 
                                                                         Himmelfahrt 1978    Kol. 3, 1-4  1 Seid  ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist,  sitzend zur Rechten Gottes. 2 Trachtet nach dem, was droben ist, nicht  nach dem, was auf Erden ist. 3 Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist  verborgen mit Christus in Gott. 4 Wenn aber Christus, euer Leben, sich  offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit. Liebe  Gemeinde,suchet  was droben ist,
 so  heißt es im heutigen Predigttext gleich zweimal.
 Auch  im Predigttext des letzten Sonntags war vom Suchen die Rede. Da hieß es allerdings:  Suchet der Stadt Bestes.
 Unsere  Städte sind aber zweifellos unten.
 So  richtete sich das Suchen,
 das  am vergangenen Sonntag angesprochen wurde,
 auf  ganz konkrete Dinge.
 Diese  Art von Suchen konnte sich auf ganz handfeste Weise zeigen,
 z. B. im politischen und sozialen Handeln.
 Viele  moderne Predigten gehen in diese   Richtung
 und  sind mehr oder weniger Appelle,
 sich  für ein lebenswerteres Leben
 in  lebensermöglichenden Umständen einzusetzen.
 Aber  wodurch bekommt der von Natur aus
 sich  selbstsuchende Mensch den Willen und die Kraft,
 das  auch zu tun?
 Wodurch  wird er willens, Zeit und Kräfte zu opfern für Anliegen,
 die  ihm keinen Vorteil bringen,
 die  seine finanzielle Lage nicht verbessern,
 die  ihm keinen Ruhm einbringen?
 Was  ist der Antrieb, um selbstlos für andere da sein zu wollen?
 Lassen  Sie mich konkret werden: Woher  nehmen Personen,
 die  in Beruf und Familie voll ausgelastet sind,
 den  Willen und die Kraft,
 sich  um Menschen im Altersheim zu kümmern? Oder Geburtstagsbesuche zu machen oder  Kirchengemeinderat zu sein, oder Kindergottesdienst zu halten,
 oder  Jugend- und Jungscharkreise zu leiten?
 Das  alles bringt nach landläufigen Maßstäben absolut nichts:
 keinen  Ruhm, kein Geld, nichts.
 Woher  nehmen Menschen den Willen und die Kraft,
 einem  miesen und fiesen Kollegen immer wieder zu vergeben,
 ihn immer wieder neu zu akzeptieren?
 Oder  lieblosen Ehepartner nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten? Auch das ist  doch nach den Gesetzen dieser Welt unlogisch,
 denn  hier zählt die Ellbogengewalt und das:
 Wie  du mir, so ich dir.
 Wodurch  kommt Bewegung
 in  des Menschen zähen und stumpfen Egoismus?
 Wodurch  bekommt diese Bewegung eine Richtung,
 die  nicht auf sich selbst, sondern auf andere zielt?
 Nun,  von einer Bewegung,
 von  einer Bewegung mit einer bestimmten Richtung
 spricht  unser heutiger Predigttext.
 (Verlesung Kol. 3,  1-4 (Gute Nachricht)Hier  wird also von einer Bewegung gesprochen, die  durch Jesus Christus eingeleitet wurde.
 Er  ist nicht in der Bewegungslosigkeit des Grabes geblieben,
 sondern  er ist auferstanden und sein Platz ist jetzt oben,
 zur  Rechten Gottes, des Vaters.
 Das  feiern wir an Himmelfahrt.
 Aber  wie ist dieses Geschehen zu verstehen?
 Ein  Spötter meinte einmal, Himmelfahrt bedeute,
 dass  Christus der erste Weltraumfahrer gewesen sei.
 Vielleicht  haben ihm die Christen selbst
 Material für diesen Spott geliefert,
 weil  sehr wenige verstehen, was Himmelfahrt Christi bedeutet.
 Was  hat das Wort oben in diesem Zusammenhang zu bedeuten?
 Es  darf nie als eine rein räumliche Aussage verstanden werden.
 Unser  Sprachgebrauch benutzt Begriffe wie oben, unten,
 hinten  und vorne oft nicht im buchstäblichen,
 sondern  im übertragenen Sinn.
 Oben  wird oft gebraucht, um ein Herrschaftsverhältnis anzudeuten. Wenn wir über einen  Erlass, über ein Gesetz sagen:
 Das  kommt von oben! dann meinen wir,
 dass  die Regelung von Menschen oder von Institutionen kommt,
 die  ein Amt ausüben, die eine gewisse Macht haben.
 Oben  ist dann überhaupt keine Aussage
 über  eine räumlich höhere Stellung.
 Das wird deutlich an folgendem Beispiel:
 Vor  Jahren arbeitete ich einmal auf einer Behörde.
 Das  Zimmer des Chefs war im Erdgeschoß, die meisten Bediensteten aber arbeiteten im  ersten und zweiten Stock.
 Wenn  nun der Chef von uns etwas Bestimmtes verlangte,
 dann  sagten wir im üblichen Sprachgebrauch:
 Das  kommt von oben!
 Obgleich  der Chef ein oder zwei Etagen tiefer saß!
 Das  macht deutlich:
 Oben  bezeichnet oft ein Herrschaftsverhältnis.
 So ist es auch im Neuen Testament gemeint.
 Dass Christus oben ist bedeutet also, dass  Christus herrscht.
 Das feiern wir an Himmelfahrt: Die Herrschaft  Christi.
 Nun  sind aber die meisten Menschen unserer Zeit
 allergisch  gegen den Begriff Herrschaft.
 Zu  oft haben wir Herrschaft als Willkür und Ausbeutung erfahren.
 Zu oft mussten Menschen sich der Herrschaft
 von  anderen Menschen beugen,
 von  solchen, für die Herrschaft ein sadistisches Vergnügen war.
 Wir  kennen das aus Politik und Beruf,
 vielleicht  kennt es mancher sogar aus der Ehe.
 So  hat das Wort Herrschaft einen unguten Klang bekommen.
 Aber  im Zusammenhang mit Jesus Christus
 nimmt  dieser Begriff eine andere Färbung an.
 Wenn  wir wissen wollen, was Herrschaft Jesu Christi bedeutet, dann  müssen wir sein Leben hier auf der Erde betrachten,
 denn  so wie er damals gehandelt und geredet hat,
 so  übt er heute seine Herrschaft aus, so versteht er seine Herrschaft.
 Er  heilte und ermutigte zu neuem Leben.
 Er  akzeptierte ohne vorherige Bedingungen.
 Er  wusch seinen Jüngern die Füße.
 Er betete für seine Mörder:
 Herr,  vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
 Darin  wird die Art der Herrschaft Christi überdeutlich.
 Seine  Herrschaft war und ist Dienst am Menschen,
 seine Herrschaft war und ist kein  versklavendes Joch,
 sondern  eine Herrschaft zur Befreiung.
 Sie  ist getragen von reiner, echter, selbstloser Liebe.
 Auf  die eingangs gestellten Fragen,
 woher  der Wille  und die Kraft komme,
 zu  einem Handeln, das ganz anders ist, als das typische,
 von  Selbstsucht gekennzeichnete, heißt dann die Antwort:
 Das  hat mit der Herrschaft Christi zu tun!
 Da  bricht etwas von der Herrschaft des guten Geistes Christi durch.
  Liebe Gemeinde, in der Herrschaft Christi  liegt die einzige Chance, für eine Heilung der unguten Zustände in dieser Welt, in  unserem Land, in unserer Gemeinde, in unserem Leben.
 Hier  ist wirklich die einzige Chance.
 Aber die Reihenfolge der Heilung ist nicht wie  eben angedeutet: Welt, Land, Gemeinde, Mensch, sondern umgekehrt.
 Es  fängt beim Menschen an.
 Das  spricht gegen die Utopisten,
 die auf  eine Veränderung der Umstände hinarbeiten,
 und meinen, dann würde auch der Mensch besser.
 Solche  Träumereien sind immer zum Scheitern verurteilt.
 Umgekehrt geht es: Im Menschen muss Neues  werden,
 dann  hat das auch auf die Umwelt
 und  die Umstände seine Auswirkungen.
 Deshalb  ergeht die Aufforderung an uns:
 Trachtet  nach dem was droben ist!
 Nach  den vorherigen Erklärungen bedeutet das:
 Trachtet  nach der Herrschaft Christi! Suchet die Herrschaft Christi! Öffnet euch der  Herrschaft Christi,
 dann  wird’s in eurem Leben zusehends anders werden.
 Jesus  Christus selbst lockt uns, macht uns Mut, ihm nachzufolgen,
 so  zu handeln wie er.
 Seine  Herrschaft geschieht also nicht mit der Peitsche,
 nicht mit Parolen, nicht mit pausenlosen  Appellen.
 Er  lockt! Er macht Mut zum ersten Schritt in die Richtung,
 in  die er selbst gegangen ist.
 Darf  ich Christus mit dem Vater vergleichen,
 der  seinem kleinen Töchterlein das Laufen beibringen will.
 Er  nimmt die Kleine erst einmal tagelang,
 wochenlang  in großer Geduld an der Hand
 und  läuft mit ihr in der Wohnung herum.
 Wenn  dann schließlich der erste eigene Schritt geschehen soll,
 so  entfernt sich der Vater nicht meterweit von dem Kind,
 sondern  streckt ihr nur einige Zentimeter weit entfernt
 seine  Hände entgegen.
 Das  Kind wagt den ersten Schritt, taumelt,
 wird  aber vom Vater aufgefangen.
 Er  weist nicht zurecht,
 sondern  versucht es noch einmal und noch einmal,
 bis  der erste Schritt gelingt.
 Schließlich  wird Tag für Tag die Entfernung vergrößert
 und  das Kind kann laufen.
 So  ist es mit Christus. Er  ist nicht ein ferner Gott mit Forderungen,
 die  über unser gegenwärtiges Vermögen gehen.
 Er ist jedem von uns gerade ein Stückchen  voraus.
 So  nahe, dass wir nicht den Mut
 zum  ersten Schritt in die neue Richtung verlieren.
 Doch auch so fern, dass der selbstständige  Schritt notwendig wird.
 Er  fordert vom Jähzornigen nicht,
 von  einem auf den andern Tag ein braves stilles Lämmlein zu werden, sondern er  freut sich,
 wenn  der nächste Wutausbruch etwas gelinder wird.
 Er  fordert nicht, dass auf einen Tag all unsere Ich-Sucht verschwindet, sondern er  freut sich riesig,
 wenn er hie und da den ungeschickten Versuch
 einer  guten Tat für einen Mitmenschen wahrnimmt.
 Er  fordert nicht formvollendete Gebete,
 sondern  freut sich zunächst auch über einen Stoßseufzer
 oder  über ein kurzes Wort des Dankes.
 Man  könnte mit Beispielen so fortfahren,
 aber  das lässt die Zeit nicht zu.
 So  viel ist sicher,
 Himmelfahrt  bedeutet nicht,
 dass  Christus uns Lichtjahre weit entfernt sei,
 sondern  dass er uns ein Stück weit
 in  die richtige Richtung vorausgegangen ist.
 Er  ist noch so nah, dass wir den Mut zur Nachfolge nicht verlieren, doch er ist so  fern, dass unsere eigenen Schritte notwendig werden, Schritte in die richtige  Richtung.
 So  bedeutet Herrschaft Christi ein Locken,
 ein  Mutmachen zu kleinen Schritten in die Richtung,
 die wir in seinem eigenen Leben feststellen  können.
 So  wird nicht vorrangig
 nach  dramatischen geistlichen Erfahrungen gefragt.
 Christus  selbst sagte einmal:
 Wer  meinen Willen tut, der wird erfahren,
 dass  ich die Wahrheit bin und sage.
 Das  Leben nach seinem Willen müssen wir lernen,
 wie  das Kind das Laufen.
 Das  gilt auch für solche, die einen Neuanfang,
 eine  Bekehrung oder ähnliches erlebt haben.
 Sie  sind nicht endgültig erneuert,
 sondern  sie haben sich einer erneuernden Bewegung
 in  die gottgewollte  Richtung angeschlossen.
 Christ  sein heißt nicht am Ziele, sondern auf dem Weg sein.
 So  ist es unendlich wichtig, sich auf diesen Weg nach oben,
 d.h. in Richtung Herrschaft Christi zu  begeben,
 aber  es ist entscheidend, auf diesem Weg zu bleiben,
 mit  kleinen, zaghaften Schritten vielleicht,
 aber  doch auf dem richtigen Weg.
 Das  bedeutet: Trachtet nach dem was droben ist.
 Nun  spricht aber unser Text noch  von der Verborgenheit der Herrschaft Christi
 und  auch der Verborgenheit unseres Christseins,
 unseres  christlichen Handelns.
 Das  bedeutet, dass christliches Handeln verborgen ist
 in  der Missverständlichkeit und der Zweideutigkeit.
 Macht  Ihnen das auch zu schaffen:
 Wenn  man sich gegen Unrecht nicht wehrt,
 dann  wird das doch als Schwäche gedeutet.
 Wenn  man sich zur christlichen Gemeinde hält,
 so  nennen das viele fromme Duckmäuserei.
 Wenn  man sich der Behinderten annimmt,
 dann  wird man doch selbst als bekloppt hingestellt.
 Wenn  man sich um türkische Kinder kümmert,
 wird  man doch selbst zum Fremdling.
 Und  wie manche gute Tat wird als Wichtigtuerei verschrien,
 und wie manche ist aus Angst davor nie getan  worden.
 „Unser  Leben ist verborgen mit Christus in Gott.“
 Aber  es wird offenbar werden mit Christus in Herrlichkeit.
 Wer  sich bei Christi Wiederkunft
 auf  diesem Weg zum Leben befindet,
 sei  es Zentimeter oder meilenweit,
 dem  wird Gott in Christus in Großmut entgegenkommen
 über die restliche Distanz, zu dem wird er  sich bekennen,
 den  wird er in der endgültigen Abrechnung,
 wenn  der Schlussstrich unter unser Leben gezogen wird,
 den  wird er dann nicht ohne Fürsprache vor Gott lassen.
 Deshalb:
 1 Seid  ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist,  sitzend zur Rechten Gottes. 2 Trachtet nach dem, was droben ist, nicht  nach dem, was auf Erden ist. 3 Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist  verborgen mit Christus in Gott. 4 Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren  wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.
 Amen.
 
 
   Pfingstsonntag 2002Römer 8,1-2;10-111 So  gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. 2 Denn  das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei  gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.10 Wenn  aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der  Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. 11 Wenn nun der Geist  dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der  Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig  machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.
 Liebe Gemeinde,da habe ich gleich genauer hingeschaut, da wurde ich  hellwach,
 als ich das las:
 So gibt es nun keine Verdammungsurteil für die,
 die in Christus Jesus sind.
 Wo, ja wo bitte, soll’s denn das geben:
 Kein Verdammen, kein Verurteilen, kein liebloses  Fertigmachen,
 keine brodelnde Gerüchteküche, keine drohenden  Scheiterhaufen.
 Da wär ich gerne,  da könnte ich aufatmen, leben, lieben!!!!
 Wo gibt’s das??
 Bei denen, die in Christus Jesus sind, sagt Paulus.
 Meint er Christen? Oder gar Gemeinden,
 also da wo diese Christen in Haufen auftauchen??
 Da soll’s kein  Verdammen und Richten geben?
 Da kommt ein bitteres Lachen in mir hoch:
 Dort gedeiht das doch am allerbesten!
 Dort schwelen doch unablässig drohende Scheiterhaufen,
 früher aus Holz und heute aus Gerüchten und Vermutungen.
 „Haben Sie’s schon gehört, was die sich geleistet hat??!“
 „Aber ihr Mann ist auch nicht ganz sauber!“
 „Und die Kinder: Drogen des eine, Bulimie des andere!“
 „Und unser Pfarrer, der hat doch kein rechte Glaube!“
 Uiffingen ist anders, sagen Sie?! Ich wünsch’s Ihnen!Mich hat manchmal die Befürchtung beschlichen,
 dass es kaum Plätze gibt, wo gnadenloser gerichtet
 und hemmungsloser verdammt wird, als in Christengemeinden.
 Und als ich dann gestern mich furchtbar aufregte
 über unseren Kanzler mit seinen Sorgen
 über die Echtheit seiner Haarfarbe („Der ist ja sooo hohl“),
 da wurde ich erinnert, wie lustvoll auch ich verdamme,
 also wunderbar zu den Scheiterhaufen-Fanatikern passe.
 Ja, sagen Sie, der Paulus meint ja auch nicht,dass unter Christen nicht verdammt und gerichtet wird,
 der meint, dass die Christen von Gott nicht  verdammt werden.
 Er sagt: Von Gott kommt kein  Verdammungsurteil.
 Genau das meint  er, ABER sollte das nicht Auswirkungen haben???
 Da gibt’s doch dieses Gleichnis von Jesus,wo einer eine Wahnsinnssumme Geld nicht zurückzahlen  konnte.
 Bis ans Ende seines Lebens
 hätte er Sklave sein  müssen beim Geldverleiher,
 seine ganze Familie im Sinne der Sippenhaft noch dazu.
 Der lädt den armen Kerl auch vor,
 aber er fällt kein Verdammungsurteil, sondern erlässt ihm  ALLES.
 Weder er noch seine Familie werden zur Sklaverei verdammt,
 sondern eine unendlich barmherzige Großzügigkeit setzt ihn  frei.
 So ist Gott, will Jesus überzeugen.
 Und wie ist der Mensch? Das zeigt Jesu story auch noch:
 Der gerade am Verdammungsurteil vorbeigeschrammte Mensch
 trifft draußen auf einen, der ihm 50 Pfennig schuldet,  peanuts,
 packt  den am Kragen und verdammt ihn zur Sklaverei
 bis  er auch den letzten Pfennig zurückgezahlt hat.
 Gibt’s das? Das darf doch nicht wahr sein:
 Einer wird befreit und gibt die Befreiung nicht weiter.
 Einer entgeht der Verdammnis und verdammt andere.
 Einer wird entschuldigt und beschuldigt andere.
 Einer erfährt unerwartete Großzügigkeit
 und bleibt kleinlich gegenüber anderen.
 Gibt’s das?? Kann das wahr sein??
 Und wenn es das gibt: Wie ist möglich? Woran liegt’s?
 Was verhindert die spontane, ja natürliche Weitergabe
 von Großzügigkeit, Freiheit und Vergebung?
 Wo klemmt’s?
 „So gibt es nun kein Verdammungsurteil für die, die in Christus Jesus sind“ ---
 aber die verdammen hemmungslos weiter!
 Entgeistert stellen wir dies fest und fragen:
 Was sind die Hintergründe für diesen Ungeist?
 Machen wir’s an dem Schuldner aus Jesu Gleichnis fest.Warum klagt der peanuts ein,
 wo er gerade Millionen erlassen bekam?
 Warum statt überschäumender Lebensfreude
 in sich verkrümmte Mickrigkeit?
 Entweder war ihm seine Schuld und die drohende Strafe
 in ihrer ganzen Schrecklichkeit nicht bewusst
 oder er konnte an  die totale Vergebung nicht glauben.
 Entweder also meinte er:
 Der Typ soll sich mal nicht so haben wegen der paar  Millionen
 oder er dachte: Wer weiß, was da noch nachkommt an  Forderungen.
 Das erste wäre eine illusionäre Verharmlosung seiner Schuld
 das zweite Misstrauen an der Güte seines Befreiers.
 Wer flüchtet sich in Illusionen? Wen die Realität  überfordert!
 Wer kann an Güte nicht glauben? Gebrannte Kinder!
 Wo kommt beides zusammen?
 In Menschen, die sich überfordert fühlen
 und schon manches Enttäuschende hinter sich haben.
 Das trifft auf mich zu.
 Und auf Robert Steinhaüser aus Erfurt.
 Und auf seine Eltern.
 Und ich befürchte, dass dies auf Sie.. und auf Sie .. und  auch auf Sie zutrifft: Überfordert und enttäuscht.
 Enttäuscht und überfordert.
 Flüchten auch wir in Illusionen, weil die Wirklichkeit uns  überfordert?
 Mein Bub hätte so was wie der Robert Steinhäuser nie  gemacht!
 (Bei mir ist das keine Illusion! Weil ich keine Buben habe  ;-)))
 Die Eltern sind schuld, klagen die überforderten Lehrer;
 die Lehrer haben versagt, meinen überforderte Eltern,
 die Regierung, tönt die Opposition;
 die Opposition, beteuert die Regierung,
 alle sind sie nicht böse oder schlecht,
 aber hoffnungslos überfordert.
 Jeder sucht sich zu entlasten, weil schon so Schweres auf  ihm lastet;
 jeder sucht sich zu entschuldigen, weil .......
   Was ich bekommen konnte, habe ich gelesen über Robert  Steinhäuser und seine Familie.Und ich bin zu Tod erschrocken, weil ich merkte:
 Das hätte auch unsere Familie erwischen können.
 Ja, freilich, da haben ein paar Details gefehlt,
 da war die Sprachlosigkeit vielleicht nicht ganz so  bedrückend.
 Aber ist das mein Verdienst? Oder der meiner Frau?
 Oder der meiner Töchter?
 Oder kein Verdienst, sondern Zufall, oder Gnade oder  Bewahrung???
 Tagelang hat’s mich umgetrieben:Wenn’s einer Familie wie den Steinhäusers passieren konnte,
 hätte in jeder Familie, die ich kenne,
 ein Amokläufer aufwachsen können.
 Trete ich Ihnen damit zu nahe? Lesen sie über die  Steinhäusers.
 Zum ersten Mal bin ich dankbar,
 dass die Medien über Persönliches berichten,
 es kann fairen Menschen wirklich helfen.
 Und jetzt sitze ich da und denke darüber nach,was da jetzt in mir vorgegangen ist.
 Nicht weil ich mein individuelles Erleben und Verarbeiten  dieses
 drei Wochen und zwei Tage alten Schocks so genial finde,
 sondern weil ich eine Ahnung habe,
 dass das wie ein Gleichnis ist für den Pfingstgeist.
 Da war dieser zweite Schock,
 zumindest so stark wie der am 26. April:
 Du bist wie die Steinhäusers; sie sind wie du.
 Und: Auch du warst schon extrem enttäuscht und hoffnungslos  überfordert und schrecklich allein gelassen – wie Robert.
 Kannst du ganz sicher sein, dass es deine bessere Moral
 oder deine stärkere Disziplin waren,
 die dich nicht Amok laufen ließen?
 Martin Buber übersetzte Jesu Gebot der Nächstenliebe immer  mit:
 Liebe deinen Nächsten; er ist wie du!
 Wie reagieren Sie,
 wenn Sie in einem andern eine Schwäche entdecken,
 die Ihnen selbst wohl bekannt ist?
 Mit Verständnis oder mit Verdammnis?
 ALLE sind wir verstrickt in dieses Potential zum Amoklauf,
 ALLE sind wir zuweilen so enttäuscht und überfordert,
 dass wirklich ALLES passieren könnte.
 Alle sind der Sünde versklavt, sagt die Bibel
 Der einzige Unterschied zwischen Menschen in dieser  Hinsicht ist,
 dass es die einen wissen, und die andern nicht.
 Die es aber wissen,etikettieren Robert nicht als Monster, wie die  BLÖD-Zeitung,
 und verdammen nicht seine Eltern.
 Solidarität macht sich breit, zwischen Ossis und Wessies,
 zwischen dem Vater, der dankbar ist für seine Töchter
 und den Eltern, die der Verzweiflung nahe sind,
 zwischen solchen, die bewahrt wurden und den andern,
 bei denen es böse zugeschlagen hat.
 Und dass dann kein Verdammen mehr stattfindet,das ist von Gott her schon lange Realität, echt!
 Das können sie getrost glauben!
 (Erneute Textlesung)
 In diesem Geist werden unsere Gemeinde zu Oasen,
 wo Enttäuschte aufleben und Überforderte neue Kraft  kriegen.
 Sogar Tote kann dieser Geist aufwecken?
 Dann aber auch uns!
 Amen
 
 
  Pfingsten 1983Joh. 4, 19-2619 Die  Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. 20 Unsere  Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die  Stätte, wo man anbeten soll. 21 Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es  kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater  anbeten werdet. 22 Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was  wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. 23 Aber es kommt die Zeit  und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im  Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben.  24 Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der  Wahrheit anbeten. 25 Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias  kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen.  26 Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet. In  einem alten Buch über die Fischer der Lofotinseln entdeckte  Bertolt Brecht eine bedeutsame Notiz, die er uns mitteilt: Wenn die ganz großen  Stürme erwartet werden,
 geschieht  es immer wieder,
 dass  einige der Fischer ihre Schaluppen am Strand vertäuen
 und  sich an Land begeben, andere aber eilig in See stechen.
 Die  Schaluppen, wenn überhaupt seetüchtig,
 sind  auf hoher See sicherer als am Strand.
 Auch  bei ganz großen Stürmen sind sie auf hoher See zu retten.
 Selbst  bei kleineren Stürmen werden
 sie  am Strand von den Wogen zerschmettert.
 Es  mutet uns zunächst paradox an,
 dass  gerade bei den heftigsten Stürmen
 die  Sicherheit des Festlandes aufgegeben wird.
 Die  beinahe instinktiven Regungen
 gehen  in solcher Situation gerade in die andere Richtung:
 sich  festklammern, das Bekannte, Erprobte,
 Verlässliche,  das Kontrollierbare, Diskutierbare suchen.
  Die samaritanische Frau, deren  Stimme wir am Anfang des heutigen Predigttextes vernehmen, hat ein  sturmbewegtes Leben hinter sich.
 Liebeshungrig  hat sie von vielen Männern
 Wärme,  Geborgenheit und Sicherheit erwartet.
 Doch  jedes Mal musste sie frustriert und verunsichert Bilanz ziehen: Wieder nur das  Gegenteil erreicht.
 Aber  sie hat damit leben gelernt – wie so viele unter uns.
 Sie  meinte wenigstens,
 mit  all diesen Enttäuschungen und Lieblosigkeiten leben zu können. Ein wenig  Selbsttäuschung hier –
 ein  kleines Zurückschrauben der Erwartungen dort –
 so kann man über die Runden kommen.
 Aber  nun begegnet ihr am Jakobsbrunnen dieser Fremde.
 Er  spricht sie auf ihren Lebensdurst an.
 Er  legt behutsam seinen Finger in die Wunden ihres Lebens.
 „Geh  und ruf deinen Mann!“ Sie kann nur antworten:
 „Ich  habe keinen Mann!“
 Und  Jesus sagt zu ihr: „Du hast richtig geantwortet:
 Ich  habe keinen Mann! Fünf Männer hast du gehabt, und der,
 den  du jetzt hast, ist nicht dein Mann; da hast du recht!“
 Die kritische Stelle in ihrem Leben ist hier  aufgedeckt worden.
 Sie  ist zutiefst betroffen.
 Ihre  vermeintliche Bewältigung ihres zentralen Problems
 hat  sich als bloße Verdrängung entpuppt.
 Da in diesem Fremden
 ist  sie dem göttlichen Geist der Wahrheit begegnet.
 Sie  merkt: Vor ihm ist mein Leben offenbar!
 Diese  Erkenntnis erfasst sie wie eine Sturmböe. Vom  Geist der Wahrheit erfasst!
 (Sowohl  in der hebräischen wie auch in der griechischen Sprache bedeuten die Begriffe  für Geist gleichzeitig auch Wind).
 Wird  dieser Geist, der sie jetzt so vehement erfasst hat,
 sie  zerstören oder sie tragen?
 Soll  und kann sie sich diesem Geist der Wahrheit,
 der  ihr in Jesus begegnet, voll aussetzen?
 Oder  soll sie sich schnellstens
 auf  irgendeine Weise durch Flucht in Sicherheit bringen?
 Soll  sie ihr Lebensschiff
 ganz  diesem sie bestürmenden Geist ausliefern –
 soll  sie – um mit dem Bild von Brecht zu sprechen – in See stechen, sich treiben  lassen?
 Oder  soll sie ihr hin und her geworfenes Lebensschiff am Land
 – d.h. am Bekannten, Machbaren und  Unbeweglichen, festmachen?
  Vielleicht kennen Sie das auch: Durch  ein Bibelwort, durch eine Predigt,
 ein  Gespräch kann man vom Geist der Wahrheit erfasst werden. Tiefgehende Einsichten  ins eigene Leben gehen einem auf:
 Was  jetzt? Kann ich diese Tiefen ertragen?
 Tiefgreifende  Änderungen im Leben
 drängen  sich einem förmlich auf im Licht des Evangeliums.
 Da  habe ich schon lange diese Einstellung,
 habe  sie auch vor vielen lauthals verkündet.
 Aber immer deutlicher wird:
 Die  ist vor Jesus, vor dem Geist der Wahrheit,
 nicht mehr zu verantworten. Was nun?
 Klammere  ich mich fest am Gewohnten,
 auch  an dem Gewohnten, das die andern von mir gewöhnt sind.
 Die  hätten´s wirklich gerne so, denn wenn sich einer ändert,
 sind  die andern in der Regel verunsichert!
 Ihnen  ist die stillschweigende Forderung,
 sich  ebenfalls zu ändern, recht unangenehm!
 Was  tun, wenn der Glaube an Jesus Christus
 sich  plötzlich als lebensgestaltende Kraft erweist,
 die  sich nur um den Preis des Glaubensverlustes abschütteln,
 oder  kontrollieren lässt?
 Die  Samaritanerin am Jakobsbrunnen macht uns deutlich wie gefährlich es ist zu  singen:
 O  komm du Geist der Wahrheit.
 Ein  bisschen Wahrheit. Ein bisschen Wahrheit, kontrolliert und dosiert, das ist  schon recht. „Deckel  drauf, damit der Geist nicht entweicht“
 sagte früher meine Mutter,
 wenn  mein Bruder oder ich uns Sprudel aus der Flasche eingegossen hatten.
 Deckel  drauf, damit der Geist nicht zu gefährlich wird.
 So  handelt schließlich auch die Frau am Jakobsbrunnen. Zunächst  ist sie zwar echt überwältigt von diesem Geist der Wahrheit!  Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Sie  ist tief betroffen,
 aber  sie hat den Deckel schon in der Hand!
 Sie  war nahezu überwältigt: Herr! Prophet!
 Ums  Haar hätte sie sich diesem Geist der Wahrheit
 voll  ausgesetzt, hätte sich von ihm tragen lassen,
 hätte sich von ihm treiben lassen,
 hätte  sich von diesem göttlichen Brausen erfassen lassen.
 Das  wäre Anbetung,
 echte  Anbetung im Geist und in der Wahrheit gewesen!
 Proskyneo!  Anbeten! Sich niederwerfen, sich ausliefern,
 das  Ruder aus der Hand legen
 und  es dem Geist der Wahrheit anvertrauen.
 Das  heißt Anbetung.
 So  nahe war die Frau dieser Erfahrung!
 Doch  es wird ihr – wie auch so oft uns – zu brenzlig, zu risikoreich! Da hat man ja  nichts mehr in der Hand.
 Ein  bisschen muss man ja schließlich auch seinen Glauben
 in  der Hand haben – ihn dosieren können,
 damit  man nicht total ausgeliefert ist!
 „Und  führen wohin du nicht willst“. Wie bedrohlich!
 Kennen  Sie auch solche Empfindungen?
 Und  sie wählt den Deckel,
 mit  dem man den Geist der Wahrheit
 am erfolgreichsten unter Kontrolle bringen  kann:
 die  theologische Diskussion,
 in  der Gottes Geist und seine Lebensäußerungen
 zum  Gegenstand menschlicher Erwägungen werden.
 Sie  entschließt sich,
 ihr  vom Geist der Wahrheit ansatzweise bewegtes Lebensschiff, wieder festzumachen  am Gewohnten,
 am  Festland der religiösen Diskussion:
 Der zwischen Juden und Samaritanern strittige  Ort der Anbetung
 soll  in den Mittelpunkt des Gesprächs rücken –
 damit  der Gott, der Geist ist, der souverän ist,
 der  Anspruch auf ihr Leben erhebt,
 damit  dieser äußerst lebendige Gott
 etwas  mehr in den Bereich der Lebensränder gerät.
 Wie  viel wird doch über Gott diskutiert,
 um  ihm aus dem Weg zu gehen!
 Aber  Jesus lässt sich nicht auf die Diskussion ein –nicht, weil er stur wäre – nicht, weil er es  nicht wunderbar verstünde auf Menschen einzugehen!
 Jesus führt zurück zur Sache, weil nur sie der  Frau helfen kann: Anbetung im Geist! Proskyneo!
 Sich  niederwerfen, auf den Knien huldigen!
 Dies  im Geist und in der Wahrheit tun heißt:
 Sich  niederwerfen darf nicht nur
 ein  gut geübter körperlicher Vorgang sein,
 sondern  soll Ausdruck der inneren Einstellung sein:
 Gott,  du bist mein Herr. Gott, dir gehört mein Leben!
 Gott,  ich geb‘s auf, mein Leben krampfhaft selbst meistern zu wollen. Gott, ich  verzichte darauf,
 dich  zum Gegenstand meiner frommen Gedanken
 und  Gespräche zu machen.
 Gott,  rede du, ich will hören!
 Das  heißt: Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten.
 In  der Anbetung ist zentral, dass ich von Gott ergriffen bin, weniger  wichtig ist, dass ich ihn begreife.
 Anbetung  heißt:
 Den  Deckel aus der Hand legen und Gott das Dosieren überlassen. Anbetung heißt: Die  Taue der Angst kappen
 und  das Lebensschiff vom neuen göttlichen Wind treiben lassen. Pfingsten heißt:
 Solche  Anbetung im Geist und in der Wahrheit wagen.
 Aber  in uns ist ein grundsätzliches
 und  tief verwurzeltes Unbehagen vor Fremdbestimmung.
 Wir  haben es erlebt wie in Familie, Gesellschaft und Politik Fremdbestimmung, das  sich treiben lassen, zum Fluch wurde.
 Deshalb  die Angst davor! So  büchst die Frau am Jakobsbrunnen zum zweiten Mal aus:
 „Ich  weiß, dass der Messias kommt, der wird uns alles verkündigen! Wieder die fromme  Diskussion!
 Nur weg vom existentiellen Betroffensein!
 Irgendwann  einmal werden wir wissen!
 Aber  heute, wer kann heute schon etwas Gewisses wissen?
 Heute  hat jeder recht – und dadurch keiner!
 Sie  eilt in den Bunker der unverbindlichen Diskussion!
 Wahrheit – später einmal!
 Und  knallhart holt Jesus sie zurück:
 „Ich  bins, der mit dir redet.“
 Was  sie die ganze Zeit ahnt, wird ihr nun deutlich zugesprochen:
 Hier  in dieser Person begegnet ihr der Geist der Wahrheit!
 Hier an der Einstellung zu dieser ganz  konkreten Person
 entscheidet  sich, ob es zur Anbetung kommt.
 Damals  wie heute gilt:
 In  dieser Person des Juden Jesus ist der Geist geerdet.
 „Das  Heil kommt von den Juden –
 der  Retter der Welt kommt aus diesem Volk.
 “  Wer sich Gott dem Geist in Wahrheit aussetzt,
 kommt am Juden Jesus nicht vorbei!
 So  hat es Gott gewollt!
 In  Jesus ist Gottes Geist geerdet!
 Gottes  Geist ist kein willkürlicher, freischaffender Künstler –
 er  hat ein Gesicht, eine Gestalt, ein Leben,
 ein  Schicksal, eine Zukunft –
 in  der Person Jesu Christi, dem Juden,
 der  vor beinahe 2000 Jahren gelebt und geliebt hat.
 Möchten  Sie darüber diskutieren?
 Diskutieren  Sie meinetwegen solange sie wollen!
 Wundern  Sie sich aber nicht,
 wenn  ihr Leben zerbricht zwischen dem Brausen des Geistes
 und  Ihrem angstvollen sich klammern
 an  das Kontrollierbare und Dosierbare.
 Der Geist, den Sie sich in der Dose halten  wollen,
 wird  zum bösen und zerstörenden Geist.
 Das  ist die Tragik des religiösen Menschen.
 Jesus Christus aber ist der Befreier aus aller  verklemmten Religiosität. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit!
 Freiheit  von den Steinigungsversuchen
 religiöser  Fanatiker und Gesetzesmenschen.
 Da  stellt sich Christus schützend vor uns.
 Freiheit  von dem peinigenden Anklagen des Gewissens.
 Christus  ist hier, der gerecht macht.
 Freiheit  von sich selbst und für andere
 und  schließlich die Freiheit, Gott wirklich Gott sein zu lassen!
 Ohne  Angst – den Vater Jesu Christi, den der aus der Sklaverei führt – den dürfen  wir getrost und dankbar anbeten.
 Das  risiko- aber segensreiche Pfingstgebet ist:
 O  komm, du Geist der Wahrheit!
 Amen
 
 
   Pfingsten 2008Apg. 2, 1-13
  1 Und als der Pfingsttag gekommen war,  waren sie alle an einem Ort beieinander. 2 Und es geschah plötzlich ein  Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus,  in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von  Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle  erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen,  wie der Geist ihnen gab auszusprechen. 5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die  waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als nun  dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein  jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. 7 Sie entsetzten sich  aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da  reden, aus Galiläa? 8 Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?  9 Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und  Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, 10 Phrygien und  Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus  Rom, 11 Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in  unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.   Ja, wenn’s nicht aus der Hl. Schrift wärewürde ich meinen, hier wird meine erste Liebe beschrieben:
 Nach langen Zeiten schmachtenden Wartens - die Erfüllung,
 gleich zweimal kommen Worte wie Fülle am Anfang vor.
 Dann ist da ist ein Brausen, wild und unkontrollierbar,
 da sind Menschen Feuer und Flamme
 und da ist dieses Lallen, jenseits von allem Verstand ,
 (oh du süßes Honigschnäuzchen!)
 aber jeder ist von diesem Lallen fasziniert.
 Und die Geschichte schließt mit dem Verdacht :
 „Sie sind voll von süßem Wein“
 O wunderbare erste Liebe!
 30 Jahre später kriegt man vor so was Angst,Zyniker kommentieren es mit Hohn.
 Das hat seinen Platz in Hollywood-Schinken,
 aber nicht in der Wirklichkeit.
 Soweit auch die Geschichte der Kirche in Kurzfassung:Am Anfang ekstatischer Geist, rauschhafte Faszination,
 am Ende, heute, krämerhafte Vereinsmeierei,
 das Drehen um sich selbst.
 Am ersten Geburtstag das Rühmen der großen Taten Gottes,
 an ihren Geburtstagen heute, zu Pfingsten,
 die Sorge um Besitzstandswahrung.
 Wie kommen wir denn bei den Menschen an?
 Werden wir verstanden, geliebt?
 Umfragen, Erhebungen, Imagepflege.
 Hätte unsere Kirche einen Busen, sie würde ihn liften lassen,
 mindestens wöchentlich,
 und damit verraten, dass sie nix begriffen hat.
 Nix von Liebe und nix von Schönheit.
 Den ersten Christen war’s sch…egal wie sie ankamen,
 sie waren angekommen, angenommen …… bei Gott selbst,
 durch dessen große Taten im geschundenen
 und eben darin
 triumphierenden Jesus.
 Die hatten verstanden, bevor sie verstanden werden wollten.
 Die ersten Christen hatten in eben diesem Jesus einen Geist  entdeckt,der sie widerstandsfähig machte
 gegen den Ungeist von Anpassung, Kleinlichkeit und  Selbstgerechtigkeit.
 Oh großer und barmherziger Gott,
 wehre dem Ungeist der sich an Herrn Fritzl in Amstetten  aufgeilt
 und sich selbst bestätigt:
 Zu soo was wär’n wir nie fähig,
 wir wär’n nicht so weg-guckerisch gewesen wie die Ehefrau
 wir hätten das alles auffliegen lassen.
 Und die Zeitung mit den Balkenüberschriften
 schürt hämisch eine pharisäische Selbstgerechtigkeit.
 Jesus würde dazu sagen:
 Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist
 als die der Schriftgelehrten und Pharisäer,
 sooooo  ……. könnt ihr  nicht ins Reich Gottes kommen.
 Solange wir meinen, wir könnten unsere Christlichkeit  demonstrieren,durch Worte der Distanzierung von Gefallenen
 und Gescheiterten und Verirrten,
 hat’s der Geist Jesu schwer bei uns.
 Wenn wir nur neu verstehen lernten:Christus hat nur eine Chance
 Und zwar in zitternden und verzagten Herzen,
 die staunen und loben und fassungslos sind darüber,
 dass Jesus sie nicht schon längst hat fallen  lassen.
 DARUM waren die Jünger und Jüngerinnen an EINEM Ort (Vers  1),weil sie schüchtern und verzagt noch nicht glauben konnten,
 dass ihr Jesus LEBT,
 dass ihre Hoffnungen  zwar verwandelt,
 aber nicht gestorben waren.
 Als die Frauen von der österlichen Begegnung
 mit dem Herrn erzählten,
 hielten’s die Herren der Schöpfung für ein Geschwätz,
 typisch Weiber eben, glauben halt was sie sich wünschen.
 Ja, das ist schon wunderbar,
 wenn die Wirklichkeit die Wünsche überholt.
 Das passiert manchmal in guten LIebesgeschichten
 Also lasst uns dem Verdacht nachgehen,die Pfingstgeschichte sei eine Liebesgeschichte.
 Von meinem theologischen Guru, Prof. Klaus Berger, habe ich  gelernt,
 dass in einem biblischen Text das Fremde auf sein  Anliegen hinweist.
 Finde also in einer Geschichte
 das Auffällige, Anstößige, Außergewöhnliche,
 und du bist nahe an ihrem Kern,
 dann wird’s warm, würde man beim Osternestsuchen sagen.
 Bei der Pfingstgeschichte braucht man nicht lange suchen:
 Fremd sind die Verse mit den unaussprechlichen Völkernamen:
 (vv. 9-11 lesen)
 Hä? Und da soll der Kern, die Botschaft, das Anliegen versteckt  sein?
 Diese Völker haben verschiedene Sprachen und Kulturen,
 aber EINS ist ihnen gemeinsam:
 Sie VERSTEHEN.
 Und dieses Verstehen hat drei Kennzeichen:
 1. Sie verstehen, wo man es eigentlich nicht erwarten  konnte
 2. Ihr Verstehen sprengt echte und harte Grenzen
 3. Ihr Verstehen ist missverständlich, riskiert  Missverständnis
 Sind das wohl Kennzeichen des Pfingstgeistes, noch heute? 1.  Sie verstehen, wo  man das eigentlich nicht erwarten konnteDie Apostel, alle ohne Studium in den Goethe-Instituten ihrer  Zeit,
 werden verstanden von den Leuten aus aller Herren Länder,
 die ebenfalls noch keine Sprachschule  von innen gesehen hatten.
 Was geht da ab?
 Simultanübersetzung vor der Zeit? Sprachenwunder?  Hörwunder?
 Auf jeden Fall Wunder!!!
 Und jetzt bitte nicht die Modernitäts-Klatsche rausholen:
 Ha, des gait’s doch goor nedd! Mier sann uffgeglährt!
 Oh, wie wunderbar, sich wieder mal einlassen
 auf Gottes ungeahnte Möglichkeiten, auf seine großen Taten.
 Die Wirklichkeit nicht mehr prokrustes-mäßig zuschneiden
 auf unsere ärmlichen und so arg begrenzten Erfahrungen.
 Wo Christus ist, da gibt es diese Limits nicht,
 wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
 Sie verstehen, wo man es eigentlich nicht erwarten konnte.
 Eine Liebesgeschichte?
 Das ist doch wie wenn zwei zusammenziehen,
 nach Jahren des Rum-Poussierens,
 und er hat das immer hinauszuschieben versucht, komisch!
 Aber er hütete ein kleines, ihm peinliches Geheimnis,
 das würde in der gemeinsamen Bleibe ans Licht kommen.
 Und es kam ans Licht – aber es war ein warmes Licht.
 Sie verstand, was eigentlich nicht zu verstehen war.
 Verstehen – eine Liebesgeschichte – damals und heute!
 2. Ihr Verstehen sprengt echte und harte GrenzenGlauben Sie mir, zwischen einem Ägypter,
 einem Perser und einem Juden
 da sind betonmäßige Grenzen der Weltsicht und des  Menschenbilds.
 Wie Beton-Grenzen heute
 zwischen unseren Frömmigkeits-Prägungen:
 Die einen wissen, welcher Pfarrer gläubig ist uns welcher  nicht
 die andern wollen immer interpretieren,
 kommentieren und nivellieren.
 Man könnte das Profil dieser einander kritisch Gesinnten
 in unseren Gemeinden beliebig fortführen.
 Manchmal sind aber beide begeistert von Christus,
 beide lieben IHN und seine wunderbaren Taten an uns.
 Mag sein, sie lieben verschieden. Na und?
 Kann es sein,
 dass 7 Milliarden Menschen heißt –
 sieben Milliarden Arten der Liebe?
 Nehmen Sie doch nur mal die Jüngerinnen und Jünger Jesu,
 wie verschieden und vielfältig sie ihn liebten:
 Der stürmische Petrus, die   warmherzige Maria Magdalena,
 der suchende Thomas und der melancholische Johannes.
 Und sogar eine Edelhure
 darf Jesus mit den Praktiken ihres Gewerbes zeigen,
 wie sehr sie ihn liebt.
 Gott liebt die Vielfalt!
 Das habe ich in Reli, manchmal bis zur Schmerzgrenze,
 als einen Hauptinhalt der Schöpfungsgeschichte
 rüberzubringen versucht.
 Der Gott, der die Bananen gelb und die Kohle schwarz  geschaffen hat,
 freut sich, wenn Verschiedenheit nicht als unüberwindliche  Grenze,
 sondern als Farbigkeit und als Heilmittel
 gegen Langeweile verstanden werden.
 Welche Liebesgeschichte, wenn so genannte Moderne und sog.  Konservative einander entdecken in ihrer Faszination von Jesus!
 3. Ihr Verstehen ist missverständlich, riskiert  MissverständnisWas da zwischen den galiläischen Juden
 und den 17 anderen Gruppen abging,
 war so feurig, so brausend, so spontan,
 so völlig jenseits alles Gewohnten,
 dass es missverstanden werden MUSSTE.
 Hätten die sich damals diesem überwältigenden Verstehen,
 diesem Feuer der Be-Geisterung, diesem unkontrollierbaren  Brausen
 widersetzen können??
 Evtl. um Missverständnisse zu vermeiden?
 Warum sollten sie so blöd sein,
 und diese wunderbare neue Kraft abblocken,
 wo sie doch Wärme in die Kälte,
 leuchtende Augen statt verkniffener Visagen,
 Weite statt beklemmender Ängstlichkeit
 bringen würde?
 Der Verdacht „Sie sind voll süßen Weins“ konnte sie nicht  lähmen.
 Um warum sollten wir uns sträuben,
 wenn Gottes guter Geist uns in diese
 Liebesgeschichte des Verstehens
 hinein nehmen will?
 Oh Jesus Christus,du verstehst uns, wo wir das eigentlich nicht erwarten  könnten,
 du, der Heilige überwindest die Grenzen zu uns Sündern
 du hast Missverstandenwerden riskiert – bis zum Tod am  Kreuz.
 DEINEN Geist erflehen wir im Ungeist unserer Tage.
 „Ich hang und bleib auch hangen an Christus als sein Glied,
 wo mein Haupt durch ist gangen, da nimmt er mich auch mit
 ER reißet durch den Tod, durch Welt, durch Sünd, durch Not,
 ER reißet durch die Höll, ich bin stets SEIN Gesell!
 AMEN
 
 
   PfingstmontagBrückenfest 1990
Gen.11
(vor der Predigt das beigeheftete  Anspiel)
 1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge  und Sprache. 2 Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im  Lande Schinar und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander:  Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein  und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und  einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen  Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.
 5 Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe  die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. 6 Und der HERR  sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und  dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden  können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst  uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern  Sprache verstehe!
 8 So zerstreute sie der HERR von dort in  alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. 9 Daher heißt  ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und  sie von dort zerstreut hat in alle Länder.
 Liebe Gemeinde,Im 12. Jahrhundert vor Christus
 fing Nebukadnezzar I an, im Flachland  von
 Mesopotamien einen Stufentempel zu  bauen.
 Der sollte 90 Meter hoch werden
 (Unser Kirchturm hat etwa 12 m)
 Aber aus irgendeinem Grund wurde er  nie fertiggestellt
 Da stand die Ruine über viele  Jahrhunderte
 und wurde später zum Sinnbild für  zerstörte Größe
 aber auch für zerstörerische Größe.
 Dafür wurde Babel zum Sinnbild,
 für zerstörerische Größe,
 für die Tragik der Wahnwitzigen und
 für die grenzen- und gnadenlose  Selbstüberschätzung
 Babel ist überall
 Babel wurde aber auch zum Sinnbild  für die Folgenvon Überheblichkeit und Ruhmsucht.
 Und weil diese ihre Wurzeln in der  Angst haben,
 in der Angst vor Vergeblichkeit und  Leere,
 wurde Babel auch zu einem Symbol für  Lebensangst und ihre Folgen.
 Babel ist überall
 Der uns vom Turmbau zu Babel  erzählt,hält uns in dem Bild von Turmbau und  Sprachenverwirrung
 einen Spiegel vor:
 Du, geneigter Leser,
 wenn Du wahrnimmst
 das Aneinandervorbeireden,
 das Hintenherumreden,
 das Verschleierungsreden,
 und wenn Du noch daran leidest
 und dich noch nicht daran gewöhnt  hast
 oder gar Gefallen daran findest,
 dann denk nach, denk meiner  Geschichte vom Turmbau nach,
 denk nach, woher die Verwirrung  kommt.
 Mach's Dir nicht zu einfach:
 Sag nicht: Daran sind die alten  Babylonier schuld,
 Sag nicht: Da hat Gott vor  Jahrtausenden zugeschlagen
 und ich muss heute noch darunter  leiden.
 Sag auch nicht: Endlich weiß ich,
 warum ich Fremdsprachen lernen muss
 Frag dich: Wie gehe ich mit der  Angst vor Zerstörung um?Frage dich: Was tue ich,
 wenn meine Ziele und Träume
 meine Beziehungen und Einstellungen
 mein Bild von mir selbst
 anfangen zu bröseln
 wenn du fürchstet, dich zu  verlieren,
 was tust du dann?
 Wirst du dann hart, mauerst dich  ein,
 wirst selbst zum Turm,
 wirst selbst zur zerstörerischen  Größe?
 Frag dich: Flüchte ich in  festgefügte Rollen
 Frag dich: Suche ich sklavisch Halt  in der Bestätigung durch andere?
 Frag Dich: Wird Gemachtes zum  Lebensinhalt
 und werde ich selbst zum  Türmlesbauer, zum Macher?
 Werde ich zum zwanghaften Macher  meines Namens?
 Dann wundere dich nicht,wenn Verständigung sich verfestigt  in
 stereotype Floskeln,
 wenn Sprache verkommt zur  nichtssagenden Hülse,
 die mehr verbirgt als sie offenbart.
 Diesen Beichtspiegel hält uns der  Erzähler vor,denn Babel ist überall.
 Aber wie ein guter Seelsorger,
 lässt er uns nicht allein mit  diesem,
 unserem zerstörten und  zerstörerischen Bild,
 sondern zeigt uns unser neues Bild.
 Abraham, als Gegentyp zu den  Turmbauern aus Angst
 wird uns gezeigt als ein  Brückenbauer aus Glauben.
 Gleich nach dem zerstörerischen  Namen-Machen-Wollen
 hören wir von einem,
 der einen Namen bekommt,
 von Gott selbst.
 Und diesem Namen haftet nicht an der  Gestank des Eigenruhms
 sondern der Duft alles Leichten und  Lebendigen,
 der Duft alles Unverkrampften und  Vertrauenden
 lockt uns auf den Weg Abrahams.
 Er zementiert sich nicht fest,
 sondern bewegt sich im Vertrauen auf  den,
 der in der Bewegung Halt gibt.
 (Gen.12,1-2 lesen)
 Abraham weiß nun:Er hat einen Namen, von Gott  garantiert.
 Er steht nicht mehr unter dem Zwang,
 sich einen machen zu müssen.
 Abraham trägt in sich ein neues  Bild:
 Er ist ein Gesegneter und wird ein  Segen sein.
 Übertragen:
 Gott hat eine Brücke zu ihm  geschlagen
 und er schlägt eine zu vielen  andern.
 So sind seine Mitmenschen nicht  Rivalen,
 sondern Weggefährten, wo einer den  andern braucht.
 Und mit diesem neuen Bild,das Abraham nun in sich trägt,
 wird auch die Sprache entwirrt:
 Babel ist nicht mehr überall!
 Die neue Sprache wird belebt
 vom Angesprochensein Gottes.
 Und weil alle so Angesprochene sind
 sind auch alle ansprechbar.
 Fang an, in dir selbst und dem  andern
 bereits Angesprochene Gottes sehen
 Und aus den begonnenen Türmen
 werden Brückenpfeiler
 und du gehst nicht nur dem Himmel  entgegen,
 Mehr: er kommt dir entgegen. Amen
 
 
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